Immer wieder sorgen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen der Beleidigung von Politikern für Schlagzeilen. Beispielsweise machte letzten Herbst die Hausdurchsuchung bei einem Mann aus Unterfranken bundesweit Schlagzeilen, der den Grünen-Politiker Robert Habeck in Anlehnung an eine Shampoo-Werbung als „Schwachkopf professional“ bezeichnet haben soll. Die Ermittlungen in diesem Fall sind laut Staatsanwaltschaft Bamberg allerdings noch immer nicht abgeschlossen.
Man werde „in Deutschland ins Gefängnis geworfen für das Posten eines bösen Tweets“, schimpfte der US-Vizepräsident JD Vance kürzlich. Selbst das seriöse US-Nachrichtenmagazin „60 Minutes“ im liberalen US-Sender CBS zeigte sich in einem Beitrag verwundert über den Furor deutscher Staatsanwälte gegen Hassposts im Internet.
Doch darf man in Deutschland tatsächlich „nichts mehr sagen“? Wie definieren deutsche und bayerische Gerichte die Grenzen der Meinungsfreiheit? Warum werden Politiker vom deutschen Strafrecht besonders geschützt? Und ist die Justiz vielleicht mitunter über das Ziel hinausgeschossen?
Warum wurde die Strafbarkeit von Politiker-Beleidigungen 2021 verschärft?
Nach §188 Strafgesetzbuch kann eine „gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung“ mit Freiheitsstrafe bis fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden. Voraussetzung ist, dass die Aussage öffentlich passierte, mit der Stellung des Geschädigten im öffentlichen Leben zusammenhängt und geeignet ist „sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“.
2021 wurde der Paragraf um Beleidigungen erweitert und auf die kommunalpolitische Ebene ausgedehnt. Hintergrund war die wachsende Schrankenlosigkeit von verbalen Attacken im Internet auch auf Kommunalpolitiker sowie der Mord an dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Ziel war es, einer Verrohung der politischen Sitten rechtsstaatliche Schranken zu setzen.
Warum gibt es einen eigenen Straf-Paragrafen für Politiker-Beleidigungen?
Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung ist unter bestimmten Voraussetzungen immer strafbar. Warum also einen eigenen Paragrafen für Politiker? §188 ist eine Lehre aus der Weimarer Republik, in der demokratische Politiker systematisch verächtlich gemacht wurden, um das demokratische System zu delegitimieren.
Nach einem erstaunlich aktuell klingenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1955 dient §188 nicht dem besonderen Schutz der Person des Politikers, sondern dem Schutz des Amtes. „Politische Auseinandersetzungen, die in üble Nachrede und Verleumdung ausarten, gefährden die Freiheit des politischen Handelns, also die Grundlage der Demokratie“, erklärte das Gericht. Wer massive persönliche Attacken oder gar Angriffe auf Gesundheit und Leben fürchten müsse, der engagiere sich nicht mehr als Bürgermeister, Stadtrat oder Minister, so der Tenor der Richter. Deshalb sei der eigene Straf-Paragraf für Politiker gerechtfertigt.
Wie sieht die aktuelle Rechtsprechung dazu aus?
Das Grundgesetz wie auch die Rechtsprechung erlauben sehr wohl harte Attacken vor allem auch auf Spitzenpolitiker: So hob das Landgericht München II im April 2024 die Verurteilung eines Mannes auf, der auf Twitter geschrieben hatte, der Grüne Robert Habeck würde „mit seiner äußeren Erscheinung in einer Ansammlung von Bahnhofsalkoholikern nicht negativ auffallen“. Spitzenpolitiker müssten sich im Sinne der Machtkritik auch einer polemischen „Stilkritik“ über ihr Äußeres stellen, befanden die Richter. Freigesprochen wurde auch ein Mann, der Grünen-Politikerin Ricarda Lang auf einem Plakat als Dampfwalze dargestellt hatte.
Eine Frau, die Kritiker der Cannabis-Legalisierung um Friedrich Merz in einem Post als „ihr Arschlöcher“ bezeichnet hatte, wurde dagegen zu einer Geldauflage verdonnert. Ebenso ein Mann, der den Grünen Cem Özdemir als „Drecksack“ bezeichnet hatte.
Was also ist Meinungsfreiheit, was eine Beleidigung?
„Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts“ der Meinungsfreiheit, erklärte das Bayerische Oberste Landesgericht im Dezember 2024 in einem Grundsatzurteil. Aber: „Nicht jede ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern ist erlaubt.“ Wenn eine Äußerung allein eine persönliche Kränkung des Politikers zum Ziel hat oder die Beschimpfung „das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts verlässt“, dann kann sie strafbar sein. So sah das Gericht „Fahndungsplakate“, auf denen Spitzenpolitiker des Hochverrats, Genozids oder Kindesmissbrauchs beschuldigt wurden, als strafbar an.
Wird die Staatsanwaltschaft ohne Anzeige durch den Betroffenen von sich aus tätig, muss sie zudem zunächst prüfen, „ob die Gefahr besteht, dass ein vernünftiger, durchschnittlicher Bürger durch die Äußerung ernsthaft an der Integrität und Lauterkeit der politischen Person zweifelt“, erklärt das Bayerische Oberste in einem weiteren Grundsatzurteil Anfang März 2025. Dies könne etwa bei falschen Vorwürfen eines sexuellen Missbrauchs oder der Korruption der Fall sein.
Grundsätzlich sei jedoch immer eine denkbare Auslegung des Wortlautes als Meinungsäußerung zu unterstellen. Die Bezeichnung von Olaf Scholz als „Volksschädling“ auf einem Demo-Plakat sei nicht geeignet, „das öffentliche Wirken des Bundeskanzlers erheblich zu belasten“, fanden die Richter. Denn mit dem Begriff könne gemeint sein, dass Scholz „das Volk schädigt“, was eine zulässige Meinungsäußerung und deshalb nicht strafbar sei.
Gab es zuletzt tatsächlich mehr Verurteilungen wegen Politiker-Beleidigungen?
Laut bayerischer Strafverfolgungsstatistik ist die Zahl der Verurteilungen nach §188 von einer einzigen im Jahr 2021 auf 57 im Jahr 2023 angestiegen. Zahlen für 2024 liegen noch nicht vor. Der Statistik nicht zu entnehmen ist das verhängte Strafmaß. Öffentlich zugängliche Urteile weisen jedoch darauf hin, dass es sich in der Regel um Geldstrafen und nicht um Freiheitsstrafen handelt.
Hat die scharfe Kritik aus den USA einen berechtigten Kern?
In den USA vertraut man darauf, dass sich im freien Kampf der Meinungen Lüge, Hass und Hetze am Ende selbst aussortieren werden – also die Vernunft siegt. In Deutschland glaubt man dagegen vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen, dass Hass keine Meinung ist - und deshalb auch juristisch verfolgt werden muss. „Strafbare Beleidigungen und Bedrohungen können dazu führen, dass Andersdenkende eingeschüchtert werden und dass sich Menschen aus dem für die Demokratie unentbehrlichen offenen Meinungsaustausch zurückziehen“, erklärt das Bayerische Justizministerium. „Wer die Meinungsfreiheit und die Demokratie schützen will, muss Hasskriminalität konsequent bekämpfen.“ Was dabei strafbar ist, und was nicht, entscheiden zudem unabhängige Gerichte und nicht die Politik, betont das Ministerium.
Dass Staatsanwälte auch in Bayern im Kampf gegen „Hate Speech“ in manchen Fällen über das Ziel hinausgeschossen sein könnten, räumt das Justizressort zumindest indirekt ein: Es gebe „teilweise Schwierigkeiten bei der Anwendung“ des neuen §188 – vor allem bei der geforderten Eignung der Tat, „das öffentliche Wirken“ eines Politikers zu erschweren. Man beobachte deshalb die aktuelle Rechtsprechung der Gerichte intensiv, „um auf dieser Basis rechtspolitischen Handlungsbedarf eng im Blick zu behalten.“
Viele dieser Leute finden ja Russland ganz prima. Die sollen mal dahin auswandern, dann wissen sie, was Meinungsfreiheit ist. Und wenn wir mal eine AfD Regierung haben sollten, dann wird die russische Meinungsfreiheit nach Deutschland importiert.
Tja, wenn sich jeder daran halten würde nur Dinge zu äußern die man jemandem auch Auge in Auge ins Gesicht sagen würde gäbe es kaum Probleme, da würde in Bayern durchaus mal der Watschenbaum umfallen. Was mich zu der Feststellung bringt wer will wirklich alles wissen was andere über einen denken. In Beziehungen und unter Freunden ja, aber sonst?
Bei so einigen Urteilen in letzter Zeit kann man den Eindruck bekommen das für das Strafmaß die Parteizugehörigkeit eine bedeutende Rolle spielt - bei der beleidigten Person oder dem Angeklagten.
So eine unqualifizierte Aussage ist selbstverständlich nicht strafbar. Und jede/r verständige Leser*in ahnt, wessen parteiskind der Schreiber, der hier kein Beispiel ausführt, sondern mit "kann man" Stimmung gegen unseren Rechtsstaat macht. Raimund Kamm
Was befähigt Sie eigentlich dazu, eine Aussage als „unqualifiziert“ zu bezeichnen – nur weil sie nicht Ihrer Meinung entspricht? Ist das die viel beschworene Toleranz, von der insbesondere Vertreter der Grünen so gern sprechen? Offenbar gilt diese Toleranz nur so lange, wie sie ins eigene Weltbild passt. Es ist leicht, andere Ansichten abzuwerten, anstatt sich sachlich damit auseinanderzusetzen. Und dabei ist der erwähnte Beitrag im Gegensatz zu vielen anderen wenigstens klar verständlich formuliert – ganz ohne ideologische Floskeln oder unlesbare Sonderzeichen-Konstruktionen zwischen „/“ und „*“. Ein Diskurs lebt vom Austausch unterschiedlicher Perspektiven, nicht von Meinungsmonopolen. Wer sich ernsthaft mit Demokratie und Toleranz identifiziert, sollte auch in der Lage sein, andere Meinungen auszuhalten – selbst wenn sie unbequem sind.
"Ist das die viel beschworene Toleranz, von der insbesondere Vertreter der Grünen so gern sprechen?" Toleranz gegenüber Beleidigungs- und Hassmails? Nicht Ihr Ernst, oder?
Ich meine nicht die Beleidungs- und Hassmails. Ich bin lediglich auf einen Kommentar eingegangen. Dieser Herr stellt jeden in die AfD-Ecke, wenn man nicht seiner Meinung ist, so wie es die Grünen meistens handhaben.
Man hat den Eindruck, dass mittlerweile viele Bürger Bedenken haben ihre Meinung offen kund zu tun oder, dass diese Aussage dann zum "Unwort des Jahres" erklärt wird.
Man? Sie haben den Endruck. Oder Sie wollen ihn schlicht nur verbreiten?
Ein vollkommenes Verkennen des Sachverhaltes liegt hier zugrunde. Es ging und geht doch darum, dass Beleidigungen, Gewaltandrohungen bis hin zur Androhung von Straftaten auch in medialen Bereich wie z.B. Facebook, Messengern etc. weder straffrei noch rechtsgültig sein dürfen. Und wenn jetzt, insbesondere die Politik, dazu übergegangen ist, diese u.a. Straftäter behördlich durch die Justiz verfolgen zu lassen, denn ist an diesem Zustand nur positives zu erkennen.
Der Punkt ist m.e. ein etwas anderer. Daß die Meinungsfreiheit -allgemein- in Deutschland, verglichen mit anderen Ländern, etwas eingeschränkt ist, ist, zumindest für mich, klar. Wie siehts aus mit unseren Nachbarn oder Personen des öffentlichen Lebens? Die Unterscheidung zwischen Kritik, harter Kritik und Beleidigung scheint einer Vielzahl nicht klar zu sein. Dabei ist auch oft die Wortwahl entscheidend.
>>„Politische Auseinandersetzungen, die in üble Nachrede und Verleumdung ausarten, gefährden die Freiheit des politischen Handelns, also die Grundlage der Demokratie“, erklärte das Gericht. Wer massive persönliche Attacken oder gar Angriffe auf Gesundheit und Leben fürchten müsse, der engagiere sich nicht mehr als Bürgermeister, Stadtrat oder Minister, so der Tenor der Richter. << Genau hierum geht es. Und deswegen braucht es diesen Artikel im StGB. Raimund Kamm
Was auch nicht vergessen werden darf beim Vergleich zwischen den USA und Deutschland ist dass die (nahezu grenzenlose) Meinungsfreiheit dort die oberste Priorität geniesst da sie im ersten der 27 Zusatzartikel der Verfassung steht während in Deutschland die Menschenwürde an oberster Stelle steht (1. Artikel Grundgesetz) und die Meinungsfreiheit in Artikel 5 begrenzt (" Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre").
Nicht ganz. Die Reihenfolge der Art. 1 - 20 GG ist unerheblich. Art. 1 "Menschenwürde" hat man wegen der besonderen Wichtigkeit eben an 1 gesetzt. Art. 1 und Art. 20 dürfen nicht geändert werden (Ewigkeitsgarantie). Die anderen Grundrechte sind gleichwertig und dürfen auch novelliert werdwn
Genau das was das Thema ist... zeigt sich in einigen Kommentaren und die merken es nicht mal..
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