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Medikament mit Lithium: Arzt in Kempten vor Gericht: War Medikament mit Lithium tödlich?

Medikament mit Lithium

Arzt in Kempten vor Gericht: War Medikament mit Lithium tödlich?

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    Ein zu hoch dosiertes Medikament könnte bei einem Patient zum Tod geführt haben.
    Ein zu hoch dosiertes Medikament könnte bei einem Patient zum Tod geführt haben. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Update, 16. November 2023: Im Prozess gegen einen Arzt wegen fahrlässiger Tötung, hat das Amtsgericht Kempten bereits am zweiten Verhandlungstag entschieden. Das Verfahren sei gegen eine Zahlung einer Geldauflage zugunsten der Staatskasse in Höhe von 10.000 Euro eingestellt worden, teilt das Gericht mit. Verurteilt ist der Angeklagte damit nicht – er erhält auch kein Berufsverbot, könnte also weiterhin als Arzt tätig sein, erklärt ein Gerichtssprecher.

    Der Arzt war angeklagt, weil er 2018 seinem Patienten eine zu hohe Dosis eines Medikamentes gegen manische Depressionen gegeben haben soll (wir berichteten). Im weiteren Verlauf erlitt der damals 90-Jährige laut Auffassung der Staatsanwaltschaft eine Schluckstörung und eine Lungenentzündung. An dieser verstarb der Mann in einer Allgäuer Klinik. Mehrere Ärztinnen und Ärzte sagten im Prozess als Zeugen aus. Vor Gericht schilderten sie ihre Zweifel daran, dass die Überdosis auf den allgemeinen Gesundheitszustand des 90-Jährigen gewirkt hat. Der Angeklagte selbst bestritt alle Vorwürfe gegen ihn.

    Das Gericht stellte das Verfahren wegen sogenannter Geringfügigkeit ein. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung der Tat besteht, heißt es vom Gericht.

    So war die Verhandlung vor Gericht

    Der Patient ist 90 Jahre alt, als er 2018 vom Seniorenheim in eine Allgäuer Klinik eingeliefert wird. Sein Gesundheitszustand hat sich verschlechtert. Als der Mann in der Notaufnahme untersucht wird, stellen die Ärzte einen erhöhten Lithium-Blutspiegel fest. Sein behandelnder Arzt, der Angeklagte im Prozess, hatte einige Tage zuvor begonnen, den Patienten mit einem Medikament zu therapieren, das

    Wenige Tage später stirbt der 90-Jährige im Krankenhaus an einer Lungenentzündung. So wird es vor Gericht geschildert. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten nun vor, durch Fahrlässigkeit den Tod des Mannes verursacht zu haben. Vor dem Amtsgericht Kempten muss er sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Er soll eine zu hohe Dosis des Lithium-Medikaments gewählt haben. Das soll zu der dann tödlichen Lungenentzündung geführt haben.

    Arzt ist überzeugt davon, nichts mit dem Tod zu tun zu haben

    Der Angeklagte ist Facharzt für Neurologie. Seine zu Protokoll gebrachte Aussage wird von der Richterin verlesen. Er bestreitet darin alle Vorwürfe. Er habe Patienten wie den 90-Jährigen 30 Jahre lang so behandelt – er habe es so in seiner Facharztausbildung gelernt. Probleme habe der heute 68-Jährige nie damit gehabt. Er sei überzeugt, dass seine Behandlung nichts mit dem Tod seines damaligen Patienten zu tun hatte.

    Vor Gericht entstehen tatsächlich Zweifel daran, ob die Lithium-Vergiftung mit dem Tod des Mannes zu tun hatte. Grund dafür sind die Zeugenaussagen mehrerer Ärztinnen und Ärzte, die den damals 90-Jährigen in der Allgäuer Klinik behandelt hatten. Denn nachdem der Patient über die Notaufnahme in das Krankenhaus kam, wurde er auf die Intensivstation verlegt. Von dort kam er auf die Normalstation, wo er später starb.

    Aus jeder Station treten nun vor Gericht Mediziner in den Zeugenstand. Als problematisch stellt sich heraus, dass der Tod des Patienten bereits fünf Jahre zurückliegt. „Ich kann mich nicht an den Patienten erinnern“, sagen alle Ärzte vor Gericht. Ihre Aussage machen sie jeweils anhand ihrer Notizen in der Patientenakte.

    Patient befand sich in schlechtem Allgemeinzustand

    Ein Arzt, der den 90-Jährigen in der Notaufnahme behandelt hatte, sagt, man habe den Patienten wegen der Überdosis an Lithium überwacht und versucht, den Wert nach unten zu bringen. Damals habe er in der Akte notiert, der Patient sei unruhig gewesen. Insgesamt habe er sich in einem sehr schlechten Allgemeinzustand befunden. „Das lag aber auch daran, dass der Patient 90 Jahre alt war“, sagt der Arzt. Einer der beiden Verteidiger des Angeklagten fragt nach: Könnte es andere Gründe für die Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Patienten gegeben haben als das Lithium? Auszuschließen sei das nicht.

    Ein Arzt, der den Patienten dann auf der Intensivstation behandelte, sagt vor Gericht: „Wir erleben häufig ganz andere Lithiumspiegel.“ Beim betroffenen Patienten sei der Wert bei der Aufnahme zwar erhöht, aber vergleichsweise nur leicht über der Grenze gewesen. Bei besonders schweren Verläufen habe der Arzt bereits Lithium-Vergiftungen mit doppelt so hohen Werten gesehen. Eine Lungenentzündung habe er in seiner Schicht nicht feststellen können. Eine „Lebensverlängerung um jeden Preis“ hätten die Angehörigen nicht gewünscht, sagt der Arzt vor Gericht. Deshalb habe man den Patienten auf die Normalstation verlegt. In der Hoffnung, dass er sich dort besser erholt.

    Wofür wird Lithium in der Medizin verwendet?

    Dort starb der 90-Jährige am ersten Weihnachtsfeiertag 2018, fünf Tage nachdem er vom Angeklagten in die Klinik eingewiesen wurde. Eine Ärztin notierte das im Abschlussbericht. Für ihre Aussage reiste sie extra aus Stralsund an. Für die Verhandlung sind Folgetermine geplant. Ein Urteil fiel deshalb noch nicht.

    • Lithium ist als Arzneistoff für bestimmte Krankheiten zugelassen. Überwiegend bei psychischen Störungen. Dazu gehören bipolare Störungen oder akute Depressionen. Ein oft verwendetes Medikament ist Quilonum. Es kam auch beim verstorbenen 90-Jährigen zum Einsatz.
    • Bei einer bipolaren Störung handelt es sich um eine psychische Erkrankung. Die Gefühlslagen von Patientinnen und Patienten schwanken dabei extrem. Betroffene wechseln also von extrem aktiven und sprunghaften Zuständen (manische Episoden) in depressive Phasen.
    • Wird Patienten eine zu hohe Dosis Lithium verabreicht, spricht man von einer Lithiumintoxikation, also vereinfacht gesagt von einer „Vergiftung“. Anzeichen dafür sind beispielsweise Schwindel oder Erbrechen. Auch Schläfrigkeit kann bei Patienten auftreten.
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