Was ist eigentlich noch echt, was "Fake"? Selbst erfahrene Medienvertreter tun sich da mitunter schwer. Beispiel: das Bild, das Papst Franziskus im Designer-Daunenmantel zeigt – und die Bilder von Bundeskanzler Olaf Scholz mit Augenklappe. Welche sind echt, welche gefälscht? Digitalexperte Richard Gutjahr hätte, sagte er am Montagabend als Moderator im mit mehr als 250 Besuchern voll besetzten Goldenen Saal des Augsburger Rathauses, wohl auf den ersten Blick die Scholz-Fotos für Fälschungen gehalten, nicht den Daunenmantel-Papst. "Ist das nicht verrückt?", fragte er. Es war eine der vielen Fragen, die sich beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) stellen, und über die bei den diesjährigen "Augsburger Mediengesprächen" diskutiert wurde. Deren Leitfrage: "Übernimmt jetzt die KI?"
"Verrückt" ist dabei eher das falsche Wort, wenn der enorme technologische Fortschritt gemeint ist. Als Ausruf des Erstaunens dagegen ist es treffend. Allein im vergangenen Jahr habe man wahnsinnig große Sprünge erlebt, sagte Tech-Journalist Gregor Schmalzried. Und machte das unter anderem am KI-generierten Papst-Bild deutlich. Erzeugt mit einer nur ein Jahr älteren Version der KI "Midjourney" war der Papst im Daunenmantel noch überaus leicht als nicht echt erkennbar. Was für die Zukunft bedeute: "Nichts ist mehr echt." Sowie: "Wir erleben eine völlig neue Qualität von Desinformation."
Zwischen "grenzenloser Technikeuphorie" und "düsterer Skepsis"
Es waren solche Beispiele, die ein Raunen im Publikum auslösten und die gut das Zweischneidige an KI demonstrierten – ein Thema angesiedelt zwischen "grenzenloser Technikeuphorie" und "düsterer Skepsis", wie es Martina Wild, 2. Bürgermeisterin der Stadt Augsburg, formulierte. Die Wahrheit bewege sich aber wohl eher in der Mitte.
Diese Mitte auszuleuchten, das versuchten bei dieser Veranstaltung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) in Kooperation mit den Augsburger TV- und Hörfunksendern und der Stadt Augsburg die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Aus Sicht der Philosophie und Medienethik: Professorin Claudia Paganini von der Hochschule für Philosophie München. Aus Sicht der Informatik: Professorin Elisabeth André, Lehrstuhlinhaberin für Menschzentrierte Künstliche Intelligenz an der Universität Augsburg. Aus Sicht eines Lehrers: Florian Nuxoll vom Geschwister-Scholl-Gymnasium in Tübingen. Aus medienpolitischer Sicht: BLM-Präsident Thorsten Schmiege. Aus journalistischer Sicht: Peter Müller, Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen.
Dabei wurde schnell deutlich: KI hat das Potenzial, unser Leben und unsere Gesellschaft einschneidend zu verändern. Florian Nuxoll zog einen Vergleich mit der industriellen Revolution, Claudia Paganini sprach von einer "Kränkung des Menschen", die ihn zum Nachdenken darüber bringe, was ihn ausmache. "Wir können die Entscheidung, in welche Richtung wir uns als Gesellschaft entwickeln wollen, nicht mehr auf die lange Bank schieben."
Zukunftsmusik? Keineswegs. Bereits heute ist KI in vielen Bereichen im Einsatz und verändert unseren Alltag. Ob sie Fluch oder Segen sei, wollte Richard Gutjahr von Publikum und Podium wissen. Weder bei Fluch noch bei Segen gingen Hände nach oben. Sollte heißen: Es ist momentan schlicht nicht absehbar. Klarer Konsens herrschte dagegen bei der Ansicht, dass es Regeln brauche. "Wir sind der KI nicht ausgeliefert", sagte Thorsten Schmiege. "Wir haben es selbst in der Hand, uns den Umgang mit der KI bewusst zu machen." Man müsse gestalten – rechtlich, ethisch, gesellschaftspolitisch.
BLM-Chef Schmiege glaubt fest an eine "Renaissance des Qualitätsjournalismus"
Erst kürzlich etwa habe der Medienrat der Landeszentrale Leitlinien für den Einsatz von KI im Journalismus veröffentlicht. Deren Ziel sei es, den demokratischen Diskurs und die Glaubwürdigkeit des Journalismus zu schützen. Mit dem Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, Peter Müller, stimmte Schmiege darin überein, dass die redaktionelle Verantwortung immer beim Menschen bleiben müsse. Schmiege glaubt zudem fest an eine "Renaissance des Qualitätsjournalismus, der das leistet, was die KI nicht kann", nämlich nah am Menschen und empathisch zu sein. Müller sprach von KI als "Handwerkstool", das gerade in Lokalredaktionen getestet werde, etwa indem KI Überschriften für Texte vorschlage. KI könne helfen, entbinde aber nicht von journalistischer Verantwortung. "Der Mensch macht den Unterschied."
Diese Verantwortung sah das Podium auch in anderen angesprochenen Bereichen. Besonders zu achten sei bei ihrem Einsatz darauf, dass alle Beteiligten frühzeitig involviert würden, sagte Elisabeth André. Die Technologie müsse den Menschen helfen; bei einem möglichen Arbeitsplatzverlust durch sie müsse sichergestellt werden, dass Menschen auch künftig noch einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen könnten. Und sie betonte: "Man tut Kindern nichts Gutes, wenn man iPads über sie abwirft. Man braucht auch entsprechende pädagogische Materialien." Diese Auffassung teilte Florian Nuxoll. Der sprach zwar über das Bildungssystem und Lehrpläne, dieser Satz von ihm war allerdings von grundlegender Bedeutung: Man müsse überlegen, welche neue Kompetenzen man brauche.
Info: a.tv zeigt eine Aufzeichnung der Podiumsdiskussion am 18. November um 20 Uhr. Danach ist sie in der Mediathek des Senders abrufbar.