Es gibt zwei Worte, die CSU-Politiker scheuen wie der Teufel eine Pilgerreise nach Kloster Andechs: Amigos und Parteispendenskandal. Seit den Razzien bei den Abgeordneten Alfred Sauter und Georg Nüßlein schlägt sich die Partei mit neuen Amigo-Vorwürfen herum. Den zweiten Begriff brachte ausgerechnet Generalsekretär Markus Blume selbst ins Spiel. Als es um die Aufarbeitung der Maskenaffäre ging, beteuerte er, es gebe bislang keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit Parteispenden. Nur: Danach hatte gar niemand gefragt. Warum also lässt die CSU-Spitze die eigenen Finanzen durchleuchten? Externe Wirtschaftsprüfer sollen die Bücher der Gesamtpartei sowie der CSU-Verbände in Neu-Ulm und Günzburg, aus denen die beiden betroffenen Abgeordneten stammen, unter die Lupe nehmen. Was ist da los? Traut sich die CSU beim Geld selbst nicht über den Weg? Oder muss sie sich sorgen, dass ihr mit dem Skandal treue Parteispender von der Fahne gehen?
Alfred Sauter steht jedenfalls im Ruf, erfolgreich Spenden für die CSU eingesammelt zu haben. Das ist nicht illegal, solange es dafür keine konkreten politischen Gegenleistungen gibt. Im Zuge der Enthüllungen über Sauters moralisch fragwürdige, möglicherweise sogar strafbare Geschäfte mit der Corona-Krise gerät aber auch all das ins Zwielicht, was er im Dienste der CSU getan hat. Die Grauzone war das Spielfeld, auf dem Sauter keiner etwas vormachte.
Doch seit die Justiz den Ex-Justizminister wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ins Visier genommen hat, fallen immer neue Schlaglichter auf die geschäftlichen Aktivitäten des gut vernetzten Politikers. Die Stimmung in der Partei hat sich gegen ihn gedreht. Viele sind entsetzt ob der Summen, die der Kollege nebenbei kassierte und machen sich Sorgen, was da sonst noch unter dem Mantel der anwaltlichen Verschwiegenheit gelaufen sein könnte. Doch Sauter hat nicht nur in die eigene Tasche gewirtschaftet. Für die CSU sollen seine Kontakte ebenfalls wertvoll gewesen sein. Er agierte auch hier nicht auf der großen Bühne, sondern in einer Funktion, über die nicht einmal Altgediente Genaueres wissen – oder wissen wollen.
Was hat es mit der CSU-Finanzkommission und Alfred Sauter auf sich?
Als der 70-Jährige wegen der Ermittlungen gegen ihn alle Parteiämter niederlegte, gab er auch seinen Posten als Chef der CSU-Finanzkommission auf. Selbst Kenner der Landespolitik mussten da erst einmal nachschlagen, was es mit diesem Gremium auf sich hat. Doch viel war auf die Schnelle nicht zu erfahren. In der Parteisatzung steht nur, wie sie sich zusammensetzt. Über ihre Aufgaben kein Wort. Auf offizielle Anfrage teilte die CSU-Pressestelle mit, der Finanzkommission komme eine „beratende Rolle in Finanzfragen“ zu. Viel unkonkreter könnte man es kaum formulieren. Und falsch ist es wohl auch.
Denn CSU-Schatzmeister Thomas Bauer stellt im Gespräch mit unserer Redaktion klar, dass sich die Kommission in seiner 17-jährigen Amtszeit in Wahrheit nie getroffen hat. Der weltweit agierende Bauunternehmer aus Schrobenhausen legt Wert darauf, dass es in seiner Ära „nicht einen einzigen Ärger oder Skandal“ um die Parteifinanzen gegeben habe. „Solange ich das mache, habe ich mich sehr bemüht, es so zu machen, dass es keinen Grund gibt zu tagen“, sagt Bauer. Nur, was soll diese Kommission dann überhaupt für einen Sinn gehabt haben?
CSU-Spitzenleute, die ansonsten um keine Antwort verlegen sind, werden bei dem Thema einsilbig. Den normalen Parteimitgliedern dürfte allenfalls bekannt gewesen sein, dass das geheimnisvolle Gremium einen Vorsitzenden hatte: Alfred Sauter. Das leuchtete allen ein. Der erfolgreiche Rechtsanwalt gilt schließlich als Experte für Finanzgeschäfte. Weitere Nachfragen wurden all die Jahre nicht gestellt. Seit Sauter unter Korruptionsverdacht geraten ist, wird umso mehr darüber geredet. Hat der Schwabe sein Netzwerk auch genutzt, um die Parteikasse mit Spenden zu füllen? Aus Sauters näherem Umfeld heißt es, es seien so über die Jahrzehnte mehrere Millionen Euro an Spenden für die CSU zusammengekommen.
Bauer kann über solche Zahlen nur den Kopf schütteln. Nach seiner Darstellung wird Sauters Rolle als Spendensammler heillos überschätzt. Zwar habe er sich „wie andere auch“ um Spenden bemüht und auch „ab und zu“ Einladungen für Spender gemacht. Dass er der große Spendensammler gewesen sei, treffe aber nicht zu. „Das meiste Geld sammeln wir. Von Sauter kam da nicht viel.“
An dieser Stelle prallen die Darstellungen innerhalb der Partei hart aufeinander.
Alfred Sauter, der Spendensammler der CSU?
Ein altgedienter CSU-Mann behauptet, man müsse sich das so vorstellen: Es gibt zwei Schatzmeister, Thomas Bauer und Katrin Albsteiger, die kümmern sich um das Alltagsgeschäft – also zum Beispiel darum, mögliche Parteispender anzuschreiben, Spenden korrekt zu verbuchen und Dankesbriefe zu verschicken. Und es gibt den Vorsitzenden der Finanzkommission, der kümmert sich „um das Spezielle“.
Da würden dann Menschen, die viel Geld haben und der CSU nahestehen, zum Abendessen in den Nebenraum eines Luxusrestaurants eingeladen, um im kleinsten Kreis zu dinieren und einen hohen vierstelligen Euro-Betrag dazulassen. Vierstellig sei der Betrag deshalb, weil der Name des Spenders dann nicht veröffentlicht werden muss. Oft liege die Summe deshalb knapp unter 10.000 Euro. Und der „kleinste Kreis“ sei tatsächlich sehr klein. Will heißen: der Parteichef, die Spender – und Sauter. Ein anderes Mitglied im CSU-Vorstand geht sogar noch weiter: „Alfred Sauter war der Spendensammler der CSU. Er hat ja alles finanziert. Ohne ihn gäbe es das neue Gebäude der Landesleitung so nicht.“ Der Schwaben-Pate, wie er bisweilen halb ehrfürchtig, halb abschätzig genannt wird, habe sich im Gegenzug beste Kontakte in die Parteiführung gesichert, denn mit dem Posten an der Spitze der Finanzkommission war auch ein Platz im CSU-Präsidium verbunden.
Bauer betont, die Essen mit den Spendern würden in aller Regel von den Schatzmeistern organisiert. Der jeweilige Parteichef nehme nur selten teil. „Die haben dafür meistens keine Zeit“, sagt Bauer. Zumeist müssten andere Parteigrößen als Gesprächspartner für die Spender gesucht werden. Was mögliche Versuche der Einflussnahme der Spender auf die Politik betrifft, ist Bauer nach eigenen Worten „vorsichtig bis zum Umfallen“. Da gebe es ein „großes Dankeschön und ein kleines Bitteschön und das war’s dann auch.“ Das mag so zutreffen, andererseits hat die CSU-Spitze nach den Enthüllungen um Sauter ein lebhaftes Interesse daran, sich maximal von ihm zu distanzieren. Er steht mit seinen eigenen Geschäften in jenem Zwielicht, in das die Partei auf keinen Fall geraten will.
Alfred Sauter nannte seinen Abgeordneten-Job einst einen "Nebenjob"
Kaum ein anderer wusste seine Kontakte so gut zu nutzen wie Sauter. Dass er stets zu den Top-Nebenverdienern im Landtag gehörte, schien all die Jahre niemanden wirklich zu stören. Insgeheim wurde er sogar von manchen bewundert für Sprüche wie: Selbstverständlich habe er einen Nebenjob – Abgeordneter. Dass sich seine Tätigkeit als Anwalt oft hart an der Kante zwischen Wirtschaft und Politik abspielte, wurde geduldet. Ließ man ihn auch deshalb sein Ding machen, weil er den Parteifinanzen dienlich war?
Einer aus der Führungsmannschaft der CSU formuliert es anders herum: Sauter nun als Spendensammler zu verlieren, sei besch.... „Wenn das wegbricht, bricht ein wesentlicher Teil der Finanzierung und Kampagnenfähigkeit der CSU weg“, warnt er sogar. Sauter habe in die Spendenakquise viel von seinem persönlichen Netzwerk gesteckt.
Zur Aura des gerissenen Günzburgers gehört eben auch, dass man ihn in den Chefetagen von Unternehmen für seine wirtschaftlichen Erfolg respektierte. „Die haben ihn als ebenbürtig, als Ihresgleichen akzeptiert“, sagt ein langjähriger Weggefährte. Dass Sauter im Landtag einmal tönte, er zahle als Anwalt so hohe Steuern, dass er quasi selbst seine Diäten als Abgeordneter finanziere, machte in solchen Kreisen, wo es an Testosteron nicht mangelt, Eindruck. Die Partei könnte nun allerdings unter solchen Geschichten leiden.
Wie sammelt die CSU künftig Spenden?
Um den Imageschaden möglichst klein zu halten, hat sich die CSU-Spitze zu einer nie dagewesenen Transparenzoffensive entschlossen. Doch hinter den Kulissen fürchtet man Folgen für die finanzielle Schlagkraft der Partei. „Wenn das kommt, was Söder da in seiner Absolutheit verkündet hat – mehr Transparenz, Absenkung der Spendengrenzen und alles Mögliche – dann wird sich die CSU extrem schwer tun, noch in gleichem Maße Spenden zu akquirieren“, fürchtet ein Vorstandsmitglied.
Der Ruf Sauters als Macher im Hintergrund hängt auch mit einem speziellen Projekt zusammen. In seiner Zeit als Parteichef revitalisierte Horst Seehofer das Amt des Vorsitzenden der Finanzkommission und ernannte seinen engen Vertrauten Alfred Sauter. Es waren aber wohl nicht nur persönliche Sympathien, die dem Schwaben 2014 den Posten einbrachten, den vor ihm schon Dagmar Wöhrl innehatte, einstige Miss Germany, Bundestagsabgeordnete und heute vor allem bekannt als Investorin im Fernsehformat „Die Höhle der Löwen“. Die CSU suchte damals eine neue Parteizentrale. Auf dem sündteuren und heiß umkämpften Münchner Immobilienmarkt keine leichte Aufgabe. Sauter wiederum ist dort bestens vernetzt. Das Geschäft mit Immobilien ist sein Revier als Anwalt. Er vermittelte angeblich auch das passende Objekt. Daraus wurde womöglich der Stoff, aus dem Legenden entstehen.
Insider berichten, auf der Suche nach Spendern sei ein Projekt mit dem Arbeitstitel „100 mal 10.000“ gestartet worden. Die Idee dahinter: Hundert Leute werfen jeweils bis zu 10.000 Euro ins CSU-Sparschwein, um die Finanzierung der neuen Immobilie zu unterstützen. Auch hier sei es wiederum um die Grenze gegangen, bis zu der einzelne Zuwendungen an Parteien erfolgen dürfen, ohne dass die Spender öffentlich gemacht werden müssen.
Ist Alfred Sauter ein mächtiger Strippenzieher - oder ist er es nicht?
Dass die CSU ihre alte Parteizentrale an der Nymphenburger Straße verkaufen und 2016 in ihr neues, rund 20 Millionen Euro teures Domizil in die Parkstadt Schwabing im Norden Münchens umziehen konnte, halten manche im Wesentlichen für Sauters Verdienst. Doch Schatzmeister Bauer verweist auch das ins Reich der Fabeln. Zwar habe es vielfältige Überlegungen gegeben, für den Erwerb des ehemaligen Verlagsgebäudes am Mittleren Ring Spender zu finden, unter anderem eine Art „Ziegelstein-Aktion“. Das Ergebnis aber sei kläglich gewesen. „Das war so was von hoffnungslos. Mehr als 5000 Euro sind da nicht zusammen gekommen“, sagt Bauer. Zutreffend allerdings sei, dass Sauter ihn bei dem Projekt unterstützt habe. „Alfred Sauter kennt sich im Immobilienbereich gut aus. Er hat uns als Jurist bei den Verkaufs- und Erwerbsvorgängen sehr geholfen“, sagt Bauer und fügt hinzu: „Dafür hat er nichts verlangt und auch nichts gekriegt. Das ist total sauber gelaufen.“
Zerbröselt hier der Mythos vom mächtigen Strippenzieher? Hat Sauter es einfach nur perfekt verstanden, um sich herum eine spezielle Aura zu schaffen? Die Aura eines Mannes, dem alle Türen offenstehen? Eines Machers, der alles regeln kann, besonders dann, wenn es schwierig wird?
Mit seiner überzeugenden Art, seiner tiefen Stimme, seiner bis auf die Spitze getriebenen Gelassenheit hat er jedenfalls nicht nur bei den Parteifreunden Eindruck gemacht, sondern auch bei den Mandanten, die er als Anwalt beraten und vertreten hat. Er soll ja nicht nur zu Beginn der Pandemie einem hessischen Textilunternehmen geholfen haben, bis zu 55 Millionen Masken an staatliche Stellen zu verkaufen – was ihm ein Honorar von 1,2 Millionen Euro einbrachte. Gerade erst machte auch der Fall eines Münchner Start-Ups Schlagzeilen, das Ende 2020 einen vielversprechenden Corona-Schnelltest auf den Markt bringen wollte, aber zunächst keine Zulassung erhielt. Die Wissenschaftler wandten sich an die Kanzlei, die Sauter gemeinsam mit Peter Gauweiler, einem anderen CSU-Urgestein führt – und keine zwei Wochen später war die Genehmigung da. Sauter soll 300.000 Euro dafür bekommen haben, dass er sich für die Firma eingesetzt hat. Ob seine nachdrückliche Mail an den Büroleiter von Ministerpräsident Markus Söder tatsächlich etwas dazu beigetragen hat, dass die Sonderzulassung doch noch erteilt wurde, ist zumindest fraglich.
Jedenfalls hat Sauter einmal mehr seinen Ruf eines Mannes untermauert, der die entscheidenden Leute kennt und notfalls überzeugt. Ob der Ruf der CSU-Finanzkommission noch zu retten ist, scheint äußerst fraglich. Müsste die Partei das ziemlich intransparente Gremium im Sinne der neuen Transparenz nicht ersatzlos abschaffen? Generalsekretär Blume ist dazu nur ein Satz zu entlocken, der Raum für Interpretationen lässt: „Über die Neubesetzung der Finanzkommission ist noch nicht entschieden.“