Markus Söder ist ein großer Fan der schrägen ARD-Talksendung „Inas Nacht“, in der es oft feucht-fröhlich, politisch unkorrekt und gar nicht selten schlüpfrig zugeht. Aber es ist halt ein Unterschied, ob man sich die lustige Sendung nachts bei einem Bierchen vom heimischen Sofa aus ansieht, oder ob man selbst dort am Tresen sitzt und Gefahr läuft, sich zum Horst zu machen.
Söder, der erste Ministerpräsident bei „Inas Nacht“, dürfte sich also sehr gut überlegt haben, ob er das Wagnis eingeht. Und es gibt zumindest einen Moment, in dem er es vielleicht bereut haben mag, zum Auftakt der neuen Staffel am Donnerstagabend im „Schellfischposten“, einer Hamburger Kneipe, neben der rotzfrechen Gastgeberin Ina Müller zu sitzen.
Am Ende stellt Ina Müller Söder eine besonders schlüpfrige Frage
Eigentlich spricht Müller gerade mit dem zweiten Gast, dem ehemaligen Skistar Felix Neureuther, und versucht ihm zu entlocken, was für ein Tattoo er und seine Freunde sich nach einer Partynacht in Miami haben stechen lassen. Als Neureuther nicht mit der Sprache herausrücken will, wendet sich die Moderatorin unvermittelt Markus Söder zu und fragt ihn, ob er vielleicht auch ein Tattoo habe: „So einen kleinen Anker am Sack?“
Der CSU-Chef schlägt die Hand vors Gesicht. Der Shanty-Chor und die Zuschauer johlen, Neureuther bricht vor Lachen halb zusammen. Söder sagt: „Das schadet meiner Karriere.“
Wird es aber wahrscheinlich nicht. Denn es bleibt der einzige Schockmoment. Und Söder zeigt Showtalent und Schlagfertigkeit, ist locker und wagt sich sogar an die obligatorische Gesangseinlage bei „Inas Nacht“. Wahrscheinlich ist eher, dass die Sendung Söders Karriere dient – wenn sie denn noch zu anderen Ämtern führen sollte. Mit diesem Auftritt hat er jedenfalls vermutlich mehr für sein Image getan als mit seinen ewigen Schimpfkanonaden auf die Berliner Ampelregierung.
Söder bietet Ina Müller das Du an: Bin der optisch Ältere
Ob Söder bei seiner Sympathie-Offensive gemerkt hat, dass ihm die Redaktion bei seinem Einmarsch den Song „Sympathy For the Devil“ von den Rolling Stones untergejubelt hat, bleibt offen. Es beginnt aber dann damit, dass er die Frage der Anrede charmant löst. Ina Müller (58) duzt in ihrer Show traditionell alle Gäste. Bei Söder (57) hat sie Hemmungen. Er baut ihr sofort eine Brücke: Da er „optisch der Ältere“ sei, bietet er das Du an. Danach kippt Söder – der nach eigenen Worten fast nie Alkohol trinkt – noch einen Schnaps (Küstennebel). Die Shantys stimmen „What Shall We Do With the Drunken Sailor“ (oder singen sie „Söder“?) an. Und los geht der wilde Ritt durch das Leben des bayerischen Ministerpräsidenten.
CSU-Chef erzählt von der Pubertät: „mega-schüchtern, Pickel, Babyspeck“
Von der Pubertät („mega-schüchtern mit Pickeln im Gesicht und Babyspeck“) geht es über die Jugend („Ich fand Strauß geil“) und die Bundeswehr-Zeit („Da war ich eine Schnitte“). Söder verrät, dass er „volle Pulle“ hypochondrisch sei und punktet bei den Gästen mit den Antworten auf die Frage, welchem Spitzenpolitiker er einen Gebrauchtwagen abkaufen würde: „Dem Kubicki würde ich nix abkaufen. Ich glaub', der Robert Habeck ist seriös. Beim Christian Lindner könnt' ich mir den Porsche nicht leisten, den er verkaufen will.“ Inas Spitzen („Schön, dass Du reich eingeheiratet hast“, „Du bist ja ein Wurstfreak“) lächelt oder kontert Söder weg.
Als Ina den Markus später unverblümt fragt, ob er ein guter „Lover“ sei, kommt Söder noch einmal ins Stocken. „Ja, ich bin…“ Müller hilft: „Du musst als Mann immer sagen: Ich bin wahnsinnig gut im Bett.“ Darauf Söder: „Ich bin… wahnsinnig früh im Bett.“ Ob der CSU-Mann geahnt hat, dass es so unter die Gürtellinie geht? Solche Fragen können eben nur bei „Inas Nacht gestellt werden, ohne dass sofort ein Eklat daraus wird.
Söder singt bei „Inas Nacht“ mit tiefer Stimme einen Freddy-Quinn-Klassiker
Und dann kommt der Moment, vor dem Söder so viel Respekt hatte. Wie alle Gäste bei „Inas Nacht“ soll er ein Lied singen und begibt sich auch auf dieses glatte Parkett – nicht ohne zuvor etwas Understatement betrieben zu haben. Er könne überhaupt nicht singen und dies sei sein erstes Lied außer der Bayern-Hymne. Aber wer schon ein Gläschen Schadenfreude kaltgestellt hatte, wird enttäuscht. Söder hat ganz offensichtlich fleißig geübt. Er lehnt an der Theke und haut mit aller einem Ministerpräsidenten eben möglichen Lässigkeit und maskuliner Stimme einen alten Freddy-Quinn-Klassiker raus: „Sie hieß Mary-Ann“. Das Seemannslied hätten seine Eltern immer auf dem Weg in den Italien-Urlaub gesungen. Die Zuschauer und die Shantys jubeln, einer der Chorsänger ruft Söder zu: „Kannst bei uns anfangen!“
Dass der passionierte Bayer bei den Preißn in einen Shanty-Chor eintritt, ist allerdings ebenso wenig wahrscheinlich wie, dass sich Söder – gerade nach diesem Auftritt – nicht erneut um die Kanzlerkandidatur bewirbt.
Info: Die Folge mit Markus Söder ist Auftakt einer neuen Staffel. Sie ist in der ARD-Mediathek zu sehen. Neben Söder sind auch der Ex-Skirennläufer und TV-Kommentator Felix Neureuther zu Gast sowie als Musik-Act die italienische Sängerin Gianna Nannini. Die Staffel hat zwölf Folgen, für die etwa Marianne Rosenberg, Susanne Daubner, Eva Mattes, Hape Kerkeling, Bruce Darnell und Mai Thi Nguyen-Kim angekündigt werden. Am 22. August kommt die 200. Folge des Formats, das es seit 2007 gibt.