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Markus Söder im Interview über Impfpflicht und Lockerungen

Interview

Markus Söder zur Pflege-Impfpflicht: "Ohne Bayern hätte sich nichts bewegt"

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    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: „Wir brauchen eine Antwort auf die Frage: Was passiert im Herbst bei einer neuen Mutation?“
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: „Wir brauchen eine Antwort auf die Frage: Was passiert im Herbst bei einer neuen Mutation?“ Foto: Michael Kappeler, dpa

    Herr Söder, Sie haben vergangene Woche viel Kritik einstecken müssen. Sind Sie übers Ziel hinaus geschossen, als Sie angekündigt haben, den Vollzug der Impfpflicht für Pflegekräfte auszusetzen?

    Markus Söder: Nein. Anders hätte sich nichts bewegt und der Bund hätte die Länder völlig alleine gelassen. Wir sind Anwalt der Pflegenden und haben Hilferufe von allen Seiten bekommen - von den Sozialverbänden, den Kommunen, dem Roten Kreuz, DGB, Arbeiterwohlfahrt und der Lebenshilfe. Es geht darum, die Basis der sozialen Vorsorge in Pflegeheimen, Behinderteneinrichtungen und Arztpraxen sicherzustellen. Wenn wir wissen, dass etwas objektiv nicht umgesetzt werden kann und im Chaos endet, dann muss dagegen remonstriert werden. Das haben wir getan - mit dem Ergebnis, dass jetzt erste verbesserte Vorschläge des Bundes zur Umsetzung vorliegen. Nach Aussagen unseres Gesundheitsministeriums reicht das noch nicht, aber wir sind ein Stück weiter. Im Übrigen sind wir nicht allein mit der Kritik - auch andere Länder wie Sachsen, Hessen oder das Saarland sehen das so. Und der Präsident des Bundessozialgerichts plädiert für eine Verschiebung der Einführung wegen vieler ungeklärter Fragen.

    Die Wucht, mit der Sie das vorgetragen haben, hat dennoch überrascht. Dass ein Ministerpräsident den Vollzug eines Bundesgesetzes aussetzt, dem er selbst zugestimmt hat, geschieht nicht alle Tage. Hätte es nicht gereicht, auf die praktischen Schwierigkeiten hinzuweisen?

    Söder: Überraschend fanden wir eher die Reaktionen des Bundes - da war vieles überzogen. Natürlich ist Bayern rechtstreu, aber Gesetze müssen umsetzbar sein, sonst verliert der Staat Glaubwürdigkeit. Einige Ampel-Koalitionäre haben wohl ein schlechtes Gewissen. Sonst hätten sie nicht so reagiert. Ich denke, dass wir den Pflegeeinrichtungen nicht nur in Bayern einen guten Dienst erwiesen haben. Ohne den Einsatz von Bayern hätte sich nichts bewegt.

    Zur Begründung ist in Bayern auch darauf verwiesen worden, dass es im Vorfeld des Gesetzes über die einrichtungsbezogene Impfpflicht ein Junktim gab, dass dies nur der erste Schritt zu einer allgemeinen Impfpflicht sei. Jetzt ist die allgemeine Impfpflicht ziemlich am Wackeln. Da kann man schon den Eindruck gewinnen, dass es sich um ein Schwarze-Peter-Spiel handelt nach dem Motto: Wenn das eine nicht kommt, machen wir auch das andere nicht.

    Söder: Ich habe es von Anfang an für unglücklich empfunden, nur die einrichtungsbezogene und nicht auch gleich die allgemeine Impfpflicht zu planen. Dies sieht nach einem Zweiklassen-System aus. Aber beides zusammen wollte der Bund nicht. Jetzt wird die allgemeine Impfpflicht leider zerredet, weil die Bundesregierung keine Führung übernommen hat. Eine Ampel, die für etwas ist, aber dann nichts dafür tut, ist führungslos. Das redliche Bemühen der Abgeordneten um ein Gesetz in allen Ehren - aber sie können nicht die administrativen Fragen beantworten, die zur Einführung einer Impfpflicht nötig wären.

    In der Debatte über die Impfpflicht wird immer wieder darauf hingewiesen, dass man nicht von der aktuellen Situation ausgehen, sondern Vorsorge für die Zukunft treffen soll. Jetzt sieht es aber genau so aus: Man hat unter dem Eindruck der Delta-Variante das eine beschlossen, aber das andere nicht mehr vorangebracht, weil sich die Situation mit dem Auftreten der Omikron-Variante scheinbar entspannt hat.

    Söder: Noch einmal: Der Bund hat die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu spät und handwerklich unzureichend geregelt. Sie hätte auch sofort auf den Weg gebracht werden müssen. Denn die Schwachstelle während der ganzen Corona-Zeit waren immer die Alten- und Pflegeheime. Die allgemeine Impfpflicht ist dagegen eine Frage für den Herbst und die nächsten Jahre. Hier geht es um die Kernfrage: Befreien wir uns von unzähligen Verordnungen im Gegenzug zu einer einzigen Pflicht? Diese eine Pflicht könnte die Chance bieten, uns dauerhaft von dem Joch Corona zu befreien. Keiner weiß, ob es nicht wieder einmal eine andere Mutation gibt. Eine Impfpflicht würde uns davor besser schützen, sie würde uns Sicherheit und Freiheit geben.

    In der Sitzungsvorlage zur Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch steht, dass der Stichtag 15. März nicht sofort und automatisch zu einem Betretungsverbot für ungeimpfte Pflegekräfte führt. Den Gesundheitsämtern, die das vor Ort regeln sollen, wird ein Ermessen eingeräumt. Ist es das, was Sie wollten?

    Söder: Genau das meinen wir. Es fehlt eine klare Regelung, und der Bund schiebt die Verantwortung auf die Ämter vor Ort ab. Das muss praktikabel geklärt werden.

    Trotzdem nochmals die Frage: Sie haben dem Gesetz zugestimmt ...

    Söder: ... und wir sind auch rechtstreu. Das ist gar keine Frage. Aber eine ohnehin kontrovers geführte Debatte im Land kann man nur befrieden, wenn die Umsetzung seriös gestaltet wird.

    Was erwarten Sie von der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch? Die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, sind ja in Bayern im Prinzip bereits vollzogen.

    Söder: Wir müssen jetzt Weichen stellen und den Einstieg in den Ausstieg planen. Nicht überstürzt, aber konsequent. Bayern ist Team Vorsicht, aber auch Team Freiheit. Da Omikron weniger gefährlich und die Krankenhausbelastung bislang stabil ist, sind Öffnungen gerechtfertigt. Bayern ist dabei Trendsetter. Wir werden die privaten Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene aufheben, steigen in den Umstieg von 2G plus auf 2G und von 2G auf 3G ein, zum Beispiel bei Hochschulen oder Museen. Und wir geben in naher Zukunft eine Perspektive für die Öffnung von Discos und Clubs mit 2G plus. Im März sollte dann die pandemische Lage auslaufen, allerdings braucht es dann begleitend eine rechtliche Vereinbarung über einen Basis-Schutz, insbesondere was Maskenpflicht und Abstandsregeln betrifft, sowie eine Notfallstrategie für den Herbst. Wir brauchen eine Antwort auf die Frage: Was passiert im Herbst bei einer neuen Mutation?

    Bis wann denken Sie an eine Öffnung von Clubs und Diskotheken?

    Söder: Wir sollten eine einheitliche Lösung für Deutschland finden, damit wir keinen Disco- oder Partytourismus bekommen.

    Und was ist mit der allgemeinen Impfpflicht? Wollen Sie die ab 18 Jahren oder erst ab einem höheren Alter?

    Söder: Ich bin für die allgemeine Impfpflicht. Ab welchem Alter sie gelten soll, dafür wäre ich offen. Leider wird sie aber gerade zerredet.

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