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Luftverschmutzung: Viel Dreck, viel Lärm: Die Landshuter Allee ist Münchens Problemstraße

Luftverschmutzung

Viel Dreck, viel Lärm: Die Landshuter Allee ist Münchens Problemstraße

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    Der Mittlere Ring ist die Verkehrshauptschlagader der Stadt. An mehreren Teilen des Rings aber ist das Abgas-Problem immens.
    Der Mittlere Ring ist die Verkehrshauptschlagader der Stadt. An mehreren Teilen des Rings aber ist das Abgas-Problem immens. Foto: Matthias Balk, dpa (Archivbild)

    Ist München eine grüne oder eine schmutzige Stadt? Die meisten würden garantiert sagen:

    Auch das stimmt. Doch jetzt kommt das große Aber: München ist eben doch nicht so sauber wie gedacht. Und so hat der Münchner Stadtrat kürzlich beschlossen, dass ab Februar 2023 keine Fahrzeuge der Norm Diesel IV oder schlechter mehr auf dem Mittleren Ring, der Verkehrshauptschlagader der Stadt, fahren dürfen. Das Referat für Umweltschutz hatte die vergleichsweise harte Maßnahme empfohlen, da nach wie vor die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub deutlich überschritten werden. Und das Landesamt für Umwelt hatte errechnet, dass sich dies zumindest bis 2026 nicht ändern werde.

    Mittlerer Ring: Die Landshuter Allee in München gilt als die schmutzigste Straße Deutschlands

    Es sind mehrere Teile des Rings, an denen die Abgase seit Jahren ein Problem sind – die Landshuter Allee, die wichtigste Nord-Süd-Verbindung im Stadtgebiet, ist einer davon. Sie hat sich den zweifelhaften Ruf erarbeitet, die schmutzigste Straße der Republik zu sein. Bekannt wurde sie dadurch, dass auf ihr zum ersten Mal in Deutschland der EU-Grenzwert für Feinstaub überschritten wurde. Seitdem passiert das weiterhin, Jahr für Jahr öfter als an den erlaubten 35 Tagen, oft geschieht es mehr als hundert Mal. Das Gleiche gilt auch für Stickoxide, die im Jahresdurchschnitt klar über den erlaubten Grenzwerten liegen. Die Zahlen stammen vom Umweltbundesamt, das vor Ort eine Messstation betreibt.

    An dieser Stelle aber noch ein Aber: Man kann nicht sagen, dass nichts passiert wäre, um die Lage zu verbessern. Grünenpolitiker Dieter Janecek hatte als Anwohner der Landshuter Allee bereits 2007 aufgrund von Grenzwert-Überschreitungen vorm Bundesverwaltungsgericht geklagt. Daraufhin führte München eine Umweltzone in der City ein. Ausreichend war sie nicht. Auch Tempo 50 sollte Abhilfe schaffen. Das genügte ebenfalls nicht. Also eine Untertunnelung, wie es sie an anderen Stellen des Mittleren Rings gibt? Darüber wird seit mehr als zehn Jahren diskutiert.

    Bis zu 130.000 Autos am Tag rollen durch die Landshuter Allee

    An diesem sonnigen Herbstvormittag rollt durch die Stadt, es sind noch Schulferien, vergleichsweise wenig Verkehr. Allerdings nimmt die Zahl der Fahrzeuge spürbar zu, wenn man von der Arnulfstraße, die direkt ins Zentrum führt, auf die Landshuter Allee abbiegt. Tag und Nacht fließt auf ihr der Strom der Autos ununterbrochen. Bis zu 130.000 sind es täglich, Tendenz steigend. Den Gebäuden am Straßenrand sieht man das im Vorbeifahren nicht an. Die Mietskasernen der an dieser Stelle hier fast 55 Meter breiten Straße sind gar nicht einmal so grau, wie man es erwartet hat.

    In einem hellen Ocker beispielsweise ist ein Haus gestrichen, in dem 75 Wohnungen verteilt auf fünf Stockwerke untergebracht sind. Die Tür geht auf, eine Frau mit violetter Sonnenbrille bringt den Müll raus. „Sorry, ich habe Migräne“, sagt die 58-Jährige aus einer der Zwei-Zimmer-Wohnungen. Wie sie mit dem Verkehr vor ihrer Haustüre zurechtkomme? „Ich höre ihn, ehrlich gesagt, nicht mehr“, antwortet sie mit einem leicht gequälten Lächeln.

    Leben an der Landshuter Allee: Dreck und Lärm machen Probleme

    Dann sagt die gebürtige Münchnerin noch, dass sie an Asthma leide und regelmäßig lüften müsse. Eine besonders gute Idee sei das an der Landshuter Allee allerdings nicht. Und jetzt kommt sie ins Reden. Jeden zweiten Tag, klagt sie, müsse sie wegen des Staubs von draußen in ihren Zimmern wischen. Ihr Asthma führt sie gleichwohl nicht allein auf die Lage ihrer Wohnung zurück. Zu viel Stress, zu viele Jahre zu viel Arbeit, finanzielle Sorgen. Sie würde gerne umziehen, „irgendwohin, wo es ruhiger und grüner ist“. Das könne sie sich zurzeit jedoch nicht leisten, sagt sie. Und wieder kommt ein Aber: „Aber ewig bleibe ich hier sicher nicht."

    Da parkt Veli Kalaycic sein Auto auf einem der Parkplätze am Straßenrand. Er lebt seit 17 Jahren an der Landshuter Allee. Der Lärm an der Straße, sagt er, störe ihn dank der Schallschutzfenster nicht besonders, an den Dreck habe er sich gewöhnt. Ein vorüber gehender Rentner meint, angesprochen auf das neue Verbot: „Nützt doch nichts. Es passiert doch sowieso nichts.“ Schnellen Schrittes läuft er weiter.

    Diesel-Fahrverbot in München könnten ausgeweitet werden

    Möglicherweise täuscht er sich. Denn sollten die Maßnahmen nichts fruchten, soll das Diesel-Fahrverbot ausgeweitet werden. Wenn bis Oktober nächsten Jahres die Schadstoffwerte am Mittleren Ring nicht sinken, könnten Selbstzünder-Fahrzeuge mit der grünen Plakette 5 hier nicht mehr fahren dürfen. Katrin Habenschaden von den Grünen, Zweite Bürgermeisterin Münchens, und Umweltreferentin Christine Kugler haben das bei der Präsentation des neuen Luftreinhalteplans Anfang Oktober bekannt gegeben. Zudem könnten die zunächst noch geltenden Ausnahmeregelungen für Handwerker, Lieferdienste und Anwohner gestrichen werden.

    Katrin Habenschaden, Münchens Zweite Bürgermeisterin, könnte sich auch vorstellen, die zunächst noch geltenden Ausnahmeregelungen für Handwerker, Lieferdienste und Anwohner zu streichen.
    Katrin Habenschaden, Münchens Zweite Bürgermeisterin, könnte sich auch vorstellen, die zunächst noch geltenden Ausnahmeregelungen für Handwerker, Lieferdienste und Anwohner zu streichen. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild)

    München ist bei alldem ein wenig der Verlierer einer Art politischen Schwarze-Peter-Spiels. Denn der Freistaat Bayern hatte die Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte stets ignoriert und stillschweigend Strafen bezahlt. Im Jahr 2021 hatte die Landesregierung allerdings die Zuständigkeit für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans an die Landeshauptstadt abgegeben. Heißt im Klartext: München muss mit effektiven Maßnahmen Abhilfe schaffen oder hohe Strafen zahlen.

    Zweieinhalb Stunden debattierte der Stadtrat über das strittige Thema Diesel-Fahrverbote

    Die Stadträte der rot-grünen Rathausmehrheit betonen darum auch, dass sie im Grunde keine andere Wahl hatten als ein Diesel-Fahrverbot, das auf einen Vergleich mit der Deutschen Umwelthilfe und dem Verkehrsclub Deutschland zurückgeht. Beide hatten zunächst gegen den Freistaat geklagt. Habenschaden handelte dann den Verkehrskompromiss mit den Organisationen aus. Ihr Argument ist nachvollziehbar: „Wir können als Landeshauptstadt nicht warten, bis uns ein Oberlandesgericht zu Fahrverboten zwingt.“ Schon heute würden Strafen von bis zu einer Million Euro täglich drohen, erklären Münchner Kommunalpolitikerinnen und -politiker ziemlich unisono.

    Was nicht bedeutet, dass alle einverstanden sind. Zweieinhalb Stunden debattierte der Stadtrat über das strittige Thema. CSU und Freie Wähler sowie FDP und Bayernpartei stimmten gegen das Diesel-Fahrverbot.

    Wie lassen sich Fahrverbote für Diesel-Autos überprüfen?

    Pretzl vermutet zudem, dass sich so ein Fahrverbot im Prinzip gar nicht oder nur mit hohem bürokratischem Aufwand kontrollieren lassen wird. Womit er vermutlich nicht ganz falsch liegen dürfte, denn eigene Schadstoff-Plaketten für die Klassen Euro 5 und Euro 6 gibt es bisher nicht. Ob Euro 4, Euro 5 oder Euro 6 - alle Fahrzeuge sind mit grüner Plakette ausgestattet. Zustimmung bekommt Pretzl von Wolfgang Fischer, der die Händler der Innenstadt vertritt. Der sagt: Viele Pendlerinnen und

    So richtig angestaut hat sich etwas bei Michael Haberland, Vorsitzender des Automobilclubs „Mobil in Deutschland“. Er kritisiert erzürnt: „Rund 140.000 Autos – so viele sind ungefähr betroffen – zu verbieten, ist eine Enteignung am Bürger mit einem Schaden von mehr als zwei Milliarden.“ Haberland, CSU-Politiker auch er, denkt über eine Klage nach. Es gehe dabei um das Recht aller Fahrerinnen und Fahrer von Euro 4- und Euro 5-Dieselfahrzeugen, diese auch nutzen zu dürfen. Insbesondere, ergänzt er, weil vom Verbot ärmere und ältere Menschen betroffen seien, die sich nicht ohne weiteres moderne Fahrzeuge mit den neuesten Filtersystemen oder Elektroautos leisten könnten. Haberland glaubt, dass das Verbot – trotz anders lautender Bekenntnisse von Grünenpolitikerin Habenschaden – politisch von den Grünen gewollt seien.

    Fahrverbote in München führen zu Zwist in der Landeshauptstadt

    Und Handwerkskammer-Präsident Franz Xaver Peteranderl weist darauf hin, dass das Diesel-Fahrverbot für Handwerkskammer-Mitglieder eine unerwartete Belastung darstelle. Und sei die Luft in München in den vergangenen Jahren nicht sauberer geworden?

    Es ist ein wahres politisches Hickhack. Stadträte gegen Stadträte, Parteipolitik, Lobbyismus, alle und alles mischen mit. Und die Schuldfrage liegt im Auge des Betrachters. Florian Roth, der für die Grünen im Münchner Stadtrat sitzt, verortet die Schuld für die Münchner Verkehrsmisere am Mittleren Ring zum Beispiel beim Freistaat: „Hätte die Staatsregierung den öffentlichen Nahverkehr nicht sträflich vernachlässigt und eine konsequente Verkehrswende eingeleitet, wären Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge jetzt nicht nötig geworden“, sagt er.

    Spricht man Veli Kalaycic, der seit fast zwei Jahrzehnten an der Landshuter Allee lebt, oder andere Anwohner auf die politischen Debatten an, reagieren die mit Verdruss. Kalaycic sagt, er könne sie nicht mehr hören. Denn am Verkehrsaufkommen habe sich bisher nie etwas geändert, zumindest nicht zum Besseren. Mit einem Schuss Fatalismus in der Stimme sagt er: „Klar, mein Balkon ist immer schmutzig und da ist es laut, aber was soll’s … Ich lebe trotz allem ganz gerne hier.“

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