Die Hochzeit von FDP-Chef Christian Lindner hatte Schlagzeilen gemacht. Nicht nur, weil er – gerade jetzt in der Krise – so pompös auf Sylt geheiratet hat. Sondern auch, weil Lindner den Bund der Ehe mit christlichem Beistand schloss, obwohl er mit 18 Jahren aus der Kirche ausgetreten war. Die Hochzeit war auch am Montagabend in einer neuen Ausgabe unseres Formats „Augsburger Allgemeine Live“ Thema. Zu Gast: Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Und der sagte: "Ich war überrascht, als ich das gelesen habe. Aber es ist doch zunächst etwas ganz Schönes, dass zwei Menschen heiraten und den Segen Gottes für diese Hochzeit erhoffen." Man müsse derlei immer in einem seelsorgerischen Gespräch klären. "Die Pfarrerin auf Sylt wird das auch gemacht haben. Aber ich kenne die Inhalte dieses Gesprächs natürlich nicht, deswegen kann ich mir kein abschließendes Urteil erlauben."
2021 traten 280.000 Menschen aus der evangelischen Kirche aus
Das Thema Kirchenaustritte sei natürlich eines, das ihn immens beschäftige, sagte Bedford-Strohm. Kein Wunder: Allein im Jahr 2021 sind etwa 280.000 Personen aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Das bedaure er sehr, machte Bedford-Strohm deutlich. "Das Engagement für die Gemeinschaft ist in der DNA der Kirche eingebaut. Ich glaube schon, dass es einer Gesellschaft nicht guttut, wenn Menschen aus so einer Institution austreten."
Man sei in der evangelischen Kirche bereits auf dem Weg, Konsequenzen zu ziehen, zu reagieren, sich neu aufzustellen. "Es gibt vieles, das wir verändern müssen. Die Kirche ist noch orientiert am Zeitgeist des 19. Jahrhunderts." Künftig, sagte Bedford-Strohm, müsse man mehr Netzwerk sein, alles mehr regionalisieren, eine andere Art der Kommunikation bieten. "Es muss alles viel dialogischer werden. Es kann doch nicht sein, dass wir nicht einmal die E-Mail-Adressen unserer Mitglieder haben."
Bedford-Strohm: "Man darf nicht sagen, dass man alles mit Waffen lösen kann."
Mehr als anderthalb Stunden beantwortete Bedford-Strohm, ein Kirchenmann mit einer klaren politischen Haltung, der seit Jahren wichtige Akzente in öffentlichen Debatten setzt, die Fragen von Margit Hufnagel (Politik) und Daniel Wirsching (Bayern) sowie die Fragen der Zuschauer. Dabei ging es auch um den Krieg in der Ukraine und die Frage nach Waffenlieferungen. "Man ist bei diesem Thema immer zerrissen. Es gibt keine einfache Antwort", erklärte Bedford-Strohm. "Jesus sagt uns: Liebet eure Feinde. Und dieser Aufruf zur Gewaltlosigkeit ist für uns ganz zentral." Aber, fuhr der Landesbischof fort, wenn man diesem Ruf bedingungslos folge, würden Menschen ihr Leben verlieren. "Wenn wir keine Flugabwehrraketen liefern, schlagen die Bomben ein. Gleichzeitig weiß ich, dass immer mehr Waffen auch immer mehr Zerstörung verursachen." Man müsse die Ukraine natürlich unterstützen. "Aber man darf nicht sagen, dass man alles mit Waffen lösen kann." Man müsse einen Weg finden zu verhandeln.
Bis Herbst 2023 wird Bedford-Strohm noch evangelischer Landesbischof sein. "Ich habe da keine Angst- oder Leeregefühle", sagte er. "Es schließt sich ein wunderbarer Bogen."