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Live-Interview: Markus Lanz: "Jeden Abend fordert jemand meine Absetzung"

Live-Interview

Markus Lanz: "Jeden Abend fordert jemand meine Absetzung"

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    Markus Lanz präsentiert drei Mal in der Woche die Talkshow „Markus Lanz“ im ZDF. Im Live-Interview mit Chefredakteur Gregor Peter Schmitz erzählt er, was ihn bewegt.
    Markus Lanz präsentiert drei Mal in der Woche die Talkshow „Markus Lanz“ im ZDF. Im Live-Interview mit Chefredakteur Gregor Peter Schmitz erzählt er, was ihn bewegt. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Lanz, im ZDF sind Sie eigentlich dem Unterhaltungsbereich zugeordnet. Ihre Sendung „Markus Lanz“ ist aber doch sehr politisch.

    Markus Lanz: Tatsächlich sind wir bei der Unterhaltung angedockt, aber die Zeiten sind andere geworden. Auch eine Sendung wie meine verändert sich natürlich in diesem Kontext, ansonsten wird sie irgendwann entsorgt. Es ist eine gute Zeit für Leute, die etwas erklären.

    Hat sich denn das Land verändert?

    Lanz: Ich bin Ende der 80er Jahre einer Frau nach Hamburg gefolgt, das war die große Liebe. Da habe ich ein anderes Deutschland kennengelernt, als es heute zu sehen ist. Wenn man böse wäre, würde man sagen, das bräsige Helmut-Kohl-Deutschland. Es war ein bisschen gemütlicher. Damals war auch immer die Rede von Deutschland als krankem Mann Europas. Jetzt haben wir zwölf Jahre einen phänomenalen Aufschwung erlebt. Und dieses Deutschland, speziell auch dieses Bayern, ist das beste, das es jemals gegeben hat. Trotzdem haben wir häufig das Gefühl, wir fühlen uns nicht so richtig wohl in unserer Haut. Das zu ergründen, ist eine große Aufgabe.

    Haben Sie das Gefühl, die Grenzen zwischen Politik und Unterhaltung verwischen?

    Lanz: Mit Blick auf US-Präsident Donald Trump kann man das absolut so sagen. Das ist eine Figur aus dem Trash-Fernsehen. Aber wir neigen manchmal dazu, aus einer leicht arroganten Attitüde heraus zu sagen: Guck mal, lauter Idioten! Ich war damals, kurz vor der Wahl Trumps, viel in Amerika unterwegs. Wir haben dort eine Reportage gedreht. Man konnte wissen, dass dieser Mann zumindest eine echte Chance hat, Präsident zu werden. Das Gleiche habe ich jetzt in England auch wieder gesehen. Wenn man in Oxford nach Boris Johnson, den Premierminister, fragt, hört man: Das war einer, der aufgefallen ist, weil er besonders schlau war.

    Jemand wie Trump mag unterhaltsam sein. Aber ist das nicht auch gefährlich, weil man gar nicht sieht, welche ernsthaft radikale Politik betrieben wird?

    Lanz: Ja, das ist das eine: Man muss da bestimmt wachsam sein. Aber es ist ähnlich wie mit der AfD: Ich habe oft das Gefühl, wir arbeiten uns viel zu sehr an der AfD ab. Aber wir fragen nicht: Warum gibt’s die eigentlich? Wir beschäftigen uns nicht mit den wirklichen Ursachen.

    Es gibt ja den Vorwurf, dass erst durch die Präsenz von AfD-Vertretern in den Talkshows die Partei salonfähig geworden sei.

    Lanz: Der Verdacht, dass man jemandem eine Plattform bietet und ihn dadurch erst groß macht, dem ist ja Journalismus ganz grundsätzlich ausgesetzt. Nur: Wir leben in anderen Zeiten. Die brauchen uns nicht mehr. Deshalb ist das Argument, man würde etwa die AfD salonfähig machen, in meinen Augen völlig obsolet. Denn sie haben Plattformen. Jemand wie Donald Trump braucht die Presse nicht mehr, das ist das wahrhaft Gefährliche an solchen Leuten. Das, was er sagen möchte, twittert er einfach raus, komplett unkontrolliert.

    In Deutschland muss sich Kanzlerin Merkel zumindest noch den Fragen unabhängiger Journalisten stellen und sich etwa bei Anne Will erklären.

    Lanz: Ja, sicher. Aber mal ganz grundsätzlich: Ich bin nicht der Meinung, dass die Demokratie in einer schwierigen Verfassung ist, eher im Gegenteil. Jemandem wie Donald Trump verdanken wir letzten Endes auch guten Journalismus. Man sieht es genauso in Deutschland, etwa an der Wahlbeteiligung. Die Leute diskutieren wieder über Politik.

    Wie schwierig ist es für Sie, sich in Ihrer Sendung mit Ihrer eigenen Meinung zurückzuhalten?

    Lanz: Ich fand immer schon: Bei einer Sendung, die deinen Namen trägt, haben die Leute durchaus ein Anrecht darauf zu verstehen, wie du tickst. Man kann auch eine Haltung zu bestimmten Dingen entwickeln.

    Aber wann überzieht man? Sie hatten in Ihrer Sendung einmal eine recht scharfe Auseinandersetzung mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Hinterher prasselte die Kritik nur so auf Sie ein.

    Lanz: Entzündet hat sich der Streit am Programmentwurf der Linkspartei für die Europawahl. Die EU sei eine militaristische und diktatorische Veranstaltung, hieß es darin. Das sah ich anders, das fand ich schwierig. Dass es dann unglücklich gelaufen ist und ich Fehler gemacht habe, gar keine Frage.

    Es gab danach eine Online-Petition, die forderte: „Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr!“

    Lanz: Ich habe jeden Abend Leute, die meine dringende Absetzung fordern.

    Denken Sie sich manchmal: Jetzt stehe ich zu sehr im politischen Rampenlicht?

    Lanz: Man muss einfach alle gleichermaßen rannehmen. Legendär diesbezüglich ist der bayerische Ministerpräsident Markus Söder: Das ist einer, der teilt tierisch aus, aber er steckt auch ein.

    Die Öffentlich-Rechtlichen gehen angeblich zu nett mit manchen Politikern um, insbesondere mit denen von den Grünen...

    Lanz: Haben Sie die beiden Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock vor einiger Zeit bei uns in der Sendung gesehen? Das fanden die nicht, dass sie zu nett behandelt worden sind. Damals merkte ich, wie die Polarisierung in unserer Gesellschaft stattfindet, und zwar auf allen Seiten: Im Publikum saßen Leute, die offensichtlich Habeck-Anhänger waren. Der wurde gefeiert wie ein Popstar. Da waren mehr Leute als bei Sting am Abend davor. Er ist offensichtlich ein Messias für diese Leute. Seine Anhängerschaft ist teilweise ideologisiert und aufgeheizt durch die ganze Klimadebatte. Das hat mir Angst gemacht. Da kamen Zwischenrufe aus dem Publikum, das hat man im Fernsehen nicht hören können... also das war grenzwertig. Ich war das erste Mal kurz davor, jemanden aus dem Studio zu bitten.

    Sie sagten mal: Jeder, der nicht aussehe wie ein Eimer, stehe unter Blödheitsverdacht. Wie sehr hat Aussehen eine Rolle gespielt bei Ihrer Karriere?

    Lanz: Ich glaube gar keine. Ich wurde immer wieder damit konfrontiert und ich fand das immer so müßig und so überflüssig. Wir beide haben uns nicht ausgesucht, wie wir aussehen. Wir sind einfach Kinder unserer Eltern. Wir kommen auf die Welt und dann müssen wir aus diesem Leben irgendetwas machen.

    Sie bekommen häufig von Ihren Gästen Komplimente für Ihr äußeres Erscheinungsbild.

    Lanz: Das nehme ich gar nicht so wahr. Aber es spielt auch keine Rolle, es ist egal. Ich werde oft gefragt: Wieso ziehen Sie denn eigentlich immer dieselben Krawatten und Anzüge an? Weil ich möchte, dass sich die Leute darüber keine Gedanken machen.

    Der Gegenentwurf zum Schönlings-Klischee ist ja, dass Sie gerne auf Reisen gehen. Aber nicht auf normale Reisen, sondern in die Arktis.

    Lanz: Ich bin gerne an kalten Orten. Das hat wahrscheinlich etwas mit meiner Südtiroler Herkunft zu tun. Im Pustertal, wo ich herkomme, ist eigentlich neun Monate Winter und drei Monate ist es kalt.

    So richtig kann ich Sie mir aber nicht mit Skiern auf dem Weg zum Nordpol vorstellen.

    Lanz: Sie waren nie dabei! Ich bin 2003 mit einem Freund zum Nordpol gelaufen. Es waren zwei kleine Expeditionen parallel unterwegs, wir und eine russische. Der Plan war: Wir treffen uns auf 90 Grad Nord. Wir sind perfekt nach Plan gelaufen, alles, was überflüssig war, haben wir auf der Scholle zurückgelassen. Wir kamen an Ostern 2003 am Nordpol an, haben dort gezeltet, drei Tage lang, und gewartet, bis die Russen endlich kommen. Am vierten Tag tauchten dann wie in einem James-Bond-Film so kleine schwarze Männchen auf. Das waren die Russen. Wir gingen auf sie zu. Plötzlich sah ich, wie Raketen in den Himmel stiegen. Ich sagte zu meinem Freund: Die haben ernsthaft Raketen zum Nordpol geschleppt. Es ist kein Wunder, dass die so langsam sind! Was wir dann sahen, war atemberaubend: Zelte, Raketen. Und um die Zelte tanzten lauter besoffene nackte Russen. Wenig später tanzten auch wir sehr betrunken nackt um diese Zelte. Damals habe ich gelernt: Man kann es auf die deutsche Art machen. Aber eins ist ganz, ganz sicher: Wir waren zwar schneller, aber die Russen hatten deutlich mehr Spaß.

    Welche Persönlichkeit hat Sie am nachhaltigsten geprägt?

    Lanz: Meine Mutter, definitiv. Sie ist eine unfassbar zähe ältere Dame von mittlerweile 85 Jahren. Sehr katholisch, Bergbauerntochter. Und diese Bergbauern haben etwas, das wir verloren haben: Sie sind nicht zu korrumpieren. Wenn man meiner Mutter mit 5000 Euro vor der Nase rumwedelt, dann sagt die: Was soll ich damit?

    Kann sie denn mit Ihrem Lebenswandel umgehen? Wie ist das, wenn sie zu Ihnen kommt?

    Lanz: Die kommt nicht zu mir, ich komme zu ihr. Meine Mutter ist eine zutiefst bescheidene Frau. Sie war zum Beispiel noch nie am Meer, obwohl sie 200 Kilometer von Venedig entfernt lebt. Ich habe oft gesagt: Mama, ich nehm dich mit, wir fahren ans Meer. Du musst mal das Meer gesehen haben in deinem Leben! Bis ich irgendwann begriffen habe: Sie braucht das nicht, um zufrieden zu sein.

    Hier können Sie das Live-Interview mit Markus Lanz im Podcast anhören: Jetzt im Podcast: Markus Lanz über "Wetten, dass..?" und seine Expeditionen

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