Grüß Gott, Herr Aiwanger. Sie waren vor ein paar Tagen erst in Augsburg, Sie haben den Plärrer eröffnet, haben mitgefeiert. Wie war das denn für Sie, nach so einer langen Durststrecke endlich mal wieder im Bierzelt zu sein?
Aiwanger: Das ist jetzt der nötige Schritt in die Realität. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man vielleicht schon ein Jahr früher mit kleineren Volksfesten begonnen. Es geht darum, wieder Lebensfreude zu haben. Wir sollten uns nicht zunehmend ein schlechtes Gewissen einreden lassen, wenn wir feiern.
Sie sagen ja gerne, dass Sie in der Politik für den gesunden Menschenverstand stehen. Wofür stehen denn dann die anderen?
Aiwanger: Teilweise für Panikmache und für übertriebene Politik. Die einen haben Angst verbreitet, um davon politisch zu profitieren. Und andere haben gesagt: Corona gibt’s überhaupt nicht. Und in der Mitte zwischen diesen beiden extremen, unvernünftigen Positionen sehe ich meine Position.
Kommen wir zu Markus Söder, mit dem Sie seit 2018 eine Koalition führen. Bei ihm ist es ja nicht immer ganz so einfach zu wissen, wofür er gerade steht. Sie erleben ihn aus nächster Nähe. Wer ist Markus Söder – und wie viele?
Aiwanger: In der Tat ist es so, dass die CSU uns immer mal wieder rechts und mal links überholen musste. Und wir haben immer geschaut, wo sie gerade ist. Und natürlich war Söder auch getrieben von der Debatte um das Bundeskanzleramt. Da musste er sich überlegen, wo er in puncto Koalitionen etwa andocken könnte – zum Beispiel bei den Grünen.
Wie würden Sie denn Ihr persönliches Verhältnis zu Markus Söder beschreiben? Wir erleben immer wieder Sticheleien ...
Aiwanger: Ich glaube, dass jeder von uns die Rolle des anderen einschätzen kann. Bei der bürgerlich-wertkonservativen Klientel – etwa Landwirte, Handwerker, Schützen – sieht uns die CSU als Mitbewerber. Wir sind ja doch am selben politischen Ufer beheimatet. Nur mit uns kann die CSU aber eine bürgerliche Mehrheit in Bayern halten. Die sollten froh sein, dass es uns gibt.
Noch mal: Mögen Sie sich?
Aiwanger: Mei, mögen … (lacht). Ich glaube, dass wir uns eher ... verstehen. Wir sind jetzt nicht ein Herz und eine Seele. Es ist keine dicke Männerfreundschaft mit Söder. Aber in diesen vier Jahren, es waren ja keine einfachen Zeiten, ist eine politische Partnerschaft entstanden.
Können Sie sich vorstellen, in Bayern auch eine andere Regierungskonstellation zu unterstützen – ohne CSU? Oder gehen Sie eher mit der Aussage in die Wahl, weiter mit der CSU regieren zu wollen.
Aiwanger: Ja, so schwierig das im Einzelfall oft ist, sehe ich den bürgerlichen Block, die politische Bastion Bayerns hier – und glaube nicht, dass es für Bayern gut wäre, wenn hier SPD oder Grüne in führende Positionen kämen. Ich komme selber aus einem konservativen Hintergrund, als Jäger, als Landwirt – und da ist Rot-Grün nicht unbedingt der Traum deiner schlaflosen Nächte.
Haben diese vier Jahre Sie verändert oder sind Sie immer noch der gleiche Hubert Aiwanger wie vorher?
Aiwanger: Wenn ich morgen nicht mehr Minister wäre, hätte ich sicher keinen Entzug. Ich weiß nach wie vor, wie man das Auto tankt, weil ich das ja privat auch immer noch selber mache. Ich trete nicht morgens vor den Spiegel und sage mir: Jetzt bist du Minister, jetzt bist du wer. Aber ich sage auch: Ich will Minister bleiben, weil ich da viel bewegen kann.
Aber Sie sagen auch: Gerade als Politiker muss man aufpassen, was man sagt. Haben Sie inzwischen vielleicht manchmal auch eine Schere im Kopf?
Aiwanger: Ich bin ja politisch groß geworden dadurch, dass ich auf politischen Volksfesten die Dinge beim Namen genannt habe, etwa beim politischen Aschermittwoch oft ein bisschen deftig aufgetreten bin. Als Minister wird einem aber eben trotzdem jedes Wort dann doppelt unter die Nase gehalten. Ich finde es bedauerlich, dass man als Politiker keinen Spaß mehr machen soll. Ich bin von Haus aus eher ein humorvoller Mensch, mache gerne Witze, nicht dumme Witze, unflätige oder unter der Gürtellinie – aber einfach mit Spaß die Dinge betrachten. Und ich habe häufig festgestellt, dass die politischen Beobachter keinen Spaß verstehen, dass sie dann sogar konsterniert sind.
Reden wir über Ihren Kollegen auf Bundesebene, Robert Habeck. Wie beurteilen Sie seine Leistung als Wirtschaftsminister?
Aiwanger: Ich glaube, das zweite Bundesland, das er besucht hat, war Bayern. Kurz nach seinem Amtsantritt haben wir gleich miteinander gesprochen. Mein Eindruck bis heute ist, dass es ihm ehrlich um die Sache geht, dass er kein parteipolitischer Winkeladvokat ist. Wir haben die Handynummer voneinander, tauschen uns unregelmäßig aus. Ich glaube, dass er für einen Grünen eine sehr ordentliche Politik macht. Wenn dort ein Ideologe säße, wäre es schlechter für uns.
Bayern ist das Bundesland, das am meisten Öl und Gas aus Russland bezieht. Woran liegt das? Was hätte man besser machen können?
Aiwanger: Weil Bayern ein starkes Industrieland ist. Jetzt zu sagen, man hätte sich früher vom russischen Gas unabhängiger machen sollen, ist für mich einfach nur neunmalklug. Wir haben es seit der Wiedervereinigung versäumt, mit den Russen eine echte Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft aufzubauen, mit der es gar nicht zur jetzigen Auseinandersetzung – Russland gegen den Westen – gekommen wäre.
Und für die Zukunft?
Aiwanger: Dieser Krieg Putins darf nicht das Ende der deutsch-russischen Beziehungen insgesamt sein. Russland jetzt zum Feind auf alle Ewigkeit zu erklären, diesen Gefallen dürfen wir Wladimir Putin nicht tun.
Kommen wir zum Thema Windkraft. Sie haben im Interview mit einem unserer Kollegen gesagt: „Oma Huber ist jetzt wichtiger als der Rotmilan.“ Gemeint war, dass beim Bau von Windrädern häufig der Naturschutz eine sehr wichtige Rolle spielt und viele Projekte auch deswegen nicht zustande kommen.
Aiwanger: Ich bin selber Jäger und Naturfreund – und mir würde es um jeden Vogel leid tun, der zu Schaden kommt. Aber ich glaube, dass wir viel zu oft schlichtweg Maßnahmen ergreifen, die gar nicht nötig sind. Wir haben derzeit die Vorgabe, dass gar kein Rotmilan gesehen werden muss, um ein Windrad zum Schutze eines Rotmilans abzuschalten – sondern nur, wenn man nicht beweisen kann, dass keiner da ist. Kaum zu fassen. Ein Windrad bringt eigentlich Strom für 10.000 Bürger. Da haben wir Fälle, dass neue Windräder, die mit Millionenbeträgen errichtet worden sind, von Mai bis Oktober tagsüber abgeschaltet werden müssen, nur weil man eben nicht weiß, ob ein Rotmilan da ist.
Geht es nur um den Rotmilan?
Aiwanger: Nein, natürlich nicht. Man hat jahrelang außerdem wegen den Uhus Windräder verboten. Jetzt stellt man fest: Der Uhu fliegt gar nicht so hoch, wie das Windrad in die Höhe ragt, sondern er fliegt vielmehr am Boden. Unfassbar.
Wie oft sind Sie noch auf Ihrem Hof und betreiben Sie noch Tierhaltung?
Aiwanger: Mein Hof ist bei Landshut – 20 Hektar Fläche plus vier Hektar Wald. Wir hatten Milchvieh und Sauenzucht. Auch anfangs noch, als ich schon im Landtag war. Aber meine Eltern, die mithalfen, wurden natürlich älter. Wir haben die Tierhaltung aufgegeben und unser Ackerland momentan mit nachwachsenden Rohstoffen für die Energieerzeugung bestückt. Die Arbeit macht der Maschinenring. Ich muss nicht mehr mit dem Traktor auf dem Feld herumfahren. Höchstens mal in den Wald, um die Rehe zu füttern.
Wie steht es mit dem Tempolimit? Sie sind ja dagegen.
Aiwanger: Auch ich stelle meinen Tempomaten meist bei 130 ein. Aber es kann schon mal eine Situation geben, wo man mit 150 oder 160 überholen will. Und warum soll ich das verbieten? Ich sehe einfach, dass viele Ideologen da schon lange darauf gewartet haben. Jetzt ist endlich die Gelegenheit, den Leuten zu sagen, sie sollen langsamer fahren, kein Fleisch mehr essen wegen des Klimas, jetzt sollen sie kalt duschen und die Wohnung nicht mehr so warm beheizen. Diesen Weg will ich nicht mitgehen. Und das Tempolimit ist für mich ein Symbol dafür. Auch ich habe ein Problem damit, wenn jemand mit 190 mit der Lichthupe angeschossen kommt, aber der verstößt halt gegen das Gesetz, der bedrängt mich.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Aiwanger: Trotz aller wirklich großen Probleme: Die wirtschaftliche Lage in Bayern ist doch viel besser, als viele denken. Ich bin der Überzeugung, dass der Wohlstand beibehalten wird, dass die nächste Generation mindestens so gut leben wird wie wir, weil doch der technische Fortschritt auch wieder viele Vorteile bringen wird. Wir hatten schon oft schwierige Herausforderungen in der Vergangenheit. Die Ölkrise in den Siebzigern. Und ein paar Jahre später ist trotzdem die Wirtschaft wieder gewachsen. Wir hatten damals eine zweistellige Inflation, heute haben wir sieben Prozent, aktuell hoffentlich bald wieder weniger. Ich bin sicher, dass wir alles hinbekommen. (Protokoll: Markus Bär)