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LGBTIQ+: Die queeren Tiere von Hellabrunn: Ein Ort, an dem es Homophobie nicht gibt

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Die queeren Tiere von Hellabrunn: Ein Ort, an dem es Homophobie nicht gibt

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    Flamingos bilden auch männliche Pärchen. Diese beiden sind aber heterosexuell.
    Flamingos bilden auch männliche Pärchen. Diese beiden sind aber heterosexuell. Foto: Sarah Ritschel

    Gäbe es die homosexuellen Paare nicht, würden viele Flamingoküken sterben. Ist ein Junges verwaist, etwa weil das Muttertier gestorben ist, sind es die männlichen Pärchen, die das Kleine aufziehen. Ilse Tutter, promovierte Biologin, hat das schon beobachtet – auch bei Pinguinen. "Schleicht das Küken allein durch die Kolonie, wird es von den Männchen ins Nest bugsiert", sagt Tutter, die im Münchner Tierpark Hellabrunn regelmäßig Führungen anbietet. Anlässlich des sogenannten Pride Month, dem Aktionsmonat Juni für mehr Sichtbarkeit sexueller Vielfalt, beleuchtet Tutter das Thema "Homosexualität im Tierreich". Die Erkenntnis, die nach zwei Stunden Führung in Erinnerung bleiben wird: Kein Tier wird wegen seiner Vorlieben diskriminiert. "Homophobie gibt es nur unter uns Menschen, das ist eine rein menschliche Unart", sagt Tutter. 

    Es ist Abend. Über den Zoo legt sich Ruhe, die Tiere ziehen sich in ihre Häuser zurück, das Nilpferd legt sich zum Dösen in seinen Wassergraben – und die ersten Flamingos nehmen ihre einbeinige Schlafposition ein. "Der Flamingo wird nicht nur oft bei Pride-Veranstaltungen als Maskottchen mitgeführt, bei ihm wird auch sehr häufig homosexuelles Verhalten beobachtet", erklärt die Biologin. "Beobachtet" sagt sie bewusst, schließlich könne man die Sexualität bei den Tieren nicht abfragen. Flamingos – deren rosa Gefiederfarbe übrigens von den Krebstieren stammt, die sie zu sich nehmen – gehen ihre Paarbindung jedes Jahr aufs Neue ein. "Wir haben Hinweise, dass sie sich ihre Partnerinnen und Partner gezielt aussuchen." Die meiste Zeit eines Tierlebens sei jedoch asexuell, nur zur Paarungszeit zeigt sich die sexuelle Orientierung. Weibliche Elefanten hingegen schmusen auch übers Jahr hinweg mit anderen Weibchen ihrer Herde.

    Giraffen haben oft homosexuelle Kontakte.
    Giraffen haben oft homosexuelle Kontakte. Foto: Moritz Frankenberg, dpa

    Bei rund 1500 Tierarten ist der Expertin zufolge schon homosexuelles Verhalten beobachtet worden. Ilse Tutter öffnet die Tür zum Giraffenhaus. Die kleine Herde des Tierparks Hellabrunn frisst aus großen Körben an der Decke ihre Abendportion Heu. Alle Exemplare hier sind Weibchen. Giraffenbullen jedoch hätten im Schnitt mehr homosexuelle Kontakte als heterosexuelle, sagt die Biologin. Auf solche Vielfalt hinzuweisen ist das Ziel, das der Tierpark Hellabrunn sich mit der Führung gegeben hat. Der Zoo ist offizieller Kooperationspartner des Christopher-Street-Day in München. Man wolle die Natürlichkeit und Normalität gleichgeschlechtlicher Verhaltensweisen auch im Tierreich zeigen, heißt es aus dem Zoo, um für die Akzeptanz verschiedener Lebensformen zu werben. 

    Der "Pride Month" hat seinen Ursprung im Juni 1969. Damals wehrten sich Homosexuelle in New York erstmals gegen willkürliche Kontrollen und Schikanen der Polizei, deren Anlass allein in ihrer sexuellen Orientierung lag. Aus dem Protest wurde die "Pride"-Bewegung, seitdem tragen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intersexuelle und andere queere Menschen ihre Identität in Regenbogenfarben nach außen. Auch ein wichtiges Datum in Deutschland fällt in diesen Monat: Am 30. Juni 2017 stimmte der Bundestag für die Ehe für alle. 

    Clownfische gehören zu den Anemonenfischen und ändern ihr Geschlecht.
    Clownfische gehören zu den Anemonenfischen und ändern ihr Geschlecht. Foto: David Ebener, dpa

    Transsexualität, Intersexualität, auch das ist unter Tieren nichts Unbekanntes. Tutter führt ihre Besucherinnen und Besucher zu den Anemonenfischen, die jedes Kind aus dem Kinohit "Findet Nemo" kennt. Ein Männchen kümmert sich gerade an einem Felsvorsprung um den Laich. "Beim Menschen bleibt die sexuelle Identität ein Leben lang", erklärt die Fachfrau – anders bei den farbenfrohen Fischen. Sie leben im Schwarm, ein Weibchen mit mehreren Männchen. Stirbt das Weibchen, wandelt sich das stärkste Männchen in ein Weibchen um. Dieser Prozess beginnt im Gehirn, man kann also sagen, der Fisch "fühlt" sich zunächst weiblich, bevor sich auch die Geschlechtsorgane anpassen. "Ein Transgenderfisch", erklärt Tutter. Im Tierreich kümmert das keinen.

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