Franziskus hat sich auf eine „Pilgerreise der Buße“ begeben und in Kanada Indigene „demütig um Vergebung“ gebeten – für das Leid, das Kirchenleute dort Kindern der First Nations in Umerziehungsanstalten angetan haben. Auf große Gesten und noch größere Worte versteht sich dieser Papst. Nur: Das genügt eben nicht, in Kanada ebenso wenig wie in Deutschland – nicht nach Jahrzehnten, in denen weltweit offenbar wurde, dass Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche System hatte.
Das Einzige, was für Betroffene und deren Angehörige zählt, sind echte Fortschritte. Doch daran mangelt es in diesem Pontifikat, das übervoll an Gesten und Worten ist – die oft einen allzu schönen Schein über seine autoritäre Natur legen. Mit einer zwölfzeiligen „Erklärung des Heiligen Stuhls“ wurden erst kurz vor der Papstreise Gläubige in Deutschland schroff in die Schranken verwiesen. Sie hatten sich – wie vom Papst proklamiert – auf einen „synodalen“ Weg begeben, auf einen Weg des Aufeinanderhörens. Hören und gehorchen aber sollen allein sie.
Der Kernsatz: „Zur Wahrung der Freiheit des Volkes Gottes und der Ausübung des bischöflichen Amtes erscheint es notwendig klarzustellen: Der ,Synodale Weg‘ in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten.“
Zwölf Zeilen genügten, um den Reformprozess "Synodaler Weg" abzuwürgen
Ein Machtwort im Wortsinne, mit dem der zwischen Deutscher Bischofskonferenz und engagierten Laien begangene Reformprozess abgewürgt wurde. Zwar stellte der „Heilige Stuhl“ und wer sich dahinter verbirgt bloß fest, was für den Synodalen Weg per Satzung und Geschäftsordnung ohnehin geregelt ist – keiner der zögernden und zaudernden deutschen Bischöfe dürfte nun allerdings bei gleich welchem Reformvorhaben noch vorangehen. Die nächste Austrittswelle ist programmiert.
Zwölf Zeilen genügten. Zwölf Zeilen, die die Reformunfähigkeit dieser Amtskirche offenlegten und zeigten, wie wichtig ihr der Erhalt klerikaler Macht ist. Denn darum dreht sich alles, schließlich ist der Synodale Weg ein kirchenrechtliches „Nullum“, so Experte Thomas Schüller – die Umsetzung von Beschlüssen hängt am einzelnen Diözesanbischof und an Rom. Umstürze sehen wahrlich anders aus!
Kulturkampf wird auf dem Rücken von Missbrauchsopfern ausgetragen
Und doch fürchtet man sich in Rom und in „rechtgläubigen“ Kirchenkreisen vor jener Reformdynamik, die die ersten Synodalversammlungen – die vierte ist im September – auslösten und macht mit dem Schreckensszenario einer Kirchenspaltung erfolgreich Stimmung. Letztlich werden der Synodale Weg und die Weltbischofssynode 2023 zum Thema „synodale Kirche“ – wie schon die Amazonas-Synode – keine Aufbrüche sein.
Besonders traurig daran ist, dass der kirchliche Kulturkampf auf dem Rücken von (potenziellen) Missbrauchsopfern ausgetragen wird. Der Synodale Weg sollte den Missbrauch klerikaler Macht, den inadäquaten Umgang mit dem Zölibat, die katholische Sexualmoral und den Ausschluss von Frauen von Weiheämtern thematisieren. Er sollte diesen Risikofaktoren für sexuellen Missbrauch etwas entgegensetzen.
Dass er weder eine Abschaffung des Zölibats noch das Frauendiakonat bringen würde, war klar. Dass er nicht einmal eine Verwaltungsgerichtsbarkeit oder eine Beteiligung von Laien an der Bischofswahl (und damit zumindest etwas Kontrolle klerikaler Macht) zum Ergebnis haben könnte, wäre fatal. Eine konsequente Aufarbeitung droht bis auf Weiteres verunmöglicht zu werden.