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Lehrkräfte warnen vor bürokratischem Chaos bei Bayerns Sprachtests für Kita-Kinder

Bildungspolitik

Verpflichtende Sprachtests für Kitakinder? Warum Lehrkräfte davor warnen

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    Mit verpflichtenden Sprachstandserhebungen soll in Bayern frühzeitig vor der Einschulung auf Sprachdefizite reagiert werden. Doch die schnelle Einführung der Tests sorgt in der Umsetzung für Probleme.
    Mit verpflichtenden Sprachstandserhebungen soll in Bayern frühzeitig vor der Einschulung auf Sprachdefizite reagiert werden. Doch die schnelle Einführung der Tests sorgt in der Umsetzung für Probleme. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Ein politischer Schnellschuss, bürokratisch und für die Grundschulen mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden: Der Lehrkräfteverband BLLV übt massive Kritik an der Umsetzung der in Bayern derzeit erstmals durchgeführten verpflichtenden Sprachstandtests für Kinder, die in eineinhalb Jahren in die Grundschule kommen sollen. Damit soll frühzeitig vor der Einschulung auf mögliche sprachliche Defizite reagiert werden können.

    „Niemand leugnet die zentrale Bedeutung von Sprachkompetenz für die Bildung“, beteuerte BLLV-Chefin Simone Fleischmann am Montag in München. Die Lehrkräfte in den Grundschulen vor Ort verweigerten sich der neuen Aufgabe auch nicht: „Wir ziehen das durch, wir boykottieren nichts. Aber wir reflektieren, was in der Praxis schiefläuft.“

    Direkter Austausch der Schulen mit Kitas wegen Datenschutz nicht möglich

    So sei die vom Kultusministerium vorgeschriebene Umsetzung der Tests „ein echtes Bürokratiemonster“: Erst müssten die Grundschulen die Eltern aller Kinder in ihrem Schulsprengel anschreiben. Die Eltern, deren Kindern von der Kita gute Deutschkenntnisse bescheinigt werden, müssten diese Bestätigung dann im Original bei der Grundschule einreichen. „Ein direkter Austausch mit den Kitas ist aus Datenschutzgründen aber nicht möglich“, erklärt Sabine Bösl vom BLLV. Obwohl die Grundschulen deshalb nicht einmal wissen, in welche Kita das jeweilige Kind geht, soll die Schule genau dies aber dem Schulamt melden.

    Da zudem weder E-Mail-Adressen noch Telefonnummern der Eltern weitergegeben werden dürfen, „wissen wir oft gar nicht, wo die Eltern sind, wenn sie auf unsere Post nicht antworten“, beklagt Bösl. In manchen Schulen seien deshalb bis zu 30 Prozent der zum Sprachtest geladenen Kinder zum vereinbarten Termin gar nicht erschienen.

    BLLV: Bürokratischer Förderbescheid verunsichert und überfordert viele Eltern

    Wird bei einem Kind ein sprachlicher Förderbedarf festgestellt, bekommen die Eltern per Einschreiben mit Rückschein einen vierseitigen Förderbescheid „in einem Amtsdeutsch, das sogar mit guten Deutschkenntnissen nur schwer verständlich ist“. Viele betroffene Eltern seien deshalb verunsichert und überfordert - was erneut zu Rückfragen und Beratungsbedarf führe. „Wir sollten unsere Zeit nicht in Bürokratie, sondern in die Kinder investieren“, findet Bösl.

    Während der Test selbst inhaltlich gut und in rund 15 Minuten zu erledigen sei, sei der gesamte Aufwand für die durchführenden Lehrkräfte und Schulpsychologen enorm: Weil es keinen Austausch mit den Kitas gebe, würden viele Kinder getestet, für die gar kein Test nötig ist. Und weil Personal an den Grundschulen ohnehin knapp ist, entfällt für die Tests deshalb sogar regulärer Unterricht oder gar die Sprachförderung für aktuelle Grundschüler.

    Völlig offen sei darüber hinaus, was mangels Personal aus dem erkannten Förderbedarf folgen soll: Schon heute könnten viele Deutsch-Vorkurse im Vorschuljahr mangels Personal nicht durchgeführt werden. Gleichzeitig geht das Kultusministerium offenbar davon aus, dass künftig bis zu einem Drittel der Kinder eines Jahrgangs im Jahr vor der Einschulung gezielte Deutschförderung braucht. Bayernweit wären dies gut 40.000 Kinder.

    Fachkräfte für die Kinder mit Förderbedarf „oft gar nicht verfügbar“

    Die betroffenen Kinder bräuchten oft aber nicht nur Übungen in Deutsch, sondern aufgrund ihrer Lebensumstände auch weitergehende pädagogische Hilfen, warnt Fleischmann: „Für eine faire Chance bräuchten diese Kinder eigentlich die besten Kräfte.“ Diese seien aber oft gar nicht verfügbar. Unklar sei bisher auch, ob Kinder im Vorschuljahr die Kita wechseln müssen, wenn die bisherige Kita nicht an Deutsch-Vorkursen beteiligt ist.

    Damit die Sprachtests künftig besser funktionieren können, fordert der BLLV unter anderem einen „Austausch auf Augenhöhe“ mit den Kitas und eine Beschränkung auch des gesamten Vorlaufs der Tests auf die Kinder, die keine Kita besuchen oder bei denen in den Kitas ein Sprachdefizit festgestellt wurde: „Die Fachkräfte dort machen einen guten Job, warum also nicht deren Expertise nutzen?“, fragt BLLV-Expertin Bösl. Überdies brauche es insgesamt deutlich weniger Bürokratie und Datenschutz in der Abwicklung der Tests sowie deutlich mehr Fachpersonal für die anschließenden Vorkurse: „Eine effektive Förderung muss folgen, sonst lohnt sich der ganze Testaufwand doch gar nicht“, mahnt Fleischmann.

    „Ja, das ist ein zusätzlicher Aufwand“, räumt Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) gegenüber unserer Redaktion ein. Und das Verfahren sei „erst mal besonders aufwendig, solange die Abläufe sich noch nicht eingespielt haben“. Es bleibe aber richtig, Kinder mit Sprachdefiziten so früh wie möglich flächendeckend zu fördern. Derzeit sammle das Ministerium Rückmeldungen ein, um das Verfahren zu optimieren, beteuert Stolz: „Und damit werden wir uns auch ganz selbstkritisch auseinandersetzen.“

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    3 Kommentare
    Martin Müller

    Verfahren optimieren Frau Stolz? Stampfen Sie diese Bürokratieidiotie ein und fangen Sie noch einmal von vorne an. Mit diesem Prozess wären in der freien Wirtschaft gleich mehrere Köpfe gerollt. Für Ihre zuständigen Beamten gibt's jetzt hingegen erst einmal mehr Geld. Man fragt sich für was genau.

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    Peter Zimmermann

    Nach dem Motto alles andere kann nur besser sein wie das jetzige ist allerdings schon oft in die Hose gegangen. Ich vermute mal diejenigen die aus Protest die AFD wählen/würden haben deren Programm definitiv nicht bis zum Ende gelesen evtl. sogar gar nicht.

    Franz Xanter

    Sehr verwunderlich. Seit nunmehr Jahren wird angemahnt und durch Politik versprochen, Bürokratie abzubauen. In der Praxis wird jedoch mehr und mehr aufgebaut. Soviel zu politischen Ankündigungen und tatsächlichen Umsetzungen. Zeigt doch sehr eindringlich, was momentan von Politik zu halten ist. Somit auch nicht verwunderlich, wenn politische Strömungen mehr und mehr in nicht gewünschte Richtungen gehen.

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