Bayerns Schulen haben ein Personalproblem. Das ist seit Jahren offensichtlich - auch wenn der Mangel, je nachdem, wer im Kultusministerium gerade am Ruder war, nicht immer klar ausgesprochen wurde. Bayerns aktuelle Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) macht es anders. Sie räumte zu Beginn des Schuljahres offen ein: „Wir haben Lehrermangel.“ Das soll sich jetzt ändern: vor allem mit freiwilligen Einschränkungen bei der Teilzeit von Lehrkräften, aber auch mit möglichen Reduzierungen etwa des Wahlunterrichts. Überdies soll weiter intensiv um Studierende, aber auch um Quereinsteiger aus anderen Berufen geworben werden.
„Es braucht einen klugen Mix aus Maßnahmen“, erklärt Stolz. Diese müssten auf die jeweiligen Probleme der Schularten, aber auch auf lokale Gegebenheiten der einzelnen Schulen zugeschnitten sein: „Deshalb ist es mir besonders wichtig, neben zentralen auch verstärkt auf lokale Maßnahmen zu setzen und den Schulen mehr Freiräume zu überlassen.“

Die Lehrerlücken sind vor allem an Mittelschulen schon lange unterrichtsgefährdend, an Gymnasien drohen sie ohne Gegenmaßnahmen im kommenden Schuljahr endgültig aufzureißen. Nach den Berechnungen des Ministeriums könnten an den beiden Schularten aktuell jeweils rund 1300 Planstellen nicht besetzt werden, wenn die Politik nichts täte. Bis 2027 könnten in Bayern insgesamt mehr als 4000 Lehrkräfte fehlen. Die Stellenbesetzung scheitert bislang weder an nicht vorhandenen Planstellen noch am Geld, sondern vor allem an fehlenden Bewerbern: „Wir können uns leider keine Lehrkräfte backen“, heißt es aus dem Ministerium.
Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte in Bayern arbeitet aktuell in Teilzeit
Gleichzeitig arbeiten mit rund 121.000 Personen so viele Lehrkräfte wie nie zuvor in Bayern. Allerdings gehen bislang mehr als 80 Prozent vorzeitig in Pension. Und: Über alle Schularten hinweg arbeiten gut 53 Prozent nur Teilzeit. Diese Tatsache birgt ein Dilemma: Einerseits verschärft das natürlich die Personalnot, andererseits machen gerade diese Teilzeit-Regelungen den Beruf für viele erst attraktiv.
Darauf, dass Lehrerinnen und Lehrer freiwillig ihre Stunden aufstocken, setzt das Kultusministerium schon länger. Jetzt sollen sie nochmal gezielt umworben werden, von den einzelnen Schulleitungen genauso wie von den übergeordneten Schulämtern. Dabei soll etwa durch die Aussicht auf komplett freie Tage trotz Mehrarbeit ein Anreiz gesetzt werden. Allein, wenn jede Teilzeitlehrkraft nur ein bis zwei Wochenstunden aufstocken würde, könne das einen Gewinn von mehreren hundert Vollzeitkapazitäten bedeuten, heißt es in Stolz' Konzept.
In den Gymnasien ist wegen der Verlängerung der Schulzeit auf neun Jahrgangsstufen der Personalbedarf aktuell besonders groß. Und entsprechend könnten dort mögliche „Zwangsmaßnahmen“ für einen sicheren Unterricht besonders einschneidend sein. Klappt es bis September nicht mit der Freiwilligkeit, kann das Lehrerstundenbudget der einzelnen Gymnasien um zwei Prozent gekürzt werden. Dies könne zu größeren Klassen und weniger Wahlmöglichkeiten im Unterricht führen, räumt das Ministerium ein.

Einige der Maßnahmen, die das Kultusministerium vorstellt, sind nicht neu. Schon seit dem Schuljahr 2021/2022 können sich an mehreren Schularten Quereinsteigerinnen und -einsteiger, also Menschen ohne Lehramtsstudium, innerhalb von zwei Jahren zur Lehrkraft ausbilden lassen. Seit 2021 sind demnach rund 1400 Lehrkräfte auf diese Weise in den Beruf gekommen. Außerdem wirbt das Ministerium an den Schulen gezielt um mögliche neue Lehramtsstudenten. Mehrere hundert Lehrkräfte betätigen sich zum Beispiel als „Botschafter“ und schwärmen in ganz Bayern aus, um Schülerinnen und Schüler kurz vor dem Abschluss für den Job zu begeistern.
Demonstrationen gegen das verhasste „Piazolo-Paket“
Falls die Lehrkräftelücke durch all die Maßnahmen vor Ort nicht geschlossen werden kann, behält sich das Ministerium jedoch auch weitere dienstrechtliche Maßnahmen vor - etwa eine Einschränkung der Antragsteilzeit oder der Frühpensionierung. Solche Eingriffe „von oben“ hatte im Jahr 2020 schon Stolz' Vorgänger Michael Piazolo vorgenommen.
Das verhasste „Piazolo-Paket“ ist der Grund dafür, dass Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen bis heute pro Woche eine Stunde mehr unterrichten. Auch die Möglichkeit, ohne triftigen Grund Teilzeit zu beantragen, wurde massiv eingeschränkt. Zehntausende Lehrkräfte hatten in Bayern damals gegen diese Einschnitte demonstriert. Ohne Erfolg. Hilfreich gegen den Lehrermangel waren die Maßnahmen sehr wohl: An Grundschulen zum Beispiel ist die Personalnot in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.
Dass es an den Grundschulen inzwischen mehr Lehrkräfte gibt, liegt schlicht und ergreifend daran, dass seit einigen Jahren die Lehramtsanwärter alle eingestellt werden. Das war davor lange Jahre nicht so. Da wurden nur sehr wenige Absolventen übernommen. Man brauchte teilweise einen Schnitt besser als 1,5. Man kann sich vorstellen, welchem Druck die angehenden Lehrerkräfte ausgesetzt waren. Und dann hieß es plötzlich: "Wir würden ja gerne mehr Lehrer einstellen, aber es gibt ja keine." Wie scheinheilig. Das Problem der Mittelschule ist die schwierige Schülerschaft. Wer will sich schon freiwillig diesen Stress antun? Und das liegt unter anderem an der Einführung der vierstufigen Realschule vor 30 Jahren. Dadurch ist der Übertrittsstress in der vierten Klasse gestiegen und die Mittelschule zur Resteschule verkommen.
Ist es so verwunderlich, dass Lehrerinnen, die Kinder bekommen und für ihre Familie da sein möchten, Teilzeit arbeiten wollen? Das tun auch viele ander Arbeitnehmerinnen. Bei anderen Beamten ist das auch kein Problem. Nimmt man ihnen diese Möglichkeit, ist der Beruf nicht mehr attraktiv für junge Frauen. Und wenn man älter wird, schafft man oft einfach keine 29 Wochenstunden in diesem aufreibenden Beruf mehr. Deshalb gehen auch so viele trotz finanzieller Einbußen vorzeitig in den Ruhestand: Sie können einfach nicht mehr. Man könnte ja vielleicht mal die Belastungen für Lehrkräfte reduzieren, ihnen anderweitiges pädagogisches Personal zur Seite stellen, sie bei organisatorischen Aufgaben entlasten. Und vor allem Lehrer einstellen, wenn es sie gibt. Es ist nicht so, dass man sie nicht immer brauchen könnte. Es ist nur so, dass der Finanzminister mehr zu sagen hat als der Kultusminister.
Tja und die, die es werden wollen und dann auch noch engagiert für unsere natürlichen Lebensbedingungen werden vom Kultusministerium ausgebremst! https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/klimaaktivistin-lisa-poettinger-fuerchtet-um-beruf-als-lehrerin-105163750
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