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Langweid/Augsburg: Handy zeichnete die tödlichen Schüsse des Dreifachmörders auf

Langweid/Augsburg

Handy zeichnete die tödlichen Schüsse des Dreifachmörders auf

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    Gerhard B. (links) erschoss in diesem Mehrfamilienhaus in Langweid drei seiner Nachbarn. Ein Handy zeichnete Teile der Tat auf.
    Gerhard B. (links) erschoss in diesem Mehrfamilienhaus in Langweid drei seiner Nachbarn. Ein Handy zeichnete Teile der Tat auf. Foto: Marcus Merk

    Wenige Mordfälle sind so gut dokumentiert wie die Bluttat in Langweid (Landkreis Augsburg). Entscheidend dafür ist auch ein etwa eineinhalb Stunden andauerndes Handyvideo, das eines der Opfer kurz vor den tödlichen Schüssen startete. Als Richter Michael Eberle die bedrückende Aufnahme während der Verhandlung gegen den mutmaßlichen Dreifachmörder Gerhard B. ankündigt, verlassen einige Zuschauer den Saal. Andere brechen in Tränen aus. Dann lässt sich quasi live verfolgen, wie Gerhard B. das Leben von drei seiner Nachbarn auslöscht.

    Opfer startete kurz vor den tödlichen Schüssen ein Handyvideo

    Die Aufnahme startet an einem regnerischen Freitag im Juli 2023. Wolfgang H., eines der Opfer, beginnt um 19.12 Uhr mit seinem Handy zu filmen. Vielleicht war es Zufall, dass er den Auslöser drückte. Vielleicht wollte er aber auch einen möglichen Streit mit seinem Nachbarn Gerhard B. dokumentieren. Denn Streit – das ist knapp ein Jahr nach der Tat hinlänglich bekannt – gab es in dem Mehrfamilienhaus in Langweid ständig.

    Die Aufnahme beginnt in der Garage neben dem Haus. Nach wenigen Sekunden steckt Wolfgang H. sein Handy in die Hosentasche. Zu sehen ist ab diesem Zeitpunkt nichts mehr, allerdings wird der Ton weiter aufgenommen. Zu hören sind Geräusche eines Autos, gefolgt von Schritten. Wolfgang H. geht die Treppe zu seiner Wohnung im ersten Obergeschoss hinauf und spricht kurz, vermutlich mit seiner Frau Claudia. Dann geht alles ganz schnell. 

    Dreifachmord in Langweid: Aufnahme zeichnet Schüsse auf

    Drei Minuten und 57 Sekunden nach Beginn der Aufnahme ist der erste Schuss zu hören. Er trifft Wolfgang H. in den Hinterkopf. Verzweifelt schreit seine Frau Claudia laut auf. Mit je vier Sekunden Abstand folgen zwei weitere Schüsse – und die Schreie verstummen. Zu hören sind nur noch Schritte, die immer leiser werden. Wie die Ermittlungen später zeigen werden, geht der Schütze Gerhard B. mit seiner Pistole vom Typ Beretta 92 Combat in der Hand und einem Gehörschutz auf den Ohren die Treppen hinunter. Im Erdgeschoss schießt er durch eine Wohnungstüre – und trifft eine weitere Nachbarin. Die Kugel schlägt wenige Zentimeter neben dem Türspion ein und verletzt die 72-jährige Edeltraud N. tödlich. Die Aufnahme belegt, dass der Schütze nach der Tat noch einmal die Treppen nach oben in seine Wohnung geht. Dann setzt er sich in sein Auto und fährt zum Sohn seiner Nachbarn. 

    Anmerkung der Redaktion: Der Angeklagte legt keinen Wert darauf, auf Foto- und Videomaterial unkenntlich gemacht zu werden. Daher zeigen wir Gerhard B. in unserer Berichterstattung unverpixelt.
    Anmerkung der Redaktion: Der Angeklagte legt keinen Wert darauf, auf Foto- und Videomaterial unkenntlich gemacht zu werden. Daher zeigen wir Gerhard B. in unserer Berichterstattung unverpixelt. Foto: Marcus Merk

    Als Gerhard B. das Haus verlassen hat, läuft die Aufnahme weiter. Zu hören ist seine Ehefrau, die im Treppenhaus auf die Leichen ihrer Nachbarn trifft. "Ja, um Gottes Willen, was ist los?", sagt sie: "Ja, lieber Gott." Dann geht die Frau des Schützen die Treppen hinunter zu ihrem Nachbarn Horst N., dessen Ehefrau kurz zuvor erschossen wurde. "Wo hat ihr Mann nur die Waffe her?", fragt er seine Nachbarin. Die Antwort: "Er ist Sportschütze." Gleichzeitig setzt Horst N. als erster an diesem Abend einen Notruf zum Dreifachmord in Langweid ab. Auch die Aufnahme dieses Gesprächs wurde vor Gericht bereits abgespielt. Völlig aufgelöst ruft Horst N. immer wieder nach Hilfe. "Sie stirbt mir unter der Hand weg", sagt er mit Blick auf seine am Boden liegende Ehefrau. 

    Gerhard B. will sich an die Tat in Langweid kaum noch erinnern

    Bis die Polizei eintrifft, vergehen fast 20 Minuten. Es muss sich wie eine Ewigkeit angefühlt haben. Höchstwahrscheinlich waren Polizei und Rettungskräfte schon früher da, konnten aber nicht einfach ins Haus gehen – der bewaffnete Täter war ja noch unterwegs. An einem zweiten Tatort, wenig entfernt, schoss Gerhard B. auf den Sohn seiner Nachbarn und dessen Freundin. Beide überlebten die potenziell tödlichen Schüsse. 

    Die Ermittler präsentieren während der Verhandlung knapp ein Jahr nach der Tat einen detaillierten Ablaufplan. Minutiös wird der Schrecken aufgearbeitet. Er endet mit der Festnahme des Täters um 19.44 Uhr, also etwa eine halbe Stunde nach dem ersten Notruf. Seither sitzt Gerhard B. in Untersuchungshaft. Zur Tat äußert er sich bislang nicht. Er möchte sich daran im Detail nicht mehr erinnern. Schon während der Festnahme sprach er von einem "Blackout." 

    Urteil im Langweid-Prozess wird im Juli erwartet

    Die kommenden Verhandlungstage werden zeigen, ob das Gericht dieser Argumentation folgt. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Motiv der Tat in einem jahrelangen Nachbarschaftsstreit liegt. Meist ging es dabei um Banalitäten, berichten Zeugen. Mehrfach rückte die Polizei wegen des Streits im Mehrfamilienhaus an – auch am Nachmittag vor der Tat. War abzusehen, dass Gerhard B. austickt? Die Ausrüstung für eine Bluttat hatte er jedenfalls schon lange. Als Sportschütze besaß der 65-Jährige seit den 1980er-Jahren mehrere Waffen legal. In seinem Keller fand man nach der Tat außerdem Chemikalien, eine acht Meter lange Zündschnur und Zünder. Das Urteil gegen Gerhard B. wird in etwa einem Monat erwartet. 

    Anmerkung der Redaktion: Der Angeklagte legt keinen Wert darauf, auf Foto- und Videomaterial unkenntlich gemacht zu werden. Daher zeigen wir Gerhard B. in unserer Berichterstattung unverpixelt.

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