Der Volksmund warnt schon immer vor Gefühlsaufwallungen bei Partnerschaften. „Liebe vergeht und Hektar besteht“ heißt das geflügelte Wort und das gilt im übertragenen Sinne auch für die Politik. Dort haben sich am Donnerstag in München Freie Wähler und CSU wieder zusammengerauft, um zu tun, was sie im Wahlkampf versprochen haben. Sie wollen ihre Koalition in Bayern fortsetzen. In den Tagen zuvor war es zwischen den zwei Parteichefs Markus Söder und Hubert Aiwanger emotional geworden, der Ministerpräsident und sein Vize hatten sich öffentlich heftig gefetzt.
Damit soll es – persönlichen Vorbehalten zum Trotz – vorbei sein. Ab jetzt soll wieder das nüchterne Kalkül regieren. Am Freitag beginnen die Koalitionsverhandlungen. In kleinen Gruppen sollen die Fachpolitiker der beiden Parteien das Programm für die kommenden fünf Jahre abstecken. Man sei sich zwar in vielen Fragen im Grundsatz sehr nahe, im Detail gingen die Auffassungen aber dann doch auseinander, sagte CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek gegenüber unserer Redaktion. Ein Punkt werde sicher die Finanzierbarkeit der Wünsche sein. Denn vor dem Hintergrund schwacher Wirtschaftsdaten muss auch der Freistaat Einbußen bei den Steuereinnahmen befürchten.
Koalitionsvertrag in Bayern soll am 27. Oktober stehen
Bei den Verhandlungen drängt die Zeit. Voraussichtlich am 27. Oktober soll der Koalitionsvertrag unterschrieben werden. Das ist das Ergebnis des Sondierungsgesprächs am Donnerstag in München, über das die Fraktionschefs Klaus Holetschek (CSU) und Florian Streibl (FW) kurz berichteten.
Der neue Landtag wird am 30. Oktober zusammentreten, Ministerpräsident Markus Söder soll am 31. Oktober gewählt und vereidigt werden. Sein neues Kabinett will Söder dann am 8. November vorstellen. Beide Partner wollen sich in einer Präambel im neuen Koalitionsvertrag klar gegen die rechtspopulistische AfD positionieren. Darin soll nach den Worten von Holetschek deutlich formuliert werden, „dass wir uns ganz klar abgrenzen und dagegenhalten und die Demokratie gegen die Feinde auch verteidigen. Da sind wir uns einig.“
Verhandlungen in Bayern: Was Klaus Holetschek und Florian Streibl sagen
Der CSU-Fraktionschef trug die Kernpunkte der Einigung gemeinsam mit seinem Freie-Wähler-Kollegen Streibl vor. Fragen ließen die beiden Politiker nach ihren Erklärungen nicht zu. Damit sollte offenbar vermieden werden, dass die Streitereien zwischen FW und CSU und das Gerangel um ein viertes Ministeramt für die Freien Wähler wieder thematisiert würden. Denn offenbar ist der Burgfrieden zwischen beiden Seiten brüchig. Die Parteichefs Aiwanger und Söder gingen nach Abschluss der Verhandlungen wortlos an den Mikrofonen vorbei, auch andere Teilnehmer der Runde schwiegen sich aus. So war es vereinbart worden.
Das Treffen war im Vorfeld als „Aussprache“ angesetzt worden und dabei ging es offenbar auch zur Sache. Streibl berichtete von einer „guten und offenen Aussprache“. Diese sei nötig gewesen, „um wieder Vertrauen aufzubauen.“ Laut Holetschek ging es um „Respekt, Stil und den künftigen Umgang miteinander.“
Dieser Umgang war in den vergangenen Tagen harsch. Aiwanger hatte Söder vorgehalten, der Ministerpräsident habe ihn gedemütigt, als er vor laufender Kamera während der Corona-Epidemie Auskunft über den Impfstatus seines Wirtschaftsministers verlangte. Söder forderte von den FW für die Koalitionsverhandlungen ein klares Bekenntnis gegen rechts ein, während sich die Fraktionschefs Holetschek und Streibl öffentlich darüber zofften, wer denn nun mehr zu sagen habe.
Zoff zwischen Markus Söder und Hubert Aiwanger
Diese Vorgeschichte wirkte nach, als die Verhandlungen am Donnerstagvormittag begannen. Die CSU kam fünf Minuten früher und vermied so gemeinsame Bilder mit den Freien Wählern. Die gab es erst, als sich beide Seiten in gebührendem Abstand gegenübersaßen. Eine inhaltliche Erklärung gab Söder nicht ab.
Anders Aiwanger. „Wir wären bereit, dass wir heute schon zum Abschluss kämen,“ sagte der FW-Chef, ehe er in den Sitzungssaal entschwand. Seine Seite sei „inhaltlich aufmunitioniert“. Auf die Frage nach einem vierten Ministerium, das die FW im Vorfeld für sich reklamiert hatten, reagierte Aiwanger ausweichend. „Schauen wir mal.“
Thorsten Glauber fordert viertes Ministerium für Freie Wähler
Umweltminister Thorsten Glauber (FW) hat dagegen am Donnerstag ein viertes Ministerium für seine Partei in einem Interview als „Minimum“ bezeichnet. Bislang haben die FW in Aiwanger (Wirtschaft), Michael Piazolo (Kultus) und Glauber (Umwelt) drei Minister in der von der CSU geführten Koalitionsregierung gestellt. Hinzu kamen zwei Staatssekretäre mit Kabinettsrang und die CSU meint, das sei genug.
Bricht der Streit zwischen beiden Koalitionspartnern also gleich wieder aus? Die Fraktionschefs Streibl und Holetschek versuchten, die heikle Frage zu umschiffen. Übers Personal werde erst ganz am Ende der Verhandlungen gesprochen.