Zehn Jahre hat Ludwig Hartmann erst mit Margarete Bause, dann gemeinsam mit Katharina Schulze die Landtagsfraktion der Grünen angeführt. Er hat in dieser Funktion zwei Landtagswahlen bestritten, sich so manchen Schlagabtausch mit der CSU-geführten Regierung geliefert und die Partei mit zu Rekordergebnissen getrieben. Bis zum Dämpfer bei der Wahl vor zehn Tagen, als die Grünen Stimmenverluste hinnehmen mussten. Jetzt sagt Hartmann: „Noch nie hat mich eine Wahl danach so umgetrieben.“
Die Feindseligkeit, die ihm bei Wahlkampf-Veranstaltungen entgegenschlug bis hin zum Steinwurf von Neu-Ulm, die politischen Veränderungen im ländlichen Raum, „vor allem der Rechtsruck in Bayern“ – all das habe ihn zu der Erkenntnis geführt: „Wir müssen von Seiten der Grünen mit einer versöhnlichen Stimme dagegenhalten“, sagt Hartmann unserer Redaktion. Und das gehe, was seine eigene Rolle betrifft, am besten mithilfe eines überparteilichen Amtes. Deshalb hat der gebürtige Landsberger seiner Partei vorgeschlagen, dass er sich um das Amt des Landtags-Vizepräsidenten bewirbt – als Nachfolger des Allgäuers Thomas Gehring, der den Wiedereinzug ins Parlament verpasst hat. Für seine Fraktion bedeutet das eine Zäsur.
CSU-Generalsekretär Huber: "Jetzt kommt die grün-linke Ego-Show“
Hartmanns Vorstoß bedeutet nämlich auch: Nach mehr als 20 Jahren werden die Grünen im Landtag in der neuen Legislaturperiode erstmals nicht mehr von einer Doppelspitze angeführt. Alleinige Vorsitzende ist ab sofort Katharina Schulze. Die 32 Abgeordneten stimmten am Dienstag bei der Fraktionsklausur bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung für Schulze und damit für den Abschied von der seit 2000/2001 üblichen Doppelfraktionsspitze. Als Fraktionsvize soll Johannes Becher Schulze „den Rücken freihalten, nach innen wirken und die politische Konkurrenz inhaltlich stellen“, wie es hieß.
„Wir gestalten das Amt des Landtags-Vizepräsidenten neu: Als eine Kraft, die auf Versöhnung setzt. Als eine Kraft, die den gesellschaftlichen Konflikten ein Forum gibt und sie mit Umsicht moderiert“, sagte Hartmann nach der Klausur. Es sei ihm eine Ehre, dieses Amt in der neuen Legislaturperiode zu gestalten. Nach zehn Jahren als Fraktionschef wolle er sich nun „auf allen Ebenen“ für den Zusammenhalt der Gesellschaft einsetzen. Schulze sagte: „Ich bin bereit, anzupacken und die mir angetragene Verantwortung und strategische Führung in der Fraktion zu übernehmen. In Zeiten, in denen viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert sind, will ich den Menschen Richtung und Halt geben und konkrete Lösungen für die Zukunft unseres Landes einbringen.“
CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte zu der Personalentscheidung: „Katharina Schulze als alleinige Fraktionschefin der Grünen steht für den Linksrutsch der Grünen. Selbst für die Grünen steht Schulze links außen. Ludwig Hartmann stand für einen bürgerlichen Ansatz, deshalb wurde er weggemobbt.“ „Team Bayern“ sei nur ein Wahlkampf-Gag gewesen, jetzt komme „die grün-linke Ego-Show“, so Huber gegenüber unserer Redaktion.
Die Grünen sind nur noch viertstärkste Kraft im Landtag
Die Grünen hatten bei der Wahl am 8. Oktober nur noch 14,4 Prozent der Stimmen erhalten (2018: 17,6). Damit verkleinerte sich nicht nur die Fraktion auf nunmehr 32 Abgeordnete, dank der Zugewinne von Freien Wählern und AfD ist die Partei nach dem vorläufigen Endergebnis auch nur noch viertstärkste Kraft im Landtag. Hartmann verteidigte sein Direktmandat im Stimmkreis München-Mitte mit 44,6 Prozent.
Dem Vernehmen nach ist die Neuaufstellung eine direkte Reaktion auf die neue Situation der Grünen nach der Wahl. Mit der Fokussierung auf Katharina Schulze, die mit Abstand bekannteste bayerische Landtags-Grüne auch außerhalb des Freistaats, dürfte das Ziel verbunden sein, sie für die Wahl 2028 in eine möglichst aussichtsreiche Position zu bringen. Anders als bei einer Doppelspitze üblich gehört ihr künftig die alleinige Aufmerksamkeit – nicht nur in den Medien. (mit dpa)