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Landtagswahl: Hubert Aiwanger führt seinen Post-Flugblatt-Wahlkampf auf dem Gillamoos

Landtagswahl

Hubert Aiwanger führt seinen Post-Flugblatt-Wahlkampf auf dem Gillamoos

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    Hat beim Politischen Frühschoppen auf dem Gillamoos in Abensberg gut Winken: FW-Chef sowie weiterhin stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.
    Hat beim Politischen Frühschoppen auf dem Gillamoos in Abensberg gut Winken: FW-Chef sowie weiterhin stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Etwas ist anders als sonst an diesem Gillamoos-Vormittag, bei dem sich die Spitzen der politischen Parteien traditionell einen deftigen Schlagabtausch liefern und die Besucher üblicherweise gemütlich von einem Bierzelt ins andere wechseln können. Die CSU belegt wie immer das größte Zelt am Platz, aber auffällig viele Leute zieht es schon um neun Uhr – also eine Stunde vor Beginn der Redeschlacht – in den kleinen Weißbier-Stadel. Dort wird der Chef der Freien Wähler, Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger erwartet. Der Andrang ist so groß, dass bereits um 9.15 Uhr via Lautsprecher verkündet wird, dass keine Besucher mehr eingelassen werden, weil drinnen kein Platz mehr ist. Und auch der Biergarten davor ist schon überfüllt.

    Wer einen Platz ergattert hat, muss sich gedulden. Aiwanger kommt zwar pünktlich um zehn Uhr. Er wird begeistert empfangen. „Hubert, Hubert“, rufen seine Fans. Doch dann müssen erst einmal andere Redner ran, um das heikelste Thema, die Flugblatt-Affäre, abzuräumen. Susann Enders, die Generalsekretärin der Freien Wähler, bemüht sich um Schadensbegrenzung bei den Medien, die von den Freien über die ganze vergangene Woche hinweg wegen ihrer Berichterstattung über das antisemitische Flugblatt aus Aiwangers Schulzeit beschimpft worden waren. „Nur weil es einen Stinkstiefel in der Branche gibt, sind nicht alle schlecht“, sagt Enders. Mit „Stinkstiefel“ meint sie die Süddeutsche Zeitung, die die Vorgänge enthüllt hat.

    Fabian Mehring bezeichnet Freie Wähler als "Bollwerk gegen die rechten Spinner"

    Die eigentliche Verteidigungsrede für Aiwanger aber hält der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag, der schwäbische Abgeordnete Fabian Mehring. Er stellt zwar fest, dass es ein „absolut widerliches Flugblatt“ war, das vor 35 Jahren in Aiwangers Schultasche gefunden worden war. Aber er bleibt dabei, dass sein Parteichef sechs Wochen vor der Wahl Zielscheibe einer „Schmutzkampagne“ war, die „der Ampel gegen die letzte bürgerlich-liberale Regierung in Deutschland den Weg zu bahnen“ sollte.

    Mehring beschreibt die Freien als „Bollwerk gegen die rechten Spinner“. Und er betont, dass Aiwanger in all den Jahren im Landtag nie eine Äußerung getan habe, die auch nur einen Funken Zweifel an seiner Gesinnung lasse. „Wer Hubert Aiwanger nach rechts rückt, der handelt absurd“, ruft Mehring ins Zelt und zitiert zum Abschluss seiner Rede den berühmten indischen Friedenspolitiker Mahatma Ghandi, um zu beschreiben, wie das mit den Freien Wählern und Aiwanger ist: „Zuerst ignorieren sie dich, dann belächeln sie dich, dann bekämpfen sie dich, dann gewinnst du.“

    Keine Worte zum Flugblatt von Aiwanger, dafür zu "woke"-Tendenzen und Cannabis

    Erst nach einer Stunde kommt Aiwanger unter „Hubert, Hubert“-Rufen auf die Bühne. Er scheint die Situation zu genießen, dankt seinen Fans für den „wunderbaren Vertrauensbeweis“ und holt zu einem politischen Rundumschlag aus. Das Wichtigste aber: Er sagt keinen Ton zur Flugblatt-Affäre, keinen Ton zu Ministerpräsident Markus Söder und dessen Entscheidung, ihn im Amt zu belassen. Einfach nichts.

    Dafür wettert er gegen „woke“-Tendenzen in der Gesellschaft, gegen „diese Modernität“, gegen die Legalisierung von Cannabis, gegen die Möglichkeit, sein Geschlecht unbürokratisch zu ändern, gegen Insektenteile in Backwaren. Er zeigt sich überzeugt, „dass diese Gesellschaft mit solchen Themen in eine falsche Richtung getrieben wird“. Er warnt davor, das Eigentum anzutasten, Menschen zu Wärmepumpen zu zwingen oder zuzulassen, dass immer mehr junge, gut ausgebildete Menschen oder Unternehmen Deutschland den Rücken kehren. „Wir können die Politik nicht so weiterlaufen lassen“, sagt Aiwanger und wirft der Bundesregierung Weltfremdheit vor: „Die wissen nicht, was unten los ist.“ Das Land werde rückabgewickelt, Leistungsträger würden demotiviert, Rentnern drohe Altersarmut, dem Krankenhauswesen ein „Strukturbruch“.

    Mit "Hubert, Hubert"-Rufen kommt Aiwanger, mit "Hubert, Hubert"-Rufen geht Aiwanger

    Aiwanger beschreibt ein Land im wirtschaftlichen Verfall. „Dieses Land wird tief gespalten bis zu einer Situation der Regierungsunfähigkeit“, sagt Aiwanger. Das nütze nur den „Randparteien“, wie im Osten bereits zu beobachten sei. „Dann ist die Demokratie in höchster Gefahr“, warnt er und beschreibt die freien Wähler als diejenigen, „die diese Dinge beim Namen nennen, bevor das Kind in den Brunnen fällt.“ Das sei kein billiger Populismus, versichert Aiwanger und nennt als sein Ziel, „die Menschen wieder in die politische Mitte zurückzugewinnen.“ In der Steuerpolitik schlägt er vor: Erbschaftssteuer abschaffen, keine Steuer auf Einkommen bis 2000 Euro, Unternehmenssteuern von 30 auf 25 Prozent senken und auch sonst alles dafür zu tun, sorgen, dass sich Leistung wieder lohne.

    Beim Thema Migration spricht er sich aus für eine „geordnete Zuwanderungspolitik, kein Zuwanderungschaos“. Wer sich hier anständig benehme und arbeite, sei herzlich willkommen. So wie es jetzt ist, sei das „auf Dauer kein Zustand“. Dass sich die Parteienlandschaft verändert habe, liege daran, dass „die politische Mitte dieses Thema nicht mehr angefasst hat“.

    Eine Stunde redet Aiwanger – immer wieder von Applaus und Jubel unterbrochen. Sein Anhänger verabschieden ihn, wie sie ihn begrüßt haben – mit „Hubert, Hubert“-Rufen.

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