"Jetzt erst recht": In diesen drei Wörtern lässt sich die Stimmung beim kleinen Parteitag der Grünen in München zusammenfassen. Eine Woche vor der Landtagswahl machte sich Bayerns stärkste Oppositionspartei Mut und erneuerte ihren Anspruch, nach dem 8. Oktober in München mitzuregieren. Dafür waren Außenministerin Annalena Baerbock und Bundesvorsitzender Omid Nouripour nach München gekommen.
Für eine Regierungsbeteiligung müsste aller Wahrscheinlichkeit nach die mutmaßlich stärkste Partei, die CSU, mit den Grünen ein Bündnis eingehen. Damit sieht es aber schlecht aus. Mehrfach hat CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder erklärt, dass für ihn schwarz-grün nicht infrage kommt. Er baue auf eine Fortsetzung des Bündnisses mit den Freien Wählern. Dennoch setzten die Grünen auf dem Parteitag ihr Werben um die CSU fort, Komplimente gab es für die Söder-Partei aber keine.
Außenministerin Baerbock erklärt Wahl zur Frage der Haltung
Er habe die Erwartung an die größte Partei im Land, dass "sie ihre Blase verlässt und Verantwortung für dieses Land übernimmt", sagte Ludwig Hartmann, der gemeinsam mit Katharina Schulze das Spitzenduo der bayerischen Grünen bildet, in Richtung CSU. Schulze und Hartmann unterstrichen in ihrer gemeinsamen Rede die Notwendigkeit von Klimaschutz und Energiewende. Beide bezeichneten den Entscheid am 8. Oktober als Richtungswahl. Es gehe darum, ein Zeichen zu setzen gegen Hass, Hetze und Populismus und für einen Wettstreit der Ideen. Schulze versicherte unter dem Applaus der rund 190 Delegierten im Werk7-Theater: "Wir weichen nicht. Wenn Klimawandel und Rechtsruck fortschreiten, geraten viele Dinge, die uns jetzt lieb sind, in Gefahr."
Was die Grünen in Bayern planen
Dieser Wahlkampf, das hoben mehrere Rednerinnen und Redner hervor, sei wesentlich härter als die vorangegangenen, weil den Grünen mehr Ablehnung entgegenschlage. Das hatte das Grünen-Spitzenduo Schulze und Hartmann in einem Interview mit unserer Redaktion den Chefs von CSU und FW, Söder und Hubert Aiwanger, mit angelastet. Sie würden neue Ideen nur niedermachen. Von dieser Anti-Stimmung wolle man sich aber nicht beirren lassen, sagte am Sonntag unter anderem der Freisinger Grünen-Abgeordnete Johannes Becher. "Wenn sie unsere Plakate herunterreißen, dann hängen wir sie wieder auf."
Fernseh-Duell mit Markus Söder
Nach den jüngsten Umfrageergebnissen behaupten die Grünen ihre Position als stärkste Oppositionspartei knapp vor der AfD. Nun darf Spitzenkandidat Hartmann unter der Woche noch live im Fernsehen mit Söder diskutieren: PR-Punkte, die bei der Wahl Prozentpunkte bringen können.
Die zentrale Botschaft der Grünen für die letzten Wahlkampf-Tage jedenfalls ist klar. Sie stünden für eine Politik mit Haltung und Anstand und müssten allein schon deshalb in die Landesregierung. So formulierte es die Rednerin, die am meisten gefeiert wurde. Außenministerin Annalena Baerbock legte einen Wahlkampf-Nachmittag in der bayerischen Landeshauptstadt ein und erklärte die Wahlen in Hessen und Bayern zu "einer Frage der Haltung". Baerbock: "Es ist wichtig, dass wir das in diesem Wahlkampf klarmachen: Bayern steht für Weltoffenheit und nicht für Hass und Hetze."
In Hessen regieren die Grünen bereits seit zehn Jahren zusammen mit der CDU. Grünen-Bundesvorsitzender Omid Nouripour nahm am Sonntag in München dennoch CDU-Chef Friedrich Merz aufs Korn. Dieser sei ein Zyniker und – so sagte Nouripour in Abwandlung des Wahlkampfslogans der bayerischen Grünen: "Deutschland braucht Herz statt Merz." Nouripour kritisierte aber auch die Koalitionspartner in der Bundesregierung: "Man hat manchmal das Gefühl, die einen wollen gar nichts und die anderen nicht mal das."