Es ist fast so etwas wie ein Veteranen-Treffen, hat aber einen ernsten Hintergrund. In München und Nürnberg haben sich am Freitag ehemalige Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker der Bayern-SPD mit einem Aufruf zur Landtagswahl am 8. Oktober zu Wort gemeldet – nicht nur, um für die SPD zu werben, sondern vor allem, um vor der AfD zu warnen. Initiatoren der Aktion sind die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt und der langjährige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude.
"Uns alarmiert es zutiefst", so heißt es in dem Aufruf, "dass eine rechtsextreme, rassistische Partei in aktuellen Umfragen mit der Sozialdemokratie als ältester demokratischer Partei Deutschlands innerhalb und außerhalb Bayerns auf Augenhöhe liegt. Das darf nicht sein! Das hieße, die schlimmsten Fehler der deutschen Geschichte sehenden Auges zu wiederholen!"
Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude sagt: Zustimmungswerte der AfD haben "irreales Ausmaß"
Nach Auffassung Udes, der im Jahr 2013 als SPD-Spitzenkandidat gegen den früheren CSU-Chef und Ministerpräsidenten Horst Seehofer immerhin noch 20,6 Prozent für seine Partei holen konnte, haben die Zustimmungswerte zur AfD mittlerweile ein "irreales Ausmaß" angenommen. Bei einer Pressekonferenz in München sagte er: "Eine Partei, die noch kein Problem analysiert, kein Konzept entwickelt, keine Lösung vorgeschlagen hat, geht aus Stimmungsgründen durch die Decke. Das, so meinen wir, muss ein Schwerpunkt der Diskussion aller Demokratinnen und Demokraten werden. Da darf man nicht noch drei Monate zuschauen, um dann entsetzt festzustellen, dass es einen Triumph des Rechtsradikalismus in Deutschland gibt."
Schmidt: Söders Politik sei "Wasser auf die Mühlen der AfD"
Renate Schmidt, die es mit der SPD bei zwei Landtagswahlen in den 90er Jahren mal auf 30, mal auf 28,7 Prozent schaffte, gibt CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder eine Mitschuld am Aufstieg der Rechtsaußenpartei. Söders Politik, so sagte Schmidt, sei "Wasser auf die Mühlen der AfD". Seine Vorgänger von der CSU seit Alfons Goppel seien Leute gewesen, die für politische Ziele standen, "die außerhalb ihrer eigenen Person lagen", und auf die man sich habe verlassen können. "Heute haben wir einen Ministerpräsidenten, der steht für alles, aber auch für das Gegenteil von allem", sagte Schmidt.
Sie warf Söder vor, "in Trump’scher Manier" Fake News zu verbreiten. Als Beispiele nannte sie Söders Behauptung von angeblich drohenden Fleisch- oder Luftballonverboten oder seine Aussagen zu angeblichen Spitzenpositionen Bayerns in nahezu sämtlichen Politikbereichen, was schlicht und einfach nicht zutreffe. Und würde man all seine "gebrochenen Versprechen" in Buchform fassen, so Schmidt, könnte man damit eine Bibliothek füllen. "Es ist nicht mehr zum Aushalten", sagte sie. Dem Ministerpräsidenten sei es wichtiger, "irgendwelche Pumuckl-Tafeln" aufzuhängen oder in Bierzelten aufzutreten, statt im Landtag seiner politischen Arbeit nachzugehen.
Maget: "Dass eine Regierung ,den Arsch offen’ hat, das hätte ich nie gesagt"
Der langjährige Vorsitzende der SPD im Landtag, Franz Maget, kritisierte den Stil, der in der politischen Debatte mittlerweile "ein unterirdisches Niveau" erreicht habe, und namentlich den Chef der Freien Wähler, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Auch früher, so Maget, habe es harte Auseinandersetzungen gegeben. "Aber dass eine Regierung ,den Arsch offen’ hat, das hätte ich nie gesagt". Wer derart beleidigend, herabwürdigend und verletzend rede, trage "zur Entkernung des demokratischen Miteinanders" bei.
Mit den Ex-Oberbürgermeistern Ivo Holzinger (Memmingen), Klaus Herzog (Aschaffenburg) und Norbert Kastner (Coburg) sowie der früheren zweiten Bürgermeisterin Münchens, Gertraud Burkert, riefen Schmidt, Ude und Maget dazu auf, die AfD im politischen Diskurs konkret zu stellen. Es sei zum Beispiel "glatter Unsinn", so sagte Ude, dass die AfD die Partei der "kleinen Leute" sei. Auch müsse man stärker herausstellen, "dass diese Partei auf Putin keine andere Antwort hat, als: Lasst ihn doch machen." Die entscheidende Frage in Bayern laute: "Geht die Demokratie unbeschädigt aus der nächsten Landtagswahl hervor oder nicht."
Der Aufruf wurde bisher von 14 Personen unterschrieben, unter ihnen auch die früheren Oberbürgermeister Paul Wengert (Augsburg) und Ulrich Maly (Nürnberg). Mit dem Aufruf, so hieß es bei der Pressekonferenz, sei es aber nicht getan. Man werde sich auch aktiv in den Wahlkampf einmischen.