Vordergründig geht es nur um die Frage, ob den Freien Wählern in der nächsten Landesregierung ein vierter Ministerposten zusteht oder nicht. Doch hinter den Kulissen hat sich offenbar auf beiden Seiten der "Bayern-Koalition" einiges aufgestaut. Nur einen Tag nach der Landtagswahl beharken sich CSU und Freie Wähler ungewöhnlich heftig. Dabei wird klar: Die CSU hat die Flugblatt-Affäre von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger noch lange nicht abgehakt. Dieser wiederum strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Der Ton gewinnt noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen an Schärfe.
CSU-Ehrenvorsitzender Waigel: Wirtschaft nicht Aiwanger überlassen
Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel kündigte im Interview mit unserer Redaktion an, man werde Aiwanger nicht mehr alles durchgehen lassen: "Die CSU wird ihm klipp und klar erklären, wo die Grenzen politischen Handelns liegen und dass es Tabus gibt – im Ton und im Stil." Daran werde sich der Koalitionspartner halten müssen. "Wenn er das nicht tut, dann wird eine Zusammenarbeit sehr, sehr schwierig werden", warnte Waigel.
Der frühere Bundesfinanzminister geht davon aus, dass Ministerpräsident Markus Söder und auch der designierte neue Fraktionschef Klaus Holetschek in den kommenden Tagen klare Kante zeigen werden. "Die CSU wird sich von Hubert Aiwanger und den Freien Wählern ganz sicher nicht erpressen lassen", betonte Waigel. Von seiner eigenen Partei erwartet er, dass sie die großen Themen wieder stärker besetzen müsse. Die Freien Wähler dürften nicht länger im Revier der CSU wildern. Die Wirtschaft etwa könne man "nicht allein einem Mann wie Hubert Aiwanger überlassen", sagte Waigel.
Söder warnt: Freie Wähler sollten sich nicht selbst überschätzen
Söder warnte am Montag seinen Regierungspartner, keine Selbstüberschätzung zu betreiben und die Größenverhältnisse zu realisieren. Der CSU-Chef ließ durchblicken, dass er mit dem Stil des Freien-Wähler-Vorsitzenden im Wahlkampf nicht immer einverstanden war. Die CSU wolle "die bisherige bürgerliche Arbeit fortsetzen. Aber Achtung, seriös", sagte Söder und ermahnte Hubert Aiwanger und dessen Partei zur Zurückhaltung, was die Forderung nach einem vierten Ministerium angeht. Rechnerisch gesehen sei es so, dass den Freien Wählern kein weiterer Posten im Kabinett zustehe.
Klar ist aber auch: Während die CSU leicht verlor, legte der Koalitionspartner mehr als vier Prozentpunkte zu. Mit diesem Ergebnis im Rücken bekräftigte Aiwanger die Ambitionen auf mehr Macht in der künftigen Regierung. "Wenn man die Wahlergebnisse anschaut, glaube ich, dass jeder sich ausrechnen kann, wie viele Ministerien uns zustehen", sagte Aiwanger. Das könne "jeder Grundschüler ausrechnen".
Hubert Aiwanger: CSU soll nicht so "mädchenhaft" sein
Bislang führte der kleinere Koalitionspartner das Wirtschafts-, das Kultus- und das Umweltministerium. Fraktionschef Florian Streibl brachte nun konkret das Landwirtschaftsministerium als weitere Option für seine Partei ins Spiel. Aiwanger warnte die CSU vor einer Abgrenzung von seiner Partei. Und der Niederbayer legte sogar noch mit einem süffisanten Rat an den Regierungspartner nach: "Ich würde der CSU empfehlen, jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten."
Die Stimmung in der CSU ist recht eindeutig. Mehrere Spitzenleute der Partei drängen auf eine schärfere Auseinandersetzung mit den Freien Wählern, nicht zuletzt nach Aiwangers Flugblatt-Affäre und seiner umstrittenen Erdinger Rede, in der er sich rechtspopulistischer Phrasen bediente. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel betonte, die Schonzeit sei nun vorbei. "Die Freien Wähler mögen in Bayern unsere Partner sein, bei der Europawahl oder der Bundestagswahl sind sie unsere Gegner. Jede Stimme für sie ist eine verlorene, eine verschenkte Stimme, denn in Berlin oder Brüssel haben sie nichts zu melden."
CSU-Vize Weber kritisiert Söders Wahlkampfstil
Generalsekretär Martin Huber betonte zwar, seine Partei wolle die bürgerliche Koalition fortsetzen, klar sei aber auch: "Die CSU ist die prägende Kraft und der Ministerpräsident hat die Richtlinienkompetenz. Jetzt geht es zuerst um Inhalte, dann um Positionen."
Kritik am Wahlkampfstil von Parteichef Söder kam von CSU-Vize Manfred Weber. Der Europapolitiker bemängelte gegenüber unserer Redaktion, dass Söder den Wahlkampf als One-Man-Show inszeniert habe: „CSU heißt Team und das müssen wir in der Öffentlichkeit wieder stärker verkörpern“, sagte Weber, "als CSU müssen wir die gesamte Bandbreite einer Volkspartei abdecken. Das Wahlergebnis macht dies sehr deutlich."
Das nicht gerade harmonische Bündnis von CSU und Freien Wählern bekommt es im neuen Landtag mit einer kraftstrotzenden AfD zu tun. Nach den deutlichen Zugewinnen kündigte deren Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner eine angriffslustige, aber sachliche Oppositionspolitik an. Ebner-Steiners Co-Spitzenkandidat Martin Böhm forderte den Posten eines Landtags-Vizepräsidenten für seine Partei.