Der Vergleich mit Hessen ist an diesem Wahlabend bestimmt nicht das größte Problem des Markus Söder und der CSU. Dennoch lohnt ein Blick von München nach Wiesbaden. Während die CSU in Bayern auf historisch niedrigem Niveau stagniert, fährt die CDU in Hessen ein Plus von beinahe acht Prozent ein.
Die unverschuldete Flugblatt-Affäre und das wieder aufflammende Thema Migration – Söder fallen bestimmt viele Gründe ein, warum das Wahlergebnis mal wieder deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Dennoch führt kein Weg daran vorbei: Diese Landtagswahl ist die dritte große Wahl, bei der Söder für seine CSU nicht punkten konnte.
Mit seinem Solo-Wahlkampf verengte Markus Söder die CSU auf eine Person – sich
Dabei hat sich die CSU jahrzehntelang als eine Art bessere CDU verstanden. Tiefer verwurzelt in Stadt und Land, schlagkräftiger im Wahlkampf, erfolgreicher an der Wahlurne. Dieses penetrant vorgetragene Selbstbild war immer etwas zu schön, um wahr zu sein. Ganz falsch aber war es nicht.
Damit ist nun Schluss, und zwar nicht nur wegen des Vergleichs mit Hessen, der die Gewichte in der Union verschieben wird. Die CSU trifft das Lebensgefühl der Menschen längst nicht mehr traumwandlerisch wie einst. Der Kampf gegen Gender-Windmühlen, das Gekeife gegen die Grünen, dazu ein bisschen „Sommer, Sonne, CSU“ – zeitweise ging Söders Wahlkampf in fast schon grotesker Weise an den Sorgen der Bürgerinnen und Bürger vorbei, die bezahlbare Wohnungen suchen, sichere Jobs und Antworten auf die Frage, wie sich die Migration begrenzen lässt.
Sicher, überall in Europa schwindet die Bindekraft der Volksparteien, für die Zersplitterung der Gesellschaft kann Söder nichts. Doch mit seiner Solo-Show im Wahlkampf verstärkte er das Problem und verengte die Volkspartei CSU auf eine Person. Statt ein Team mit Themen zu verknüpfen, war von der Wirtschaft über den Wohnungsbau bis zur Windkraft nur einer zuständig – der Ministerpräsident selbst. Doch Söder allein reicht nicht.
Das Erstarken der AfD in Bayern ist nicht nur ein Problem für die CSU, sondern für die Demokratie insgesamt
Die zweite Niederlage des Abends ist weit schlimmer, sie betrifft unser demokratisches System als solches. Weder CSU noch Freie Wähler fanden ein Rezept gegen Rechtsaußen. Im Gegenteil: Trotz der Franz-Josef-Strauß-Doktrin, wonach es rechts neben der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, tummeln sich in Bayern dort nun so viele Wähler wie sonst nirgends in der alten Bundesrepublik. Die auch durch die Affäre um das antisemitische Flugblatt in Aiwangers Schulranzen ausgelöste Verschiebung in der öffentlichen Debatte nach rechts, schlägt sich nun im Wahlergebnis nieder.
Dabei hat Söder, das muss man ihm zugesehen, nichts unversucht gelassen. Nachdem das Anbiedern bei ganz Rechts („Asyltourismus“) 2018 nicht verfangen hatte, schlüpfte er dieses Mal in die (ungewohnte) Robe des Staatsmannes. Und wieder ging es schief. Auch Hubert Aiwanger muss sich fragen lassen, ob er mit Auftritten wie in Erding („die Demokratie wieder zurückholen“) nicht in Wahrheit das Geschäft der AfD betreibt.
All das ist nicht nur ein Problem für die CSU, sondern für unsere Demokratie insgesamt. Volksparteien wie die CSU sind, bei allen Fehlern, ein Schatz, den es zu hüten gilt. Sie gleichen widerstreitende Interessen im Inneren aus und erleichtern so die spätere Kompromisssuche mit ihren politischen Wettbewerbern. Nie war das wichtiger als heute.
„Ich will die Klammer sein, die das Land zusammenhält“, hatte Söder im Interview mit unserer Redaktion zuletzt gesagt. Ob es wirklich Söder persönlich dafür braucht, Bayern zusammenzuhalten, das wird die CSU in den nächsten Wochen und Monaten schon klären. Für die CSU als Partei aber gilt das mehr denn je.
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