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Landtagswahl 2023: Was bedeutet das CSU-Ergebnis für Markus Söder, Herr Professor Oberreuter?

Landtagswahl 2023

Was bedeutet das CSU-Ergebnis für Markus Söder, Herr Professor Oberreuter?

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    Wahlsieger Markus Söder (CSU) wird in München gefeiert.
    Wahlsieger Markus Söder (CSU) wird in München gefeiert. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Herr Professor Oberreuter, Sie begleiten seit Jahrzehnten die bayerische Landespolitik und gelten als einer der besten Kenner der CSU. Wie bewerten Sie das Wahlergebnis der Partei von Ministerpräsident Markus Söder?
    HEINRICH OBERREUTER: Das CSU-Ergebnis entspricht der Stimmung, die in den vergangenen Wochen gemessen worden ist. Zum einen herrschen in Teilen der Bevölkerung viel Unmut und Kritik. Es ist bemerkenswert, dass die einzigen Parteien, die in Bayern stark zulegen konnten, die Freien Wähler und die AfD sind. Auf der anderen Seite spiegelt das Ergebnis einen langfristigen Trend – die Krise des Systems der Volksparteien. Ergebnisse von 40 Prozent sind kaum noch erreichbar. Ich denke deshalb, dass Markus Söder und seine Partei bei diesem Ergebnis noch einigermaßen dankbar sind, dass es aus CSU-Sicht nicht noch weiter runtergegangen ist.

    Was bedeutet das Ergebnis für CSU-Chef Markus Söder?
    OBERREUTER: Gestärkt ist er sicher nicht: Falls er sich für Berlin in Sachen Kanzlerkandidatur Hoffnungen gemacht haben sollte, kann er sie sich abschminken. Aber er sagt ja, dass er diese Idee gar nicht hat. Er wird sich als Verdienst anrechnen, dass die Koalition mit den Freien Wählern bestätigt wurde.

    Manche in der CSU spotten, dass Söder froh sein kann, dass es keinen zweiten jungen Söder gibt, der nach seinem Amt trachtet. Wie unumstritten ist er?
    OBERREUTER: Markus Söder droht da keine Gefahr: Er hat alle Führungsämter in seiner Partei mit seinen Gefolgsleuten besetzt und wird das auch mit der Fraktion tun. Es gibt zwar profilierte Namen, die immer wieder als mögliche Nachfolger genannt werden, wie beispielsweise Ilse Aigner, aber das sind allesamt keine Revolutionäre. Söder kann also in aller Ruhe das Ergebnis verkraften, weiterregieren, sich für Erfolge im Amt feiern und abwarten, bis sich die Lage beruhigt hat.

    Was heißt das Ergebnis für die Stellung der CSU, die jahrzehntelang den Mythos der letzten großen Volkspartei vor sich hergetragen hat?
    OBERREUTER: Der Anspruch Volkspartei basiert nicht auf absoluten Mehrheiten. Im Grunde hat der langsame Abwärtstrend der CSU schon zu Zeiten von Franz Josef Strauß eingesetzt. Nur unter Edmund Stoiber konnte die Partei das Ruder noch einmal rumreißen und nach dessen gescheiterter Kanzlerkandidatur sogar die 60-Prozent-Latte überschreiten. In Zeiten, in denen das Parteiensystem überall in Europa noch vielfältiger und kleinteiliger werden wird, bleibt der CSU als Alleinstellungsmerkmal, dass sie als Partei regionaler Interessen und überregionalem Anspruch in der Bundesrepublik eine einmalige Rolle innehat.

    Ein Sonderfall in Bayern sind nun auch die Freien Wähler. Wie erklären Sie sich den Erfolg unabhängig der Debatten der vergangenen Wochen um Parteichef Hubert Aiwanger?
    OBERREUTER: Man hat in Bayern immer gesagt, die Freien Wähler sind Fleisch vom Fleische der CSU und das stimmt auch. Der Erfolg der Freien Wähler beruht darauf, dass sie sich seit jeher sehr klar auf die Alltagssorgen und die Probleme des Mittelstands konzentrieren und für sich in Anspruch nehmen, für die „normalen Menschen“ zu sprechen. Den Freien Wählern nutzt im Augenblick, dass gerade in dem Teil der Bevölkerung, dem sie nahestehen, eine vielfältige Verunsicherung bis zu Existenzängsten vorherrscht. Auch die AfD profitiert von der Verunsicherung der Menschen.

    Aber warum tut sich die CSU schwer, eine Strategie gegen die Freien Wähler zu finden?
    OBERREUTER: Die Freien Wähler hätten sich auch ohne die Aiwanger-Affäre über der Zehn-Prozent-Grenze etabliert, weil sie in ihrer Politik alltagsnahe Schwerpunkte gesetzt haben. Das Wahlergebnis zeigt deutlich, dass alle Parteien verlieren oder stagnieren, die nicht die Alltagssorgen der Menschen zum Thema machen und Probleme definieren, geschweige denn Problemlösungen anbieten. Für die CSU wird zudem zum Nachteil, was stets ihr Erfolgsmodell war: Sie hat sich immer die bundespolitische Verantwortung auf die Fahne geschrieben und wollte als Bundespartei wahrgenommen werden. Jetzt schlägt ihr der Unmut über die Berliner Parteien mit entgegen.

    Heinrich Oberreuter, ehemaliger Direktor der Akademie für Politische Bildung Tutzing.
    Heinrich Oberreuter, ehemaliger Direktor der Akademie für Politische Bildung Tutzing. Foto: Andreas Gebert, dpa

    Im Wahlkampf ging es kaum um Inhalte. Auch die CSU hatte nur ein dünnes Wahlprogramm, wo eigentlich nur dick „Weiter so“ drin stand ...
    OBERREUTER: Inhaltsleere Wahlkämpfe sind immer eine schlechte Strategie. Die Demokratie lebt davon, dass Parteien erklären, wie die Lage ist und wo es hingehen soll. Gerade in den heutigen Zeiten tiefgreifender Veränderungen bedarf es politischer Führung und konsequenter Politik-Vermittlung an das Volk. Doch genau das fehlt in letzter Zeit. Wir erleben eine Führung der Widersprüchlichkeiten, keine Erklärungen und Entscheidungen, die immer wieder revidiert werden. All dies zeigte sich insbesondere beim Heizungsgesetz. Es wäre dringend nötig, wenn die Parteien sich inhaltlich gut aufgestellt an die Bevölkerung wenden. Und sich dabei auch mit den Extremisten auseinanderzusetzen, die zwar Unmut populär aufgreifen, aber keinerlei Lösungsvorschläge anzubieten haben. Diese Auseinandersetzung gewinnt man nur mit Argumenten und mit Erklärungen, selbst wenn es kompliziert wird.

    Was bedeutet die Wahl für die Ampel-Parteien?
    OBERREUTER: FDP-Chef Christian Lindner erlebt gerade die Bestätigung seiner Aussage: „Es ist besser nicht zu regieren, als schlecht zu regieren.“ Die Menschen honorieren es nicht, wenn man in einer Regierung die meiste Opposition ausübt. Die Grünen spüren Gegenwind: Die Menschen mögen es nicht, wenn idealistische Politik an ihre soziale Substanz geht. Und die SPD, die sich einst als Arbeiterpartei um die kleinen Leute gekümmert hat, entwickelt sich - übertrieben gesagt - zu einem links-intellektuellen Forum. Die Wahlen in Bayern und Hessen machen das Regieren in Berlin noch ungemütlicher. 

    Zur Person

    Heinrich Oberreuter: Der 81-jährige Passauer Politikprofessor war 18 Jahre lang Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

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