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Landtagswahl 2023 - CSU-Analyse: Söder trotz Stimmenverlust zufrieden

Landtagswahl 2023

Bereit für den nächsten Akt? Söder gibt sich zufrieden – andere sind kritischer

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    Markus Söder (CSU), sagt nach den ersten Hochrechnungen: "Bayern bleibt Bayern, auch wenn die Welt langsam verrückt wird."
    Markus Söder (CSU), sagt nach den ersten Hochrechnungen: "Bayern bleibt Bayern, auch wenn die Welt langsam verrückt wird." Foto: Peter Kneffel, dpa

    Vorfreude sieht anders aus. Als sich gegen 17.15 Uhr die ersten CSU-Frauen und -Männer im Konferenzsaal des Landtags einfinden, herrscht nicht gerade Partystimmung. Der Flurfunk hatte bereits Zahlen gemeldet, die beides – Zugewinne wie neuerliche Verluste – möglich erscheinen ließen. Irgendwo zwischen 35 und 39 Prozent werde die CSU am Ende liegen, hieß es unter Berufung auf Meinungsforscher. 39? Diese Zahl ließ hoffen. 35? Diese Zahl verbreitete einen doppelten Schrecken. Erstens wäre das Ergebnis noch einmal deutlicher schlechter als das Ergebnis der Landtagswahl 2018. Zweitens könnte es sein, dass am Ende sogar Boris Rhein, Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat in Hessen, besser abschneiden könnte als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder – und das wäre dann eine weitere, bundesweit sichtbare Schwächung der einst so selbstbewussten CSU.

    Entsprechend erleichtert sind die CSU-Parteigänger im Saal, als von den Bildschirmen die erste Prognose verkündet wird. Jubel allerdings brandet nicht auf. Auch ein Ergebnis um die 37 Prozent lässt sich beim besten Willen nicht als grandioser Wahlsieg verkaufen. Die Freude darüber, dass es die FDP nicht mehr in den Landtag geschafft hat, ist kurioserweise hörbar größer als der Applaus für das CSU-Ergebnis – insbesondere in der Ecke, in der sich die Mitglieder der Jungen Union gesammelt hatten. Es ist die Freude darüber, dass die Liberalen eine Quittung für die Berliner Regierungsarbeit erhalten haben, die sie aus Sicht der JU-ler auch verdient haben. 

    Durch die Decke geht die Stimmung erst, als Söder gegen 19 Uhr den Saal betritt. Der Parteichef, der sein Direktmandat in Nürnberg mit 41,5 Prozent der Erststimmen gewinnt, spricht von einem langen aufreibenden Wahlkampf, von turbulenten Ereignissen und betont, dass die Wählerinnen und Wähler sich für Stabilität entschieden hätten und die CSU die Wahl klar gewonnen habe. Ihm sei es nie um einen „Schönheitspreis“ gegangen, und die Wahl 2023 sei nicht zu vergleichen mit einer Wahl vor 20 Jahren, als es in Bayern weder eine AfD noch Freie Wähler gab. Söders Schlussbotschaft an seine Gefolgschaft lautet: „Bayern bleibt Bayern, auch wenn die Welt langsam verrückt wird.“

    Im Wahlkampf setzt Söder auf Ampelschelte – einige Menschen in der CSU sehen das kritisch

    Die Ausgangslage für den CSU-Vorsitzenden war kurz vor dem Wahltag alles andere als rosig. Seine Entscheidungen zu Jahresbeginn wirkten nach – und zwar ganz anders, als er sich das wohl vorgestellt hat. Söder hatte sich über den Jahreswechsel auf eine denkbar einfache Strategie festgelegt: Auf das „Chaos“ in Berlin und die Bundesregierung zu schimpfen und gleichzeitig das „starke und stabile“ Bayern und die Leistungen der Staatsregierung in den höchsten Tönen zu preisen. Mehr sei nicht nötig, sagte er seinen Landtagsabgeordneten schon bei der Klausurtagung im Januar im oberfränkischen Kloster Banz. Die Umfragen schienen ihm zunächst Recht zu geben.

    Schon bald aber wurden von kritischen Köpfen innerhalb der CSU erste Bedenken angemeldet, dass ein einfaches „Weiter so“ sehr wahrscheinlich zu wenig sein wird, um Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. „Wer eine Wahl gewinnen will, der braucht zwei oder drei neue, zukunftsgerichtete Projekte, die die Leute überzeugen“, sagten nahezu wortgleich mehrere Mitglieder des Parteivorstands schon im Frühjahr in Gesprächen mit unserer Redaktion. Dass sie das irgendwann im Lauf des Jahres mit Nachdruck auch in den Sitzungen des Parteivorstands gesagt hätten, ist nicht dokumentiert. Offen zitieren lassen wollten sie sich damit, um Streit zu vermeiden, jedenfalls nicht.

    Am Wahlabend deutet nichts darauf hin, dass es in den nächsten Tagen eine Debatte über Söders Wahlkampfstrategie oder über seinen Führungsstil geben könnte. Das Ergebnis ist nicht gut genug, um die Kritiker zu widerlegen, und nicht schlecht genug, um sie zu bestätigen. Dementsprechend fallen auch die ersten Reaktionen aus. Führende Köpfe in der Partei geben sich demonstrativ zufrieden, beziehen aber auch klar Stellung zu den Freien Wählern und zur AfD. Ex-Parteichef Erwin Huber sagt: „Die CSU und Söder sind bestätigt. Damit kann der stabile Erfolgsweg Bayerns fortgesetzt werden.“ Für die Ampelparteien in Berlin sei das Ergebnis nicht nur ein Denkzettel, sondern ein „Desaster“. Die Zugewinne der AfD nennt Huber „erschreckend“. Und auch zu Aiwanger hat er eine ziemlich klaren Meinung: „In der neuen Bayern-Koalition wird der Übermut Aiwangers gebremst werden müssen.“ Noch deutlicher formuliert es der Vorsitzende der Jungen Union in Bayern, Christian Doleschal: „Der Welpenschutz ist vorbei. Wir werden uns als Junge Union die Leistungsbilanz der Freien Wähler sehr genau anschauen.“

    Finanzminister Albert Füracker, CSU-Bezirksvorsitzender in der Oberpfalz, spricht von einem „sehr, sehr ordentlichen Ergebnis für die CSU“. Seine Partei habe einen „klaren Regierungsauftrag“. Dass die CSU nicht noch besser abgeschnitten habe, liege an dem „Sondereffekt“ von Aiwangers Flugblatt-Affäre. „Da ist sehr viel Vertrauen zerstört worden. Das muss von Herrn Aiwanger wieder hergestellt werden“, sagt Füracker. 

    Klaus Holetschek über die Freien Wählern: Sie haben wegen der Affäre zugelegt und nicht wegen besonderer Akzente

    Ähnlich äußert sich auch der schwäbische CSU-Bezirksvorsitzende, Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Im Zusammenhang mit der Affäre um Aiwanger „müssen wir schon noch einiges aufarbeiten“, sagt Holetschek. Die Freien Wähler hätten durch den Sondereffekt der Affäre zugelegt und nicht deshalb, weil sie in der Landespolitik besondere Akzente gesetzt hätten. Vor allem sollten sie damit aufhören, Stadt und Land auseinander zu dividieren. Das größte Problem allerdings sieht auch Holetschek im Ergebnis der AfD. „Da werden wir stärker darauf reagieren müssen als bisher.“

    Innenminister Joachim Herrmann, CSU-Bezirkschef in Mittelfranken, bestätigt das. Ihm bereite, wie er sagt, das Wahlergebnis der AfD besondere Sorgen. Die Wählerinnen und Wähler der AfD hätten die Partei vielfach aus Protest gewählt. „Die AfD-Funktionäre aber wollen einen anderen Staat.“ Das müsse man den Menschen in Bayern in Zukunft noch viel mehr klar machen. Der Allgäuer CSU-Politiker Thomas Kreuzer, der die vergangenen zehn Jahre die Fraktion im Landtag führte und bei dieser Wahl nicht mehr antrat, fordert, was er schon die ganzen Jahre über immer wieder gefordert hat: „Die CSU muss sich um die Lösung der Probleme kümmern, die die Menschen bewegen.“ Dazu gehöre es, die „Asylsituation in den Griff zu bekommen“ und Antworten zu finden auf die „Unzufriedenheit der Bürger mit dem überbordenden Bürokratismus.“

    Der Bezirksvorsitzende der Münchner CSU, Justizminister Georg Eisenreich, deutet das Wahlergebnis in Bayern als klares Signal an die Dreierkoalition im Bund: „Die Ampelparteien sind abgestraft worden, SPD und FDP in besonderer Weise, und das auch zu Recht.“ Den Freien Wählern in Bayern sagt er voraus, dass für sie „die Bäume auch nicht in den Himmel wachsen werden“.

    Nach der Wahl will Söder analysieren, warum die AfD und die Freien Wähler so stark geworden sind

    Leicht selbstkritische Töne gibt es an diesem Abend aus der CSU allerdings auch zu hören. Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Vorsitzende des mitgliederstärksten Bezirks Oberbayern, sagt: „Wir sind mit Abstand stärkste Partei und haben einen klaren Regierungsauftrag. Aber wir müssen uns auch eingestehen, dass wir nach jetzigem Stand erneut Stimmen verloren haben. Ich bin enttäuscht, dass wir unser Potenzial nicht ausschöpfen konnten – obwohl wir alle, auch und vor allem der Parteivorsitzende, gekämpft haben. Wir müssen genau und ehrlich analysieren, warum es so gelaufen ist.“

    Ins selbe Horn stößt der Vorsitzende des CSU-Bezirks Augsburg, der Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich. Zwar sieht auch er in dem Ergebnis die Bestätigung erfolgreicher Regierungsarbeit, einen Auftrag zur Regierungsbildung an Markus Söder und eine klare Absage an die Ampel, die in Bayern wie Hessen deutlich verloren habe. Er sagt aber auch: „Dass die CSU nicht stärker von der Unzufriedenheit mit der Ampel profitieren konnte und Zuwächse nur bei AfD und Freien Wählern anfallen, muss analysiert werden. Zufrieden dürfen wir damit nicht sein. Ungeachtet einer möglichen Koalition mit den Freien Wählern müssen wir diese im Hinblick auf deren bundespolitische Ambitionen klar stellen.“ Das Ergebnis der AfD müsse alle Demokraten alarmieren. „Das ist eine Frage für unsere Demokratie. Wir brauchen Lösungen für die drängenden Probleme. Hier muss die Ampel liefern. Wir bieten hier unsere Zusammenarbeit an“, sagt Ullrich. Wissenschaftsminister Markus Blume gibt ihm Recht. Das AfD-Ergebnis sei ein „finaler Warnschuss“ an die Adresse der Bundesregierung. „Das kann keinen Demokraten unberührt lassen.“

    Aus der schwäbischen CSU melden sich an diesem Abend noch andere Politiker zu Wort. Der Kreisvorsitzende in Lindau, Ulrich Pfanner, sagt, er sei mit dem CSU-Wahlergebnis „nicht ganz zufrieden“. Er hätte sich etwas mehr erwartet. Das starke Ergebnis der AfD sei besonders erschreckend.

    Der frühere Bauminister und Günzburger Landrat Hans Reichhart geht mit seiner Partei nicht so sehr ins Gericht. Man dürfe nicht vergessen, dass dieser Wahlkampf für die CSU einer der schwierigsten in jüngster Zeit gewesen sei. „Wenn man die Gesamtumstände betrachtet, ist es sogar ein ganz gutes Ergebnis“, sagt Reichhart. Für die Zukunft wünscht er sich eine etwas härtere Gangart gegenüber den Freien Wählern. „Wir müssen jetzt viel stärker die Unterschiede aufzeigen und verlangen, dass jeder in dem Politikfeld, in dem er zuständig ist, auch liefern muss.“ Das sollte nach Auffassung Reichharts vor allem für den Wirtschaftsminister gelten. „Aiwanger hat sich in den vergangen fünf Jahren mit vielen Dingen befasst, aber nur wenig mit der Wirtschaft.“ Darauf müsse konkret hingewiesen werden. „Es muss sichtbar werden“, so Reichhart, „wir sind die CSU und die sind die Freien Wähler.“ 

    Bereits Anfang dieser Woche sollen entscheidende Weichen gestellt werden. Bereits an diesem Montag trifft sich der Parteivorstand zu einer ersten Bestandsaufnahme. Und schon am Dienstag tritt im Landtag die neu gewählte Fraktion zusammen, um sich zu konstituieren und einen neuen Chef zu wählen. Topfavorit für dieses Amt ist, wie berichtet, der Schwabe Klaus Holetschek.

    Hören Sie dazu auch die neue Folge unseres Newspodcasts.

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