An Selbstbewusstsein fehlt es Florian von Brunn sicher nicht. "15 Prozent plus X" hatte der Spitzenmann der Bayern-SPD Anfang des Jahres vollmundig als Ziel für die Landtagswahl ausgegeben. Mutig könnte man es nennen, dass der Chef einer Partei, die bei der letzten Bayern-Wahl auf magere 9,7 Prozent gekommen war, ein eigenes "Regierungsprogramm" vorlegte. Und das, obwohl seine Partei in aktuellen Umfragen irgendwo zwischen acht und zehn Prozent herumdümpelt.
"Ich bin voll und ganz Optimist", sagt Florian von Brunn dennoch immer wieder – was keine schlechte Eigenschaft ist, wenn man im Freistaat die Sozialdemokraten anführt. Zudem verweist der 54-jährige Münchner gerne auf den Bundestagswahlkampf vor zwei Jahren. Auch da habe die SPD lange Zeit schwach dagestanden – und am Ende sei Olaf Scholz trotzdem Bundeskanzler gewesen.
Falls eine Koalition von CSU und Freien Wählern doch noch scheitern sollte, von Brunn stünde bereit
Natürlich hinkt der Vergleich, schließlich weiß Florian von Brunn genau, dass er nach dem 8. Oktober nicht an der Regierungsspitze stehen, dass er nicht Bayerns Ministerpräsident werden wird. Ein schmales Fenster zur Macht glaubt man in der Bayern-SPD-Zentrale am Münchner Oberanger gleichwohl entdeckt zu haben: Falls eine Koalition von CSU und Freien Wählern doch noch am zerrütteten Verhältnis zwischen Markus Söder und Hubert Aiwanger scheitern sollte, stünde von Brunn als Alternative bereit. Schon vor Söders Entschluss, Aiwanger trotz der "Flugblatt-Affäre" in der Regierung zu halten, hatte er dem Ministerpräsidenten ungefragt angeboten, im Falle eines Platzens der schwarz-orangen Bayern-Koalition mit seiner kleinen SPD-Mannschaft im Landtag eine CSU-Minderheitsregierung übergangsweise zu tolerieren.
Florian von Brunns Vergleich mit Scholz hinkt allerdings auch deshalb, weil Scholz bei der Bundestagswahl als bekannter Vize-Kanzler punkten konnte. Von Brunn dagegen ist in Bayern nach wie vor recht unbekannt. Bei einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks im Mai konnten gerade einmal 42 Prozent der Befragten mit seinem Namen etwas anfangen.
Florian von Brunn ist es bislang nicht gelungen, Söder hin und wieder in Bedrängnis zu bringen
Wenn Markus Söder deshalb gelegentlich über "Florian von Dings" spöttelt und selbstbewusst behauptet, er habe in Bayerns Politik keine echten Gegner, dann trifft dies beim SPD-Chef einen wunden Punkt. Zu dem sich hinzugesellt, dass die dauer-streitende Berliner Ampel die Bayern-SPD ebenfalls nicht beflügelt.
Florian von Brunn selbst ist es bislang nicht gelungen, Söder in Bayern wenigstens hin und wieder politisch in Bedrängnis zu bringen. Dabei bietet die CSU mit einem landespolitisch anspruchslosen "Weiter so"-Wahlkampf durchaus Angriffsflächen: Bezahlbare Wohnungen fehlen trotz Söders "Bayernheim", nach CSU-Blockaden beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze drohen im Freistaat höhere Stromkosten. In der Sozialpolitik fehlt es der CSU an Profil. Dazu die Corona-Maskenaffäre, Andreas Scheuers Maut-Desaster oder teure Probleme der Söder-Regierung beim Ausbau der Münchner S-Bahn oder beim Nürnberger Zukunftsmuseum.
Es gibt Vorlagen, von Brunn kann sie nicht verwandeln – und dringt im Wahlkampf mit landespolitischen Themen kaum durch. "Machen statt Södern", lautet hier einer seiner Slogans. Weil aber in der politischen Mitte offensichtlich das Zutrauen fehlt, dass es die Bayern-SPD tatsächlich besser machen könnte, zündet auch diese Botschaft nicht. Auch nicht, dass er im Landtag in den vergangenen fünf Jahren immer wieder mit schrillen Tönen aufgefallen ist – nicht zuletzt in Richtung der CSU.
Niemand im Landtag hat Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger schärfer attackiert
So der Blick von außen. Probleme hat von Brunn aber auch innerhalb der Landtags-SPD, in der er nicht gerade als Team-Spieler gilt. Erst seit 2013 im Landtag brauchte der studierte Historiker und frühere IT-Berater nach dem SPD-Wahldebakel 2018 mehrere Anläufe, um an die Fraktionsspitze zu kommen. Zimperlich war von Brunn nicht und drängte selbst altgediente Leistungsträger der Landtags-SPD recht rüde auf die politische Ersatzbank. Überdies stieß sein internes Krisenmanagement auf Kritik – etwa, als er im Januar 2023 internen Ärger zwischen den Jusos und dem umtriebigen SPD-Generalsekretär Arif Tasdelen nicht geräuschlos klären konnte. Tasdelen trat schließlich entnervt zurück.
Im Wahlkampf-Endspurt setzt von Brunn nun vor allem auf die Rolle der SPD als "Brandmauer gegen Rechtspopulismus". In der Tat hat niemand im Landtag Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger schärfer attackiert: Aiwanger sei ein "gefährlicher rechter Demagoge", befand er. Mit Blick auf den Wahltermin hofft er, dass die SPD auf der Zielgeraden zulegen kann. Rechnerisch würde es wohl für eine Mehrheit mit der CSU reichen. Dass das nicht sehr wahrscheinlich ist, ficht ihn nicht an: "Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen", beteuert er.