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Landtagswahl 2023 - Analyse: Freie Wähler fühlen sich stark wie nie

Landtagswahl 2023

Die Freien Wähler fühlen sich stark wie noch nie

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    Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, sagt nach den ersten Hochrechnungen: „Wir haben ein wunderbares Ergebnis.“
    Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, sagt nach den ersten Hochrechnungen: „Wir haben ein wunderbares Ergebnis.“ Foto: Ralf Lienert

    An diesem windigen Wahlsonntag ist in der kleinen Eisdiele „Top Gelato“ einiges los. Die Menschen sitzen in warmen Outdoorjacken draußen vor dem Laden, löffeln Eis und plaudern darüber, wie die ganze Sache nun wohl ausgehen wird. Für die Freien Wähler und vor allem für Hubert Aiwanger – den Lokalmatador. Denn hier, im niederbayerischen Rottenburg an der Laaber, einem kleinen Städtchen zwischen Wiesen und Wäldern und Hopfenstangen, ist der Freie-Wähler-Chef zu Hause. Und hier haben die Menschen eben eine ganz besondere Beziehung zu dem Mann, der seit Wochen die Schlagzeilen dominiert. 

    „Der kommt aus unserer Gegend, viele Leute mögen ihn“, sagt ein älterer Herr, Schildmütze, dunkler Pullover, der auf einem Bänkchen vor der Eisdiele sitzt. Seinen Namen will er lieber nicht nennen, dafür sei das Thema Aiwanger, das in den vergangenen Wochen dermaßen hochkochte, zu brisant, meint er. „Wissen Sie, was wir an ihm schätzen? Dass er einfach immer seine Meinung sagt.“ Seine Frau neben ihm nickt, dann sagt sie: „Aiwanger hatte doch recht, als er von einer Hetzjagd auf ihn gesprochen hat.“ Sie spielt damit auf die Flugblatt-Affäre an. „Ich glaube aber nicht, dass das ihm oder der Partei geschadet hat.“

    Landtagswahl 2023: Bei den Freien Wählern hätten manche mehr erwartet

    Dass sie damit recht behalten sollte, zeigt sich rund vier Stunden später, als die ersten Hochrechnungen veröffentlicht werden und im Münchner Landtag in einem kleinen Sitzungssaal im ersten Stock Jubel ausbricht. Aber nur kurz. Die meisten der vorab verteilten Papierfähnchen mit FW-Logo bleiben unbenutzt in den Gläsern stecken. 14 Prozent steht da auf dem Bildschirm. So viel wie noch nie.

    Hören Sie dazu auch die neue Folge unseres Newspodcasts.

    Dennoch hätte sich mancher mehr erwartet, und die Allgäuerin Ulrike Müller räumt das auch ein. „Ich hoffe, dass wir noch zulegen“, sagt sie schon nach der ersten Prognose um 18 Uhr und sollte damit recht behalten. Vor allem, dass die AfD vor den Freien Wählern liegt, schmerzt die Europaabgeordnete, die nun wieder in den Landtag zurückkehren soll. Müller betont aber, dass den FW ein „Top-Ergebnis“ gelungen sei.

    Hubert Aiwanger nach Landtagswahl in Bayern: „Wir haben ein wunderbares Ergebnis“

    So verkündet es wenig später auch Parteichef Hubert Aiwanger seinen Anhängern. „Wir haben ein wunderbares Ergebnis“, mit dem er „rundherum glücklich“ sei. Seiner Partei sei es trotz schwieriger Bedingungen gelungen, in der Wählergunst zuzulegen, weil sie sich als „Dienstleister am Bürger“ verstehe. Aiwanger macht klar, dass er die Koalition mit der CSU fortsetzen will, über Posten will er aber nicht sprechen. „Wer nach der Wahl was sein wird, das können wir nicht heute beantworten.“ Im Fernsehen hatte Aiwanger aber bereits gesagt, er wolle Wirtschaftsminister bleiben. 

    Fraktionschef Florian Streibl stellt in der Stunde des besten Wahlergebnisses in der Geschichte der Partei Aiwangers persönlichen Anteil heraus. Es sei ein schwieriger Wahlkampf gewesen. Nach diesem wollten die Freien Wähler nun weiter mit der CSU regieren.

    Bei den Freien Wählern stellt sich die Frage nach der personellen Besetzung

    Fragt sich nur, in welcher personellen Besetzung. Man gehe auf jeden Fall „sehr gestärkt“ in die Verhandlungen mit der CSU, so Landtagsvizepräsident Alexander Hold. Vor fünf Jahren habe man den FW vorausgesagt, als kleiner Koalitionspartner der CSU an die Wand gedrückt zu werden. Hold: „Jetzt haben wir sogar zugelegt. Das ist ein Mega-Erfolg.“ Über Posten zu reden, sei jetzt aber viel zu früh und „der falsche Ansatz“.

    Was nicht heißt, dass man sich bei den FW nicht schon Gedanken gemacht hätte. So erwartet ein führender Freier Wähler schwierige Verhandlungen mit den Christsozialen, die erneut Wählerstimmen eingebüßt haben. Die CSU sei eine „alternde Diva“, der es schwerfalle zu akzeptieren, dass sich die Freien Wähler in Bayern im bürgerlichen Lager als zweite Kraft etabliert hätten.

    Vor der Wahl hatte Parteichef Aiwanger das Landwirtschaftsministerium für die FW beansprucht

    Die hohen Umfragewerte für die Freien Wähler hatten schon am Nachmittag im Landtag eine „Abstimmung mit den Füßen“ bei den Medienschaffenden ausgelöst. Während bei der SPD, die in diesem Wahlkampf nur eine Nebenrolle gespielt hatte, gerade mal fünf Fernsehkameras zu sehen waren, drängte sich im unmittelbar daneben liegenden kleinen Saal der Freien-Wähler-Fraktion ungefähr das Doppelte an Teams. Nur zum Vergleich: Bei den Wahlen vor zehn Jahren hatten die Sozialdemokraten noch mehr als doppelt so viele Stimmen erhalten wie die Freien Wähler. Inzwischen haben sich die Verhältnisse nahezu umgekehrt.

    Die Erwartungshaltung jedenfalls war schon am Sonntagnachmittag im Münchner Maximilianeum klar. Bei den Freien Wählern würde der eigentliche Gewinner der Bayern-Wahl 2023 zu hören und sehen sein: Hubert Aiwanger. Denn alle Umfragen vor der Wahl hatten dem kleineren Partner in der Regierungskoalition starke Zuwächse vorhergesagt. So starke, dass Aiwanger in einem Interview mit unserer Redaktion schon das Landwirtschafts-Ressort für seine Partei gefordert hatte. CSU-Chef Söder hatte dem widersprochen und den FW „mehr Demut vor dem Wähler“ angeraten. Das Landwirtschaftsministerium werde die CSU schon gar nicht hergeben.

    Hubert Aiwanger steuert in seinem Stimmkreis Landshut auf einen überzeugenden Sieg zu

    Nach dem Wahlergebnis vom Sonntag ist weiter offen, wie sehr sich die Gewichte zwischen den beiden Partnern verschoben haben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Fabian Mehring, hält als Ergebnis fest: „Die Wähler wollen die Fortsetzung unserer Bayern-Koalition und wünschen sich, dass wir FW darin sogar an Gewicht gewinnen.“

    Mittendrin in dieser Koalition war in den vergangenen fünf Jahren Roland Weigert als Wirtschaftsstaatssekretär. Der frühere Landrat von Neuburg-Schrobenhausen könnte sich gut vorstellen, im Kabinett zu bleiben. Die Fraktion müsse ihn halt wollen und das Aufgabengebiet seinen Fähigkeiten entsprechen. „Das muss schon passen.“ Weigert kann hoffen, in München noch an politischem Gewicht zuzulegen. Schließlich glückt es ihm am Sonntag, im heimischen Stimmkreis den Christsozialen das Direktmandat wegzuschnappen.

    Dieses Ziel erreicht an diesem Abend noch ein anderer: Hubert Aiwanger. Daheim im Landkreis Landshut fährt der Parteichef einen überzeugenden Sieg ein.

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