Die AfD fühlt sich schon nach der ersten Prognose als "kleiner Wahlsieger des Abends". So ruft es die Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner ihren Parteifreunden und Gästen im Südbau des Landtags zu, während alle noch im Jubel taumeln. "Trotz der Hetze", trotz eines Wahlkampfs, der die Partei an ihre Grenzen gebracht habe. "Die Bürger in diesem Land wollen einen Wechsel, sie wollen einen Wechsel hin zu einer Politik für die eigene Bevölkerung." Wieder Jubelrufe.
Hochrechnungen vom Sonntagabend sehen die Alternative für Deutschland bei rund 16 Prozent. Bestätigt sich das Ergebnis, steigert die Partei ihren Stimmenanteil seit der Wahl 2018 um etwa sechs Prozentpunkte. Bei keiner anderen Partei im bayerischen Landtag wäre der Zugewinn größer.
Auf der Wahlparty der Partei im Maximilianeum strömen Landtagsabgeordnete nach den ersten Prognosen zum Sektbüfett – vorbei am legendären CSU-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß als Gartenzwerg in Lederhosen. Mitarbeiter der AfD-nahen Zeitung Deutschland-Kurier haben die kleinen Figuren als Souvenir für die Partygäste mitgebracht.
AfD wird wohl bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen zweitstärkste Kraft
Martin Böhm, zweiter Spitzenkandidat der AfD, bedankt sich bei den Mitgliedern. "Ohne unsere Basis sind wir nichts, aber mit unserer Basis sind wir alles." Böhms durchdringende Stimme donnert durch den kleinen Saal, "und wir holen diesem Land unsere bewährte Demokratie zurück!"
Auch die Hochrechnungen aus Hessen lassen bei der Wahlparty der Rechtskonservativen immer wieder Begeisterung aufflammen: Dort sieht es am Sonntagabend danach aus, als würde die Partei ebenfalls zweitstärkste Kraft hinter der CDU. Bestätigt sich das Ergebnis von 18 Prozent, ist es das beste je erzielte Wahlergebnis der AfD in einem westdeutschen Bundesland.
Schon deutlich vor 18 Uhr hatte die bayerische AfD-Spitze ihre Funktionäre im Landtag gebeten, sich später "für Jubelbilder" vor der Wand mit dem Parteilogo zu versammeln. Manche hier träumten schon zu diesem Zeitpunkt davon, stärkste Oppositionspartei zu werden.
Die Bayern-AfD gilt im bundesweiten Vergleich nicht nur als besonders weit rechts außen, sondern auch als besonders zerstritten. Nach teils heftigen internen Meinungsverschiedenheiten, auch über den innerparteilichen Kurs, sind seit der Wahl 2018 sechs Landtagsabgeordnete aus Fraktion und Partei ausgetreten.
Die Spitzenkandidaten Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm gelten als treues Gefolgsduo des rechtsextremen Thüringer Landeschefs Björn Höcke. Sie vertreten bei Rechten und Reichsbürgern beliebte Thesen wie die, dass die Migration einen lang geplanten "Bevölkerungsaustausch" zum Ziel habe und der Verfassungsschutz in Wahrheit nur dem "Regierungsschutz" diene. Trotzdem – oder gerade deshalb – sicherte sich die AfD die Stimme rund jedes sechsten Wählers.
Wie Ebner-Steiner und Böhm zählen auch viele der übrigen AfD-Landtagskandidaten und -kandidatinnen Parteikennern zufolge zum sogenannten patriotischen Lager. Ein logischer Schluss daraus ist, dass auch die sich neu formierende Landtagsfraktion weiter rechts anzusiedeln sein dürfte als bisher. Und: Sie wird deutlich größer sein. War die Partei vor der Wahl noch mit 17 Abgeordneten im Landtag vertreten gewesen, kann sie nun mit deutlich über 30 Sitzen rechnen.
Die Luft im Südbau ist stickig von den vielen Menschen und heiß vom Licht der zig Kameras, die eben noch die Jubelbilder der "Alternative" eingefangen haben. Gerd Mannes, dem stellvertretenden Fraktionschef der Bayern-AfD aus Günzburg, stehen die Schweißperlen auf der Stirn, als er mit einem zufriedenen Lächeln die Hochrechnungen kommentiert. Er geht davon aus, dass vor allem ihre Forderungen in der Migrationspolitik der AfD Stimmen eingebracht haben. "Jede Gemeinde, jeder Landkreis ist überfordert mit der Migration", sagt der 54-Jährige, "da müssen wir eine ganz harte Bremse reinhauen." Ministerpräsident Markus Söder und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hätten zwar Forderungen der AfD übernommen, "aber wir waren eben glaubwürdiger".
Wähler entscheiden sich wegen Migration und mangelndem Sicherheitsgefühl für AfD
Eine Wählerbefragung des Forschungsinstituts infratest dimap gibt Mannes recht. Die AfD habe besser als andere Parteien verstanden, dass viele Menschen sich nicht mehr sicher fühlen, so argumentierte die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler der Partei. Ebenfalls eine häufige Antwort: "Ich wähle die AfD, damit die Regierung in der Asylpolitik ihren Kurs ändert." 85 von hundert Befragten gaben außerdem an, dass es ihnen egal sei, dass die AfD in Teilen als rechtsextrem gelte, solange sie die richtigen Themen anspreche.
Im Finale des Wahlkampfs hatten sowohl in Bayern als auch im Bund vermeintliche Attacken auf AfD-Funktionäre Schlagzeilen gemacht. Ebner-Steiner spielte in ihrem Statement am Sonntag noch einmal auf einen Vorfall in Ingolstadt an, bei dem ihren Worten zufolge Bundessprecher Tino Chrupalla "hinterlistig angegriffen" worden sei.
Keine Hinweise auf giftige Substanzen in Körper des AfD-Politikers Chrupalla
Nachdem der Sachse bei einem Wahlkampfauftritt kollabiert war, hatte die Partei die These verbreitet, Chrupalla sei von einer Nadel oder Spritze niedergestreckt worden. Der 48-Jährige hatte nach einem Bad in der Menge angegeben, Schmerzen im Oberarm zu verspüren. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt nahm Ermittlungen auf. Eine ärztliche Untersuchung im Klinikum Ingolstadt ergab allerdings keine Hinweise auf giftige Substanzen in Chrupallas Körper.
Die AfD sieht sich spätestens seit dieser Erkenntnis dem Verdacht ausgesetzt, mittels eines möglicherweise nie geschehenen Angriffs auf Stimmenfang gegangen zu sein. Früher im Wahlkampf hatte eine Attacke auf den Augsburger Politiker Andreas Jurca die Partei in die Schlagzeilen gebracht. Jurca war nach eigenen Angaben in einer Nacht Mitte August von Unbekannten im Stadtteil Oberhausen verprügelt worden, nachdem er sich als AfD-Landtagskandidat zu erkennen gegeben hatte. Die Polizei ermittelt mittlerweile gegen zwei tatverdächtige junge Männer, die näheren Umstände der Tat liegen weiter im Dunkeln.
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