Noch herrscht Ruhe, aber vieles deutet darauf hin, dass es im Landtag nicht mehr lange ruhig bleibt. Die Fraktionen, die sich in dieser und in der kommenden Woche zu ihren traditionellen Winterklausuren treffen, haben es in diesem Jahr mit einer völlig neuen strategischen Herausforderung zu tun. Erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit sieht sich die Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern mit drei selbstbewussten Oppositionsfraktionen konfrontiert, die in Berlin die Bundesregierung stellen. Das könnte die Landespolitik vor der Landtagswahl im kommenden Jahr kräftig durcheinanderwirbeln. Was planen Grüne, SPD und FDP?
Die Grünen rechnen 2023 mit keiner Mehrheit jenseits der CSU
„Eine Koalition in der Opposition gibt es nicht“, sagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Dass CSU und Freie Wähler in den Umfragen aktuell keine Mehrheit im Landtag hätten, ist für ihn noch lange kein Grund, für 2023 von einer Regierungsmehrheit jenseits der CSU zu träumen. „Von solchen Gedankenspielen halte ich überhaupt nichts. Das zentrale Ziel der Grünen muss sein, unser eigenständiges Profil zu schärfen“, sagt er und verweist selbstkritisch auf Wahlen in der Vergangenheit – da lagen die Grünen in den Umfragen auch oft ganz gut und erlebten am Wahltag dann doch eine Enttäuschung.
Von der Ampelregierung in Berlin erhofft sich Hartmann eine Stärkung „des Grundvertrauens“ in die Politik der Grünen. „Diese letzte Hürde müssen wir nehmen, damit uns die Wähler das Land anvertrauen.“ Die Ansätze seien da. Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir werde keine Politik für die großen Betriebe in Norddeutschland machen, sondern für die bäuerliche Landwirtschaft.
Mit der Wirtschaft in Bayern seien sich die Grünen längst einig, dass eine Energiewende mit dauerhaft niedrigen Strompreisen nur durch einen massiven Ausbau erneuerbarer Energiewende gelingen könne. Und auch beim Ausbau der Infrastruktur (Glasfaserkabel in die Fläche) und bei der Mobilitätswende (Ein-Stunden-Takt im Nahverkehr im ländlichen Raum) könnte die Ampel punkten. „Der Mehrwert des Umbaus der Wirtschaft muss sichtbar werden“, sagt Hartmann. Dann könnten die Grünen bei der Wahl „20 Prozent plus x“ erreichen. Sein Ziel sei, „dass 2023 ohne uns nicht regiert werden kann“. Eine Ampel muss es demnach nicht zwingend sein.
SPD sieht in Berliner Ampel eine Vorbildfunktion
Für den SPD-Landesvorsitzenden und Fraktionschef Florian von Brunn dagegen ist die Ampel „ein interessantes Projekt“, das für Bayern durchaus „Vorbild“ sein könnte. Aus den Schwerpunkten von Grünen, SPD und FDP im Landtag ergebe sich eine „gute Arbeitsteilung“, der Umgang untereinander sei „völlig unproblematisch“. Seine eigene Partei sieht der Fraktionschef in einer „guten Ausgangsposition“ und hofft, vor allem mit sozialen Themen punkten zu können. „Mit der Erhöhung des Mindestlohns werden wir eine Million Menschen in Bayern besserstellen“, sagt von Brunn. Bei ihrer Klausur werde sich die SPD-Fraktion vorrangig mit den Themen Gesundheitsversorgung, Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Schule und Wohnen beschäftigen.
Auch von Brunn betont die Notwendigkeit, Energiewende und Klimaschutz voranzutreiben und eine Politik für den ländlichen Raum einzufordern. „Das ist eine ganz wichtige Aufgabe für die SPD“, sagt der Fraktionschef und kündigt eine harte Gangart gegenüber der CSU-geführten Staatsregierung an: „Wir werden sehr genau darauf schauen, dass die Berliner Beschlüsse in Bayern auch umgesetzt werden.“
Für die FDP ist die CSU ein potenzieller Koalitionspartner
Das Konzept einer kritischen Opposition vertritt auch der Landesvorsitzende und Fraktionschef der FDP im Landtag, Martin Hagen – allerdings nicht unbedingt im Gleichschritt mit Grünen und SPD. „Wir werden uns nicht in einem Ampellager verorten“, sagt Hagen. Zwar arbeiteten die Liberalen in vielen Dingen mit den beiden anderen Fraktionen gut zusammen. Bei bestimmten Themen aber sei die FDP der CSU näher als den Grünen oder der SPD. „Die CSU ist für uns immer ein potenzieller Koalitionspartner“, sagt Hagen.
Die FDP habe sich mit Landespolitikern in der Spitze des Landesverbandes bereits inhaltlich-strategisch für die Landtagswahl 2023 neu aufgestellt. Bei der Klausur nächste Woche sollen die Themen Bildung, Wirtschaft und Digitalisierung im Vordergrund stehen. Die Fraktion werde dabei unter anderem ein Konzept für mehr Vielfalt in der Bildung vorlegen. Bei der Digitalisierung sieht Hagen die drängendsten Aufgaben in der besseren Erschließung des ländlichen Raums und in einer Modernisierung der staatlichen Verwaltung. „Die Corona-Krise hat uns deutlich gezeigt, dass da einiges im Argen liegt.“
Die strategischen Konzepte der drei „Ampelparteien“ im Landtag sind also nicht deckungsgleich. Jeder wird zuerst für seine Themen kämpfen. Völlige Übereinstimmung allerdings besteht in einem Punkt. Im Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre wollen Grüne, SPD und FDP an einem Strang ziehen. Alle drei Oppositionsparteien fordern eine vollständige und schonungslose Aufklärung der Vorgänge, in deren Zentrum der frühere Justizminister Alfred Sauter und andere Politiker der CSU stehen.