Ludwig Hartmann fackelt nicht lange. Er scheint die Frage erwartet zu haben. „20 Prozent plus ein dickes X“, so sagt der Grünen-Fraktionschef zum Abschluss der Winterklausur am Freitag im Hotel „Sonnenhof“ in Bad Wörishofen, das sei das Ziel seiner Partei für die Landtagswahl am 8. Oktober. Und seine Co-Vorsitzende Katharina Schulze springt ihm sofort bei. Ihr sei, so sagt sie, „vor dieser Wahl null bange“. Ihr erklärtes Ziel: Ein so gutes Ergebnis, dass die CSU bei der Regierungsbildung an den Grünen nicht mehr vorbeikommt. Das Rezept: Die Grünen wollen, wie Hartman sagt, die Wahl zu einer Volksabstimmung über die Energiewende machen.
Umfragen zeigen ein anderes Bild als die Erwartungen der bayerischen Grünen
Wie überaus ehrgeizig das Wahlziel der Grünen ist, zeigt ein Blick auf die jüngsten Umfragen. Danach liegt die CSU aktuell bei etwa 40 Prozent – Tendenz steigend. Die Freien Wähler kommen auf etwa zehn Prozent Zustimmung – Tendenz stabil. Bleibt es dabei, dann haben die Grünen nicht einmal den Hauch einer Chance, im Oktober die Oppositions- gegen die Regierungsrolle einzutauschen.
Es müsse aber nicht dabei bleiben, sagt Schulze und erinnert an das Wahljahr 2018 in Bayern. Damals, so sagt sie, hätten Meinungsforscher den Grünen wenige Monate vor der Wahl nur 13 Prozent zugetraut. Am Ende seien es 17,6 Prozent gewesen. Seither halte sich die Partei in Bayern über diesem Niveau. Warum also nicht ein neuer Sprung nach oben?
Dass gleichzeitig CSU und Freie Wähler deutlich in der Wählergunst zurückfallen müssten, damit es für eine Regierungsbeteiligung reicht, wissen die Grünen. Sie wollen die Regierungsparteien deshalb in erster Linie bei einem Thema stellen, bei dem in den vergangenen zehn Jahren ihrer Ansicht nach viel zu wenig vorangegangen ist – bei der Energiewende.
Bürger sollen bei Energiewende mitgenommen werden
Schon der Tagungsort war zu diesem Zweck gewählt. „Hier im Allgäu“, so sagt Hartmann, „sind die Pioniere der Energiewende daheim.“ Er verweist auf die Erfolge regionaler Bürgerenergie-Genossenschaften und sieht darin ein Modell für den Freistaat: „Mit den Menschen im Land schaffen wir es, Bayern zum Land der Energiegewinnerinnen und Energiegewinner zu machen.“ Um für sichere, klimafreundliche und bezahlbare Energie zu sorgen, brauche es bis 2030 sechsmal so viele Windräder und viermal so viel Photovoltaik wie bisher. Außerdem müsse man dafür sorgen, dass die einst privatisierten Wasserkraftwerke wieder in den Besitz von Kommunen und Freistaat kommen.
Kernstück eines in Bad Wörishofen formulierten Sieben-Punkte-Plans der Grünen zur Energiewende ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. „Die Menschen vor Ort müssen von günstigen Windrädern vor Ort profitieren“, sagt Hartmann. Für Schulze ist entscheidend, dass in dem Konzept der Grünen Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Stärkung der Wirtschaft im Freistaat zusammen gedacht werden. Auch der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft gehe es bei der Energiewende nicht schnell genug voran. Ein weiterer Vorteil sei die Unabhängigkeit der Energieversorgung. „Wind und Sonne“, so Schulze, „lassen sich nicht von Diktatoren und Autokraten vereinnahmen.“
Nur wenig Kritik an der CSU
Mit Kritik an der CSU halten sich die Grünen bei der Klausur zurück. Sie wollen erkennbar ihren Gestaltungswillen im Wahlkampf nach vorne stellen. Die Bundesvorsitzende Ricarda Lang, die am Freitag zu Gast ist, merkt allerdings an, dass ihr die klare Absage von CSU-Chef Markus Söder für eine mögliche Koalition mit den Grünen nicht gefällt. Wer am besten mit wem regiere, solle man der Entscheidung der Wählerinnen und Wähler überlassen. „Man sollte auf den Wählerwillen achten und nicht davor auf ideologische Festlegungen setzen“, sagt Lang.
Auch gegenüber den Freien Wählern, die sie in der Regierung erklärtermaßen ablösen wollen, geben sich die Grünen zurückhaltend. Erst auf Nachfrage sagt Hartmann, dass man es ja de facto mit einer CSU-Alleinregierung zu tun habe. Er wisse nicht, so spottet er, was die Freien Wähler in der Regierung eigentlich täten.