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Landespolitik: Auftritt im Mühlhauser Bierzelt: An Aiwanger scheiden sich die Geister

Landespolitik

Auftritt im Mühlhauser Bierzelt: An Aiwanger scheiden sich die Geister

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    Hubert Aiwanger trat am Samstag im Bierzelt in Mühlhausen auf und teilte wieder einmal ordentlich gegen die Ampel-Regierung aus.
    Hubert Aiwanger trat am Samstag im Bierzelt in Mühlhausen auf und teilte wieder einmal ordentlich gegen die Ampel-Regierung aus. Foto: Erich Echter

    Hubert Aiwanger ist wahrlich kein Mann, der die Zurückhaltung zelebriert. Die Parolen, deren Schlagzahl auf der Zielgeraden des Landtagswahlkampfes immer weiter zunimmt, sind deftig und laut – und sie polarisieren. Aiwanger, Freie-Wähler-Chef, Wirtschaftsminister und Bayerns stellvertretender Ministerpräsident, ist in den vergangenen Wochen zu einer Person avanciert, an der sich die Geister massiv scheiden. Die einen feiern ihn als einen von ihnen, als Mann des Volkes, bodenständig, geradeheraus. Die anderen beäugen ihn als jemanden, der die Grenzen dessen, was ein Demokrat in der Öffentlichkeit sagen sollte, längst überschritten hat.

    Samstagabend in Mühlhausen, einem Gemeindeteil von Affing im Landkreis Aichach-Friedberg. Die Blaskapelle spielt, im Bierzelt ist ordentlich was los. Die Menschen sind gekommen, um mit der hiesigen Feuerwehr ihr 125-jähriges Bestehen zu feiern – aber auch, um zu hören, was Aiwanger zu sagen hat. Der steht an diesem Sommerabend auf der Bühne des schwül-warmen Zeltes, nimmt einen Schluck Bier, krempelt die Ärmel seines weißen Hemdes hoch und legt los. Er liefert, was von ihm erwartet wird. 

    Aiwanger arbeitet sich 45 Minuten lang an der Bundesregierung ab

    Etwa: Ein Bekenntnis zum Fleischkonsum – passend zu den tellergroßen Schnitzeln, die die Bedienungen an die Biertische tragen. "Mit zehn Gramm Fleisch pro Tag, was jetzt empfohlen wird, da kann der Mühlhausener nicht mehr ordentlich arbeiten", ruft Aiwanger in die Menge. "Darum sag ich: Lasst uns weiter Fleisch essen." Tosender Applaus, einige Bierzeltbesucher skandieren "Hubert, Hubert". Nächstes Reizthema: das Heizen. "Wir haben in Bayern und in Deutschland seit Jahrtausenden mit Holz geheizt", ballert Aiwanger mit hochrotem Kopf ins Mikrofon. "Schon die Neandertaler haben gewusst, dass die Höhle warm wird, wenn sie mit Holz einheizen. Aber die Ampel-Leute in Berlin wissen das bis heute nicht." Die Menge tobt, Aiwanger lächelt zufrieden. 

    Aiwanger bei seinem Auftritt in Mühlhausen, bei dem er Themen wie den Fleischkonsum oder das Heizen ansprach.
    Aiwanger bei seinem Auftritt in Mühlhausen, bei dem er Themen wie den Fleischkonsum oder das Heizen ansprach. Foto: Erich Echter

    An der Bundesregierung arbeitet er sich während seiner rund 45-minütigen Rede noch oft ab, vor allem an den Grünen. Die, sagt Aiwanger, seien auch mit schuld daran, dass die AfD in den Umfragen so massiv zugelegt habe, "weil eine grüne ideologische Politik die normalen Leute täglich nervt, ihnen Vorschriften und Zukunftsangst macht. Am Ende sagen die Leute: Aus lauter Frust und um ein Zeichen zu setzen, wähle ich eine radikale Partei, damit die wieder auf mich hören."

    Aiwangers Auftritt in Erding wurde zum Skandal

    Der Besuch des FW-Politikers in Mühlhausen schlug schon im Vorfeld hohe Wellen. Denn wie schnell ein Wahlkampfauftritt zu einem handfesten Skandal werden kann, das wurde vor wenigen Wochen in Erding deutlich. Bei einer Kundgebung vor rund 13.000 Menschen – darunter auch AfD-Anhänger – holte Aiwanger zum verbalen Rundumschlag aus. Es war vor allem ein Satz, der eine gewaltige Debatte entfachte. Aiwanger polterte auf der Bühne: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss und denen in Berlin sagen: Ihr habt's wohl den Arsch offen da oben." 

    Daraufhin brach ein Gewitter los. CDU-Politiker Ruprecht Polenz etwa schrieb auf Twitter: "Aiwanger von den Freien Wählern redet wie die AfD." Auch andere Politiker warfen Bayerns Vize-Ministerpräsidenten vor, in seiner Wortwahl der umstrittenen rechtspopulistischen Partei zu nahe zu kommen und auch inhaltlich zu sehr am rechten Rand zu fischen. Auch der Koalitionspartner CSU rügte Aiwanger, sowohl öffentlich als auch intern in einer Kabinettssitzung. Die Opposition forderte sogar, Aiwanger als Staatsminister zu entlassen, wegen seiner verbalen Entgleisungen, die "mit demokratischen Prinzipien absolut unvereinbar" seien, wie Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, erklärte. Die Koalitionsfraktionen stellten sich schließlich hinter Aiwanger und stimmten geschlossen gegen den Antrag. Der Ärger war dann doch schnell verflogen.

    In München demonstrieren die Menschen gegen Aiwangers Äußerungen

    Aiwanger selbst übrigens sieht die Kritik an seiner Person einigermaßen gelassen. Dass man sich so an seinen Äußerungen aufgerieben habe, sei ein Versuch gewesen, "mich absichtlich misszuverstehen, mich mundtot zu machen, weil ich offenbar zu viel Beifall bekommen habe", sagte er vor kurzem in einem Interview mit der Zeit

    Beifall bekommt Aiwanger auch in Mühlhausen. Als er sich nach seiner Rede schweißnass verabschiedet, applaudieren die Bierzeltgäste euphorisch, der Erdinger Eklat scheint ihm nicht geschadet zu haben – ganz im Gegenteil. Mehrere junge Männer, die ganz vorne an einem Tisch vor der Bühne sitzen, stehen auf, steigen sogar auf die Bierbänke und beklatschen den Minister. "Der hat doch zu 100 Prozent recht mit dem, was er sagt", meint einer. Die anderen nicken zustimmend. Einer ergänzt: "Er bringt die Sachen einfach auf den Punkt." Doch nicht alle, die zum Feuerwehrfest gekommen sind, sehen das so. Ein Mann im blauen T-Shirt sitzt ein wenig abseits, hält sich mit dem Beifall zurück. Auf die Frage, wie er Aiwangers Auftritt fand, zuckt er mit den Schultern und antwortet dann: "Schon ein bisschen populistisch. Aber das kommt halt im Bierzelt an."

    Im Bierzelt scheinbar schon – bei den Menschen, die am gleichen Tag, an dem Aiwanger in Mühlhausen auftrat, auf dem Münchner Odeonsplatz demonstrierten, aber nicht. Zu der Veranstaltung unter dem Motto "Ausge-Trumpt! Zusammenhalt und Zukunft – statt Rückschritt und Rechtsruck" waren nach Angaben der Polizei rund 8000 Menschen gekommen. Anlass waren unter anderem Aiwangers umstrittene Äußerungen in Erding. Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn bezeichnete ihn als "Mini-Trump aus Niederbayern" und erklärte bei der Versammlung: "Das, was Hubert Aiwanger da gesagt hat, das hat die Grenze überschritten, die für uns demokratischen Politiker gelten sollte." Katharina Schulze sagte: "Das Heranwanzen an Populisten stärkt sie am Ende nur." Man brauche eine "Brandmauer gegen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten". 

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