Es sei ein Schock gewesen. „So kann man doch nicht mit uns umgehen“, ärgert sich Kornelia Schmid. „Keiner spricht mit uns, keiner findet es nötig, uns zu erklären, was nun ganz konkret aufgebaut werden soll, und wann, um die häusliche Pflege zu verbessern. Das Landespflegegeld wird einfach halbiert. Punkt.“ Für die Vorsitzende des Vereins „Pflegende Angehörige“, die sich seit über 30 Jahren um ihren schwer an Multiple Sklerose erkrankten Mann zu Hause im oberpfälzischen Amberg kümmert, ist gerade dieser Umgang ein weiterer Beweis dafür, „dass pflegende Angehörige keine Lobby haben“. Dabei wisse man längst: „Ohne die pflegenden Angehörigen zu Hause würde das System sofort zusammenbrechen.“
Pflegegeld in Bayern wird halbiert: Aus 1000 werden 500 Euro
Die direkten Familien-, Krippen- und Landespflegegeldzahlungen an Familien und Pflegebedürftige will man vor dem Hintergrund knapper Kassen in Bayern nun kürzen. Das eingesparte Geld soll künftig in die jeweiligen Strukturen fließen. Damit sinkt das Landespflegegeld ab dem Jahr 2026 von 1000 auf 500 Euro.
Eingeführt wurde das Landespflegegeld im Jahr 2018. Die Staatsregierung wollte damit pflegebedürftigen Menschen „eine Wertschätzung und eine finanzielle Unterstützung“ zukommen lassen. Acht von zehn Pflegebedürftigen werden in Bayern zu Hause, meist von Angehörigen, versorgt, heißt es von Seiten des bayerischen Gesundheitsministeriums. Wer mindestens Pflegegrad 2 und seinen Hauptwohnsitz in Bayern hat, kann das Landespflegegeld beantragen. Nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Pflege erhalten jährlich rund 400.000 Menschen den Zuschuss.
VdK-Chefin Bentele spricht von einem weiteren „Tiefschlag für Familien“
Dass dieses Geld nun gekürzt wird, kann Verena Bentele nicht nachvollziehen. Die Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern erklärt, dass die Kürzung für die betroffenen Pflegebedürftigen und ihre pflegenden Angehörigen nicht nur eine deutliche finanzielle Verschlechterung sei. Anders als von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ausgeführt, werde „direkt und zuerst im sozialen Bereich gespart und das genau an der falschen Stelle“. Betroffene bekämen nicht nur weniger Geld, sie sollen „auf die Fertigstellung neuer Strukturen irgendwann in der Zukunft hoffen, von denen viele von ihnen wegen ihres fortgeschrittenen Alters gar nicht mehr profitieren würden“. Da viele Pflegebedürftige ohnehin über sehr schmale Budgets verfügen würden, ist Bentele zufolge dieser Schritt „ein weiterer Tiefschlag für Familien“.
Auch Kornelia Schmid sagt: „Viele pflegebedürftige Menschen und ihre pflegenden Angehörigen müssen jeden Cent umdrehen.“ Schmid hat den Verein „Pflegende Angehörige e. V.“, der mittlerweile über 600 Mitglieder zählt und sich in Bayern und bundesweit für die Bedürfnisse der Betroffenen einsetzt, im Jahr 2017 gegründet. „Pflege ist auch zu Hause sehr teuer und die Kassen bezahlen bei Weitem nicht alles“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. „Bei ganz vielen medizinischen Anschaffungen, aber auch beispielsweise, wenn man ambulante Dienste braucht, muss man Zuzahlungen leisten.“ Schmid hat allerdings von Anfang an kritisiert, dass das Landespflegegeld nicht einkommensorientiert ausbezahlt wird, sondern „per Gießkannenprinzip“ an alle.
Angehörige pflegen auch, wenn sie selbst Fieber und Schmerzen haben
Dies gehe zu Lasten der vielen Pflegebedürftigen und ihren pflegenden Angehörigen, die auf eine finanzielle Unterstützung dringend angewiesen seien, erklärt Schmid. „Denn man kann sich gar nicht vorstellen, was es wirklich heißt, 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche für einen anderen Menschen da zu sein, ohne sich einmal eine Auszeit leisten zu können. Das ist nicht zuletzt auch eine Geldfrage.“ Viele pflegende Angehörige seien völlig am Ende – körperlich und psychisch. „Denn wir pflegende Angehörige pflegen auch noch, wenn wir selbst 40 Grad Fieber und Schmerzen haben.“ Zumal es oft gar nicht möglich ist, schnell einen Kurzzeitpflegeplatz zu bekommen. Dafür gebe es in der Regel lange Wartezeiten.
Schmid hat nun an Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) geschrieben und will auch mit anderen Politikern ins Gespräch kommen. „Denn die Politiker müssen endlich den Menschen an der Basis zuhören und erkennen, was wirklich nötig ist. Wir pflegende Angehörige brauchen mehr finanzielle Unterstützung und wir brauchen auch ein viel dichteres Netz von schnell verfügbarer, zuverlässiger Hilfe. Ausgerechnet an uns pflegenden Angehörigen zu sparen, ist absurd – gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel und den steigenden Zahlen an Pflegebedürftigen. Man muss doch um jeden froh sein, der zu Hause pflegt. Dies entlastet ja auch die Staatskassen.“
Beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) begrüßt man wiederum den Schritt, das Landespflegegeld umzuschichten und das eingesparte Geld – es seien 225 Millionen Euro – in die Stärkung der Pflegestrukturen, insbesondere auch der ambulanten Pflege, zu investieren. Denn diese Investitionen seien notwendig. Die anteilige Umschichtung der Mittel würden nun zielgerichteter eingesetzt werden. Allerdings hebt man hervor, dass es wichtig sei, die frei werdenden Mittel „zeitnah einer konkreten Verwendung“ in Abstimmung mit dem BRK und weiteren Wohlfahrtsverbänden zuzuführen.
Holetschek sieht Verbesserungen gerade für pflegende Angehörige
Die Umschichtung beim Landespflegegeld verteidigt auch der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek. Er spricht von einer „Reform des Landespflegegeldes“ und hebt hervor, dass die Leistung in dieser Form kein anderes Bundesland habe. Holetschek betont gegenüber unserer Redaktion, er sehe gerade die Nöte der pflegenden Angehörigen als „großes Thema“, daher müssten hier dringend die Strukturen verbessert werden. „Die Auszahlung des Landespflegegeldes bleibt ja eine wichtige Säule, wird allerdings halbiert.“ Dafür sollen in Zukunft etwa 200 Millionen Euro unter anderem in die Stärkung verschiedener, auch ambulanter Strukturen fließen. „Hier müssen vor allem auch Kurzzeit- und Tagespflegeplätze geschaffen werden, die pflegenden Angehörigen zuverlässig und schnell zur Verfügung stehen.“ Die Details werde das bayerische Pflegeministerium ausarbeiten. Ihm sei wichtig, dass dieses Geld weiterhin eine „echte Entlastung“ darstelle und als solche von den Betroffenen auch empfunden werde.
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