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Kritik an X und Musk: BLM-Präsident erklärt Protest

Interview

Bayerns Chefaufseher für Privatsender kritisiert Musks X

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    BLM-Chef Thorsten Schmiege sagt: "Wir bauen auf Medienkompetenz-Vermittlung, die schon im Kindergarten beginnt."
    BLM-Chef Thorsten Schmiege sagt: "Wir bauen auf Medienkompetenz-Vermittlung, die schon im Kindergarten beginnt." Foto: Sven Hoppe, dpa

    Herr Schmiege, nach dem Rechtsruck bei der Europawahl stehen im Herbst nun Landtagswahlen im Osten Deutschlands an. Die AfD führt die Umfragen an. Machen Sie sich Sorgen um unsere Demokratie?
    THORSTEN SCHMIEGE: Die Ergebnisse der Europawahl haben leider gezeigt: Die Demokratie-Skepsis in

    Was können lokale Radio- und TV-Sender in Bayern tun, um die Demokratie zu stärken?
    SCHMIEGE: Ich bin davon überzeugt: Gerade dem Lokalrundfunk gelingt es, die Menschen vor Ort auf Augenhöhe und unvoreingenommen zu informieren. Da wo lokale Identität ausgeprägt ist und mit einem qualitätsvollen Angebot zusammenkommt, haben es einschlägige Social-Media-Kanäle oder Filterblasen im Netz schwer. Klar ist: Wer weiß, warum beispielsweise die Kita verschwindet und dafür eine Mülldeponie installiert wird oder umgekehrt, glaubt seltener einfachen Antworten. Deshalb sind lokale Inhalte nicht nur das Herzstück unserer Gesellschaft. Sie sind das Herzstück unserer Demokratie. Um glaubwürdig zu bleiben und Vertrauen zu haben, sollten die Sender auf noch mehr Meinungsvielfalt, noch mehr lokale Information, noch mehr Ausgewogenheit in der Berichterstattung setzen.

    Gerade junge Menschen nutzen stark Tiktok, das die AfD seit Langem und mit einigem Erfolg bespielt. Sehen Sie hier eine besondere Aufgabe für die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, kurz BLM?
    SCHMIEGE: Auf jeden Fall. Jugendliche werden mittlerweile fast täglich mit Hass und Fake News im Netz konfrontiert, gerade wenn sie soziale Medien nutzen. Wir müssen hier neue Wege in der Medienkompetenzvermittlung gehen. So haben wir mit "jung. engagiert. online" ein vollkommen neues Kapitel der Medienbildung aufgeschlagen mit dem Ziel, junge Zielgruppen auf Augenhöhe auf ihren Plattformen für Stolperfallen auf Social Media zu sensibilisieren. Im März haben wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern vom Bayerischen Jugendring und dem JFF unter dem Motto "Lass uns TikTok safer machen" den Startschuss für die TikTok-Redaktion "RISKANTIK" gegeben. Wichtig dabei: Jeder Interessierte zwischen 13 und 23 Jahren kann mitmachen.

    Die Förderung von Medienkompetenz zählt ja zu den gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben der BLM. Besorgt Sie die
    SCHMIEGE: Aus Studien aber auch von zu Hause weiß ich: Bei Kindern, die täglich Medien und auch Social Media nutzen, hilft Alarmismus nicht viel – zumindest wenn er von Eltern und Erziehenden kommt. Wir müssen aber dranbleiben, Heranwachsende begleiten, sie unterstützen, ihnen auch mal zuhören. Das Angebot der BLM reicht dabei von Praxistipps im Magazin MiniMedia für die Kleinsten bis zum Elternabend für die Großen – um Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene für eine kompetente Mediennutzung zu sensibilisieren.

    Sollte Medienkompetenz verstärkt an den Schulen Thema sein?
    SCHMIEGE: Medienkompetenz als Thema ist im bayerischen Lehrplan fest verankert. Der Medienführerschein wurde von der BLM Stiftung Medienpädagogik auf Initiative der Bayerischen Staatsregierung entwickelt und wird dort bis heute koordiniert und inhaltlich verantwortet. Gerade konnte ich mir anlässlich der Verleihung der 1,5-millionsten Medienführerschein-Urkunde an der Wilhelm-Löhe-Gesamtschule in Nürnberg ein Bild davon machen, wie praxisnah die Inhalte sind. Dabei hat es mich wahnsinnig gefreut, wie motiviert sich die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Lehrerinnen und Lehrer eine Woche lang mit Medien beschäftigt haben und darin vor allem eine Lebenskompetenz und weniger ein Unterrichtsfach sehen.

    Die BLM ist für X, früher Twitter, zuständig. 49 Organisationen, darunter AWO International, Ärzte der Welt, Fairtrade Deutschland und die Kindernothilfe, haben nun den Kurznachrichtendienst verlassen. Sie beklagen einen immer größeren Umfang von "Hass, Hetze, Aufrufe zu Gewalt, Desinformation" seit der Übernahme durch den umstrittenen Milliardär Elon Musk. Warum kann dieser Entwicklung offenkundig nicht wirkungsvoll genug Einhalt geboten werden?
    SCHMIEGE: Ob es eine wirksame Maßnahme gegen Hass und Hetze im Netz ist, X öffentlichkeitswirksam zu verlassen, bleibt abzuwarten. Vielleicht nimmt X seine Verantwortung als Anbieter wieder besser wahr, wenn die Werbekunden ausbleiben. Häufig reagieren große Plattformen vor allem erst dann, wenn es ums Geld geht. Leider. Als Medienaufsicht tritt die BLM Hass und Hetze im Netz mit allen Mitteln entgegen. Erstens mit einer konsequenten Jugendschutzaufsicht im Netz: Wir haben 2023 1500 Fälle zu Extremismus, Hass und Hetze aufgegriffen, Tendenz stark steigend. Zweitens: Wir engagieren uns in der Extremismusprävention – zum Beispiel jüngst gemeinsam mit dem Bayerischen Bündnis für Toleranz unter dem Hashtag #zuwertvollfuerhass. Drittens: Wir setzen mit der Initiative "Justiz & Medien – konsequent gegen Hass" auf konsequente Strafverfolgung. 1100 Prüffälle in fünf Jahren und eine Aufklärungsquote von 90 Prozent ist auch bundesweit Spitze. Viertens: Wir bauen auf Medienkompetenz-Vermittlung, die schon im Kindergarten beginnt.

    Neben Hass und Hetze führt vor allem Propaganda zu großen Befürchtungen. Wie sehr beschäftigen Sie russische oder chinesische Einflussnahmeversuche – etwa auf X durch Bots, also Softwareanwendungen?
    SCHMIEGE: Propaganda ist bewusste Desinformation. Doch während der Bereich Hass und Hetze rechtlich eindeutig definiert ist, ist die Rechtslage bei bewusster Desinformation deutlich schwieriger. Meinungsfreiheit ist wichtig – aber wo endet sie? Bei der Nutzung von Bots gibt es zwar Kennzeichnungspflichten, die laufen allerdings leer, wenn die Plattformen nicht dagegen vorgehen. Hier wären nach meiner Meinung bessere Eingriffsmöglichkeiten für die Medienaufsicht zielführender als neue Governance-Strukturen auf europäischer Ebene wie im Digital Services Act. Insgesamt setzen wir im Kampf gegen Verschwörungstheorien und Verunsicherung vor allem auch auf Information und Medienkompetenz. Denn sensibilisierte und informierte Nutzerinnen und Nutzer sind wesentlich weniger empfänglich für Desinformation.

    Zur Person

    Thorsten Schmiege ist Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und damit Bayerns Chefaufseher für die Privatsender. Auch zur Mediengruppe Pressedruck, in der die AZ erscheint, gehören Privatsender. Schmiege wird am Dienstag, 25. Juni, die 32. Lokalrundfunktage, die von der Medien.Bayern GmbH mit Unterstützung der BLM veranstaltet werden, eröffnen. Zu dem deutschlandweit größten Branchentreff für den lokalen und regionalen Rundfunk werden in Nürnberg rund 1100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie gut 80 Speaker erwartet.

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