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Krisenberater analysiert den Koalitionsstreit zwischen Söder und Aiwanger

Interview

So beurteilt ein Krisenberater den jüngsten Koalitionskrach zwischen Söder und Aiwanger

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    Markus Söder (rechts, CSU), Ministerpräsident von Bayern, pflegt ein kompliziertes Verhältnis zu seinem Vize Hubert Aiwanger von den Freien Wählern.
    Markus Söder (rechts, CSU), Ministerpräsident von Bayern, pflegt ein kompliziertes Verhältnis zu seinem Vize Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Herr Ewald, normalerweise beraten Sie Firmen, die bei gravierenden Problemen die Öffentlichkeit informieren müssen. Gibt es da Parallelen zur Politik?
    MARCUS EWALD: Jedes Unternehmen hat Kernwerte oder zentrale Produktversprechen, die zu seinen Fundamenten zählen. In der Politik ist es ähnlich: Wenn Politiker genau in den Punkten enttäuschen, weswegen sie gewählt werden, dann ist es Zeit für ein professionelles Enttäuschungsmanagement.

    Von außen betrachtet: Wären Markus Söder und Hubert Aiwanger ein Fall für Berater wie Sie?
    EWALD: Auf jeden Fall befinden sie sich ständig in irgendeiner Art von Krise und müssen dementsprechend Krisenkommunikation betreiben. Bei dieser muss man zunächst schauen, wer muss Vertrauen in einen haben. Also: Wer soll Söder und Aiwanger wählen, wer muss für sie auf die Straße gehen und Plakate kleben, wer sind die Anhänger? Diese Leute sind am wichtigsten, aber Söder und Aiwanger riskieren immer wieder, dass sich diese wichtige Gruppe enttäuscht abwendet, weil sie das Vertrauen verliert oder ihr das Gezanke zu viel wird.

    Wie hängt das mit der Debatte über die Staatsschulden zusammen?
    EWALD: Na ja, CDU und CSU haben vor der Wahl hart für die Schuldenbremse gekämpft, in Bayern steht sie sogar im Koalitionsvertrag zwischen der CSU und den Freien Wählern. Friedrich Merz hat dieses Versprechen jetzt im Bund gebrochen. Dafür gibt es Gründe, aber getan hat er es trotzdem. Das sorgt auch bei vielen Anhängern der Union für Unbehagen – und diesem Gefühl hat Aiwanger jetzt eine Stimme gegeben. Er hat sich hingestellt und all das gesagt, was sich viele CSU-Anhänger insgeheim auch denken. Das ist für Söder gefährlich.

    Was hat dieser denn falsch gemacht?
    EWALD: Er hat Erwartungen erweckt, die er dann enttäuscht hat. Bei diesen Verhandlungsrunden mit der SPD saßen drei CDU-Vertreter am Tisch, die noch nie in der Regierung waren und noch keinen Koalitionsvertrag ausgehandelt haben. Von der CSU waren auch drei am Tisch, die in diesen Dingen schon Erfahrung haben. Wenn jemand einen besseren Deal mit der SPD hätte heraushandeln müssen, dann die drei von der CSU. Friedrich Merz ist ziemlich naiv in diese Sondierungsgespräche hineingestolpert und Söder konnte ihm nicht helfen.

    Aber in Bayern hat sich Söder durchgesetzt und Aiwanger ist am Ende umgefallen, hat sich dem Druck – auch aus den eigenen Reihen – gebeugt. War das richtig so?
    EWALD: Politisch kann ich das nicht bewerten. Was ich aber aus Sicht der Kommunikation weiß: Aiwanger hat einen Fehler gemacht. Er hatte sich durch seinen Widerstand neue Fans erschlossen, weil er klar gesagt hat, was am Schuldenpaket falsch ist. Diese neuen Fans hat er nun wieder verprellt. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Die Deutschen schätzen eine ruhige, effiziente Regierungsarbeit, sie mögen gute Politik.

    Aber genau diese könnte es doch jetzt geben . . .
    EWALD: Aber erst, nachdem ein Riesen-Getöse veranstaltet worden ist, gibt es vielleicht gute Politik. Und dabei wird dieselbe Strategie verfolgt, die man Grünen und SPD vorgeworfen hat. CSU und Freie Wähler werden ihre Leute besänftigen, indem sie Geld verteilen – an die Kommunen und so weiter.

    Muss nicht verkehrt sein, die Summen sind aber endlich. In Bayern gibt es noch eine Schuldenbremse.
    EWALD: Jetzt nicht aus politischer Sicht, sondern aus Sicht der Kommunikation: Man muss auch in Bayern die Schuldenbremse lockern. Es ist doch nicht folgerichtig, in Berlin für neue Schulden zu sein, in Bayern dann aber auf der Bremse zu stehen und nicht davon zu profitieren. Das kann man doch nicht vermitteln. Ich weiß, das steht so im Koalitionsvertrag. Deshalb: Aiwanger und Söder müssen sich hinsetzen und ihren Koalitionsvertrag neu verhandeln. Sonst machen sie sich noch unglaubwürdiger.

    Sehen Sie bei der Kombination CSU/Freie Wähler, Söder/Aiwanger ein Grundproblem?
    EWALD: Ich glaube, Aiwanger ist klug. Er spielt sehr gut mit den Emotionen der Menschen. Das war lange die Kernkompetenz der CSU in Bayern, das sollte die Domäne von Söder sein. Da konkurrieren zwei auf dem gleichen Spielfeld, zwei Alphamännchen kommen sich ständig in die Quere. Wahrscheinlich wäre es einfacher, wenn sie unterschiedlicher wären.

    Marcus Ewald ist Krisenberater.
    Marcus Ewald ist Krisenberater. Foto: Agentur Dunkelblau

    Zur Person

    Marcus Ewald (41) ist Krisenberater. Zu den Kunden seiner Agentur, die Standorte in Stuttgart und Leipzig hat, zählen bekannte Firmen wie die Allianz oder Alltours.

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    1 Kommentar
    Johann Koch

    >>>Politisch kann ich das nicht bewerten. Was ich aber aus Sicht der Kommunikation weiß: Aiwanger hat einen Fehler gemacht. Er hatte sich durch seinen Widerstand neue Fans erschlossen, weil er klar gesagt hat, was am Schuldenpaket falsch ist. Diese neuen Fans hat er nun wieder verprellt.<<< Und genau das ist unser Problem. Aiwanger hat in der aktuellen Situation vor dem Hintergrund einer schwächelnden Wirtschaft und einer Verteidigungsunfähigkeit unseres Landes vor dem Hintergrund der Bedrohung durch Putin genau das richtige und absolut notwendige f ü r d a s L a n d getan und Partei- und Sympatieinteressen hinten angestellt. Aber in dem Interview geht es wieder einmal darum, dass politisch Agierende immer zuerst ihre eigene Ideologie und persönlichen Interessen in den Vordergrund stellen sollen. Das Ergebnis: Politikverdrossenheit und eine starke AfD. Aiwanger hat in dieser kritischen Situation genau das Richtige getan und verantwortungsvoll in Sinne des Landes agiert!!!

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