Die Zahl der Straf- und Gewalttaten gegen Politiker in Bayern ist im vergangenen Jahr auf einem anhaltend hohen Niveau geblieben - zigfach höher als in der Vor-Corona-Zeit. Insgesamt 1013 Straftaten gegen politische Amts- und Mandatsträger wurden 2023 im Freistaat gezählt. Das waren ähnlich viele wie im Jahr zuvor (1081). Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Landtags-Grünen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Deutlich höher war die Zahl mit 1575 Straftaten im Jahr 2021 gewesen - das Jahr war von Protesten gegen die Anti-Corona-Politik geprägt.
Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren lediglich 245 Straftaten gegen politische Amts- und Mandatsträger gezählt worden. Das Innenministerium verweist bei einem Vergleich allerdings auch darauf, dass betroffene Politiker inzwischen regelmäßiger Straftaten anzeigen. Zudem gibt es seit September 2020 ein Online-Meldeverfahren für Amts- und Mandatsträger.
Im Jahr 2023 wurden den Daten zufolge 55 Gewalttaten gegen Politiker registriert
Bei etwas mehr als der Hälfte der 2023 registrierten Straftaten handelt es sich nach Angaben der Grünen, die die umfangreichen Daten des Ministeriums ausgewertet haben, um Drohungen, Verleumdungen, Beleidigungen, Nötigungen oder Volksverhetzungsdelikte, die per Mail oder über soziale Medien erfolgt seien. Zudem seien im Landtagswahlkampf 2023 allein rund 700 Sachbeschädigungen an Wahlkampfmaterialien angezeigt worden. Hauptbetroffene seien die Grünen mit 263 bekannt gewordenen Taten gewesen.
Im Jahr 2023 wurden den Daten zufolge 55 Gewalttaten gegen Politiker registriert (nach 122 Gewalttaten im Jahr 2022 und 75 Gewalttaten im Jahr 2021) - wobei es sich bei einem Großteil der Gewaltdelikte um Erpressungen handelte, die in diese Kategorie fallen. Dabei wurden 2023 insgesamt 62 Opfer dieser Gewalttaten registriert - und 50 Täter ermittelt.
In Sichtweite der Europawahl häufen sich die Attacken auf Politiker
Acht Politiker wurden 2023 Opfer von - teils versuchten - Körperverletzungsdelikten. Bei dieser Zählung mit dabei ist auch der Steinwurf eines mutmaßlichen "Reichsbürgers" auf die Bühne einer Wahlkampfkundgebung der Grünen im September 2023 in Neu-Ulm.
Ganz aktuell, in Sichtweite der Europawahl, häufen sich bundesweit Attacken auf Politikerinnen und Politiker. In Dresden wurde zuletzt der SPD-Politiker Matthias Ecke von jungen Männern zusammengeschlagen. Und in Berlin wurde die frühere Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey Opfer einer Attacke.
Landtags-Grünen fordern eine bayernweite Anlauf- und Beratungsstelle
Die Landtags-Grünen fordern als Konsequenz einen besseren Schutz von Politikerinnen und Politikern und dazu eine bayernweite Anlauf- und Beratungsstelle für kommunale Amts- und Mandatsträger. Diese solle Betroffene beraten und dazu beitragen, die Kommunikation zwischen Sicherheitsbehörden, Justiz und Verwaltung zu verbessern. Die Anlaufstelle solle in enger Kooperation mit den kommunalen Verbänden konzipiert und realisiert werden. Zudem fordern die Grünen, die bestehenden Online-Meldeverfahren noch bekannter zu machen - und letztlich eine virtuelle Polizeiwache einzuführen, um Anzeigen weiter zu erleichtern.
"Es kann nicht sein, dass Menschen, die sich in Bayern politisch engagieren, die oft ehrenamtlich tätig sind, Angst haben müssen. Aber genau das ist die Realität", klagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger seien nicht nur einfach Angriffe gegen eine Partei – "das sind Angriffe gegen unsere Demokratie".
Cemal Bozoglu, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus, warnte: "Wir müssen inzwischen von einem demokratiegefährdenden Niveau sprechen, wenn wir die anhaltend hohe Zahl von Angriffen auf Politikerinnen und Politiker in Bayern betrachten." Schulze forderte, man müsse auch zurückkehren zu fairen Debatten über Parteigrenzen hinweg. (dpa)