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Krankenhaus Memmingen: So sieht eine Nachtschicht auf der Intensivstation aus

Krankenhaus Memmingen

So sieht eine Nachtschicht auf der Intensivstation aus

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    Timo Albrecht hat immer alle Werte im Blick. Er ist Pfleger auf der Intensivstation im Memminger Krankenhaus.
    Timo Albrecht hat immer alle Werte im Blick. Er ist Pfleger auf der Intensivstation im Memminger Krankenhaus. Foto: Judith Schneider

    „Wir drehen Sie jetzt um“, sagt Timo Albrecht zu seinem Patienten. Keine Antwort. „Achtung, ich schiebe Ihren Kopf kurz zur Seite." Wieder keine Antwort.

    Dass der Gesprächspartner so schweigsam ist, liegt daran, dass er mehrere Beruhigungs- und Schlafmittel im Blut hat. Trotzdem findet Timo Albrecht es wichtig, mit dem Mittfünfziger zu reden. Er erklärt: „Auch wenn die Patienten sich meistens später nicht daran erinnern können, bekommen sie doch einiges mit."

    Zehneinhalb Stunden dauert die Nachtschicht im Krankenhaus Memmingen

    Timo Albrecht arbeitet seit zwei Jahren als Pfleger auf der Intensivstation für Innere Medizin im Memminger Krankenhaus. Heute hat der 23-jährige Bad Grönenbacher eine Nachtschicht. Die dauert von 20.30 Uhr abends bis 7 Uhr morgens, zehneinhalb Stunden. „Zuerst haben wir eine Besprechung mit allen von der Spätschicht, damit jeder weiß, was zu tun ist“, erklärt Timo Albrecht.

    Bei der Besprechung fallen Sätze wie: „Die Frau auf Station eins hatte einen Verdacht auf eine Lungenembolie, nicht bestätigt“ – „Sieben wird weiterhin intubiert“ – „Die Dame auf der drei hat schlechte Werte, sie wird jetzt aber nur noch palliativ behandelt“ – „Das war’s, alles klar?“

    Alle Anwesenden nicken. Sie wissen, was sich hinter den Fachwörtern verbirgt und wie sie die neun Patienten, die in dieser Nacht auf der Intensivstation für Innere Medizin sind, versorgen müssen.

    Auf der Intensivstation müssen die Pfleger die Patienten ständig im Auge behalten

    Der Patient von Timo Albrecht, der bewusstlos und mit Schläuchen durch Mund und Nase sowie Kanülen in den Armen im Bett liegt, ist zwei Meter groß. Deshalb helfen drei Kollegen dabei, den Mann umzudrehen. Jeder greift eine Ecke des Bettlakens, und mit einem kräftigen Hauruck ziehen sie den Mann ein Stück zur rechten Seite. Dann schieben sie die Kissen so unter seinen Körper, dass er leicht zur linken Seite geneigt liegt. Als sie fertig sind, sagt Timo Albrecht: „Das war’s schon, jetzt lassen wir Sie wieder in Ruhe.“

    In dieser Nacht ist der Mann der einzige, um den er sich kümmern muss. „Normalerweise hat ein Pfleger nachts drei Patienten“, erklärt der 23-Jährige, „aber dieser braucht sehr viel Betreuung.“ Der Mann bekommt sieben verschiedene Medikamente. Der Pfleger muss ständig überprüfen, dass das Herz richtig pumpt, die Blutwerte stimmen und der Stoffwechsel funktioniert.

    Pflege ist mehr als Patienten zu waschen und umzudrehen. Timo Albrecht verabreicht auch Medikamente und muss in einer Notsituation sofort richtig handeln.
    Pflege ist mehr als Patienten zu waschen und umzudrehen. Timo Albrecht verabreicht auch Medikamente und muss in einer Notsituation sofort richtig handeln. Foto: Judith Schneider

    „Der Mann liegt im künstlichen Koma. Er kann nicht auf die Toilette gehen, sich nicht drehen und er schluckt nicht. Das müssen wir alles ersetzen“, erklärt Timo Albrecht und wischt dem Mittfünfziger Speichel vom Mundwinkel.

    Bei einem Notfall helfen auf der Intensivstation alle zusammen

    Dann steckt ein Arzt den Kopf ins Zimmer und sagt: „Es kommt gleich noch jemand.“ Ein Notfall. "Auf der Intensivstation weiß man vor der Arbeit nie genau, was auf einen zukommt", sagt Timo Albrecht. Für ihn macht das den Beruf spannend.

    Es gibt zwar noch freie Betten, doch der Neuankömmling hat einen Krankenhauskeim und sollte in ein eigenes Zimmer. Also muss ein Bett verschoben werden. Außerdem decken die Pfleger alle Geräte in dem Raum ab, damit sie nicht kontaminiert werden.

    Mitten in der Nacht soll ein neuer Patient kommen. Die Pfleger bereiten das Bett und alle Gerätschaften dafür vor.
    Mitten in der Nacht soll ein neuer Patient kommen. Die Pfleger bereiten das Bett und alle Gerätschaften dafür vor. Foto: Judith Schneider

    Alle Pflegekräfte, die gerade Zeit haben, helfen, das Zimmer vorzubereiten. Auch Timo Albrecht läuft mit Folien in den Händen den Flur auf und ab.

    „Was braucht ihr denn noch?“, fragt er die Kollegin, die ihm entgegenkommt. Sie bleibt stehen und schüttelt den Kopf: „Er ist gestorben.“ In dem Moment wird ein Patient, der bestimmte Geräte und Medikamente braucht, zu einem Menschen, der zum letzten Mal in seinem Leben ein- und ausgeatmet hat. Alle auf der Intensivstation sind bedrückt.

    Mitzubekommen, dass jemand stirbt, gehört in dem Beruf dazu. Timo Albrecht sagt: „Wenn ich aus dem Krankenhaus herausgehe, lasse ich das Meiste der Arbeit hinter mir.“ Manche Situationen beschäftigen ihn aber doch noch weiter: ein 18-jähriger Geflüchteter, der auf die Station kam, nachdem er fast ertrunken wäre oder ein Pizzabäcker, der einen schweren Covid-Verlauf hatte. „Er war dem Tod näher als dem Leben“, erzählt der Pfleger. Ein paar Wochen nach seiner Entlassung brachte der Pizzabäcker allen Pflegern auf der Intensivstation eine Pizza vorbei, um sich zu bedanken.

    Solche Gesten zeigen Timo Albrecht, wie wichtig sein Beruf ist: "Zu hören, dass es einem Patienten wieder gut geht, freut mich immer besonders. Da merkt man, dass man mit seiner Arbeit wirklich etwas bewirkt hat."

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