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Kliniken: Pflegebonus macht Ärger: Gibt es Pfleger erster und zweiter Klasse?

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Pflegebonus macht Ärger: Gibt es Pfleger erster und zweiter Klasse?

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    Für Pflegekräfte, die sich um Corona-Kranke kümmern, gehört eine Schutzkleidung zur Ausrüstung. Für die beschwerliche Arbeit in den vergangenen Jahren wird ein Pflegebonus ausbezahlt – aber nicht allen.
    Für Pflegekräfte, die sich um Corona-Kranke kümmern, gehört eine Schutzkleidung zur Ausrüstung. Für die beschwerliche Arbeit in den vergangenen Jahren wird ein Pflegebonus ausbezahlt – aber nicht allen. Foto: Jens Büttner, dpa

    Sarah Ruile ist sauer. Und wütend. Und – wahrscheinlich ist das das markanteste Gefühl – maßlos enttäuscht. "Jeder von uns hat in den vergangenen drei Jahren über 100 Prozent gegeben. Und trotzdem gehen wir jetzt leer aus“, sagt Ruile, Bereichsleiterin der Notaufnahme an der Uniklinik Augsburg. Das, worüber sie sich so ärgert, ist die Verteilung des Pflegebonus. Denn davon profitieren längst nicht alle Pflegekräfte. Das Nachsehen haben etwa diejenigen, die wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sarah Ruile in einer Notaufnahme arbeiten. 

    Im Sommer wurde der Pflegebonus von der Bundesregierung beschlossen, nun wird er ausbezahlt. Im Topf liegt eine Milliarde Euro, die zwischen Kliniken und Pflegeheimen aufgeteilt wird. Besonders in den Kliniken mehrt sich die Kritik. Denn das Geld bekommen nur Pflegefachkräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung auf sogenannten bettenführenden Stationen und Intensivpflegefachkräfte. Andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – eben etwa in der Notaufnahme oder im OP-Bereich – bekommen nichts. 

    Pflegekräfte klagen über fehlende Wertschätzung durch die Politik

    Sarah Ruile kann da nur den Kopf schütteln. "Warum das von der Politik so geregelt wurde, ist mir ein Rätsel“, sagt sie. Gerade in der Notaufnahme habe man in den Hochphasen der Pandemie doch an vorderster Front gekämpft, sagt sie. Habe immer Schutzkleidung getragen, sich um die Menschen gekümmert, die mit akuten Atembeschwerden in die Klinik gekommen seien. "Der Isolationsbereich der Notaufnahme war rund um die Uhr in Betrieb“, sagt Ruile. 

    Es gehe ihr vor allem um die fehlende Wertschätzung seitens der Politik, fährt sie fort. Über den Applaus von damals könne sie nur mehr müde schmunzeln – denn geblieben sei von den Versprechungen, mehr für die Pflege tun zu wollen, wenig. Aber natürlich gehe es auch ums Geld, das ihr und ihren Kollegen und Kolleginnen in der Notaufnahme vorenthalten wird: "Eine Pflegefachkraft, die in Vollzeit auf einer bettenführenden Station arbeitet, bekommt einen gesetzlichen Bonus von 1700 Euro. Eine Intensivpflegefachkraft 2500 Euro. Das ist schon ordentlich.“ 

    Klaus Holetschek (CSU) sagt: "Der Pflegebonus des Bundes war kein großer Wurf."
    Klaus Holetschek (CSU) sagt: "Der Pflegebonus des Bundes war kein großer Wurf." Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild)

    Nicht nur die Unterscheidung zwischen bettenführenden Stationen und anderen Bereichen stößt Ruile sauer auf – sondern auch, dass manche Berufsgruppen wie etwa Pflegehelferinnen und -helfer oder medizinische Fachangestellte ausgenommen sind. "Wir haben natürlich alle unterschiedliche Qualifikationen, aber wir ziehen alle gemeinsam an einem Strang“, sagt Ruile. 

    Kritik kommt nicht nur aus den Kliniken, sondern auch aus der bayerischen Landespolitik. "Der Pflegebonus des Bundes war kein großer Wurf“, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) gegenüber unserer Redaktion. "Die Pflegekräfte brauchen Anerkennung und Wertschätzung“, fährt er fort. Das bekämen sie aber nur durch bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen. "Hier hat der Bund auf voller Linie versagt“, sagt der Minister. 

    Holetschek: "Das führt zu Frustration und Enttäuschung bei den Pflegekräften"

    Der Bonus hat noch einen weiteren Haken: Er gilt nur für Krankenhäuser, in denen im Jahr 2021 mehr als zehn infizierte Patientinnen und Patienten behandelt wurden, die mehr als 48 Stunden beatmet wurden. Deutschlandweit trifft das auf 837 Krankenhäuser zu. Holetschek sieht da Versäumnisse: "Jetzt ist genau das eingetreten, was Bayern schon im Frühjahr kritisiert hat: Der Bundespflegebonus in Krankenhäusern wird Beschäftigten in einer Reihe von Kliniken vorenthalten, die sich ebenfalls ganz erheblich bei der Bewältigung der Corona-Pandemie engagiert haben“, sagt der Minister . "Ich habe damals schon gesagt: Die geforderte Mindestzahl von Covid-19-Beatmungsfällen ist kein taugliches Abgrenzungskriterium.“ Der Freistaat habe damals von der Bundesregierung deutliche Nachbesserungen gefordert – die Kritik sei jedoch nicht gehört worden. "Das führt zu dem, was wir in der Pflege gerade am allerwenigsten gebrauchen können: Frustration und Enttäuschung bei den Pflegekräften.“ 

    Das Klinikum Starnberg ist eines der Krankenhäuser, an denen es überhaupt keinen Pflegebonus geben wird. Denn 2021 wurden in der oberbayerischen Klinik nur neun statt der geforderten zehn Covid-Patienten für mehr als 48 Stunden beatmet. Florian Krötz, Chefarzt der Medizinischen Klinik am

    Kein Bonus am Klinikum Starnberg – weil ein Patient zu wenig beatmet wurde

    Das Klinikum Starnberg sei eines der ersten Krankenhäuser gewesen, das Corona-Patientinnen und -Patienten behandelt habe. Es sei sehr früh eine Container-Notaufnahme für Corona-Erkrankte eingerichtet, alles auf Notfallbetrieb umgestellt worden. Seine Klinik habe mit rund 300 Betten rund 1200 Covid-Kranke behandelt, das Verhältnis lag also bei eins zu vier – in vielen anderen Kliniken seien es im Verhältnis zu den Betten weniger Covid-Fälle gewesen. Und trotzdem gebe es dort nun Bonuszahlungen. 

    Dass Starnberg vergleichsweise wenige lang andauernde Beatmungsfälle hatte, lasse sich mit medizinischen Entscheidungen erklären, sagt er: Viele Menschen, die nicht noch zusätzliche Erkrankungen wie etwa Herzprobleme gehabt hätten, seien in die Lungenklinik Gauting weiterverlegt worden. In Starnberg habe man außerdem versucht, wegen der möglichen Risiken wenig zu beatmen. Studien hätten im Laufe der Corona-Pandemie gezeigt, dass 50 Prozent der invasiv Beatmeten gestorben seien, erläutert der Mediziner. 

    Krötz ärgert sich zwar über die Verteilung der Gelder – er hat aber bereits resigniert. "Ich habe keine Hoffnung, dass da noch was passiert und dass nachgebessert wird“, sagt er. "Ich befürchte, dass eine gewisse gesundheitspolitische Stoßrichtung dahintersteckt.“ Denn die Regel, dass in einer Klinik mindestens zehn Menschen länger beatmet werden müssen, bedeute automatisch, dass die Größe einer Klinik eine wichtige Rolle spiele. Jemand, der in einem kleinen Haus arbeite, sei also schon von vornherein schlechter gestellt. "Es scheint, dass die Politik will, dass die kleinen nicht überleben“, sagt Krötz. 

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