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Korruption: Eine neue Maskenaffäre bliebe für Politiker wieder ohne Strafe

Korruption

Eine neue Maskenaffäre bliebe für Politiker wieder ohne Strafe

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    Provisionen für die Vermittlung von Maskengeschäften. Ein Fall wie jener der beiden CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein bliebe auch heute ohne strafrechtliche Konsequenzen für Politiker.
    Provisionen für die Vermittlung von Maskengeschäften. Ein Fall wie jener der beiden CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein bliebe auch heute ohne strafrechtliche Konsequenzen für Politiker. Foto: Bernd Feil (Symbolbild)

    Im Kampf gegen korrupte Politiker ist Deutschland kein Vorzeigeland. Seit 2014 gilt: Wer sich "bei der Wahrnehmung seines Mandats" bestechen lässt, wird bestraft. So steht es im Paragrafen 108e des Strafgesetzbuchs. Erwischt hat es aber erst jetzt zum ersten Mal jemanden. Das Oberlandesgericht Celle hat im Januar einen Mann zu einer Geldstrafe von 16.500 Euro verurteilt. Das Problem ist nur: Es ist kein Politiker, sondern ein 70 Jahre alter Milchbauer aus der Nähe von Bremen, der versucht hat, ein Gemeinderatsmitglied der Grünen im Rahmen eines Grundstücksgeschäfts mit 10.000 Euro zu bestechen. Der hatte das Angebot zurückgewiesen und Anzeige erstattet.

    Unwillkürlich fällt einem bei diesem ganz aktuellen Fall der Begriff "Bauernopfer" ein. Eine Politikerin oder einen Politiker hat es in all der Zeit jedenfalls nicht getroffen. Haben sich wirklich alle strikt an die Regeln gehalten? Ist das nur ein Zufall? Oder ist es eher so, dass Deutschland sich schwertut mit klaren Grenzen für Abgeordnete im Strafrecht? 

    Der CSU-Politiker Alfred Sauter hat sich in der Maskenaffäre nicht der Abgeordnetenbestechlichkeit schuldig gemacht.
    Der CSU-Politiker Alfred Sauter hat sich in der Maskenaffäre nicht der Abgeordnetenbestechlichkeit schuldig gemacht. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Bundesgerichtshof entschied: Sauter und Nüßlein können nicht bestraft werden

    Als Musterfall für diese Problematik kann die Maskenaffäre der (früheren) CSU-Politiker Alfred Sauter, 72, und Georg Nüßlein. 53, während der Corona-Pandemie gelten. Vor genau zwei Jahren ist der Skandal mit einer Razzia beim damaligen Unionsfraktionsvize Nüßlein aufgeflogen. Kurz darauf wurde durch Recherchen unserer Redaktion bekannt, dass auch der langjährige Landtagsabgeordnete und ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter in die Affäre verwickelt ist. Der Landtags- und der Bundestagsabgeordnete – beide aus dem Landkreis Günzburg – haben in einer der schwersten Krisen des Landes saftige Provisionen für die Vermittlung von Maskengeschäften kassiert und dabei offenkundig ihre politischen Kontakte genutzt. Die Empörung in der Bevölkerung und in der Politik war groß. 

    Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, hier vor dem Masken-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags.
    Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, hier vor dem Masken-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Noch größer aber war die Empörung, als der Bundesgerichtshof (BGH) im Sommer vergangenen Jahres entschied, dass die Geschäfte von Sauter und Nüßlein nicht strafbar waren und die beiden damit sogar ihre Provisionen behalten dürfen. Die obersten Richter waren der Auffassung, dass Sauter und Nüßlein nicht "in Wahrnehmung ihres Mandats" handelten, wie es im Strafgesetz steht. Allein das Ausnützen von Beziehungen zu Entscheidungsträgern, um Geschäfte zu machen, sei nicht strafbar. Mandatsträger können demnach gegen Geld politische Einflussnahme zusichern, solange dies nicht zu parlamentarischen Aktivitäten, etwa bei Abstimmungen, führt. Viele Politiker forderten eine rasche Verschärfung des Strafrechts, damit sich ein Fall wie Sauter und Nüßlein nicht wiederholen könne. 

    Politiker machen sich ihre eigenen Regeln

    Bei aller Erregung ging eines ein wenig unter: Die Bundesrichter haben im Juli 2022 klargemacht, dass der Gesetzgeber ihrer Ansicht nach diese sogenannte Strafbarkeitslücke bewusst so gewollt habe. Der Gesetzgeber, das ist der Deutsche Bundestag. Die Politikerinnen und Politiker entscheiden bei solchen Dingen also auch immer über ihre eigene Arbeit und ihr eigenes Schicksal. Ein wenig ist das so, wie wenn ein Bauunternehmer die Bauordnung erlassen würde. Zu Schlupflöchern kann es da schon mal kommen. 

    Jedenfalls muss zwei Jahre nach dem Auffliegen der Maskenaffäre festgehalten werden: Ein Fall wie Sauter und Nüßlein kann jederzeit wieder so vorkommen. Lediglich das Abgeordnetengesetz im Bund und in Bayern wurde verschärft. Seither kann zum Beispiel die Bundestagspräsidentin den Gewinn aus derlei umstrittenen Deals einziehen. Und die drohende Strafe im Paragrafen 108e wurde auf mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe angehoben. Doch am Inhalt des Strafgesetzes hat sich nichts geändert. Die Gewinnmaximierung durch das berühmte "Vitamin B" steht für Politikerinnen und Politiker nicht unter Strafe. 

    Die Ampel-Regierung wollte das Gesetz zur Abgeordnetenbestechung rasch verschärfen

    Und das, obwohl die Ampel-Regierung einen verschärften Kampf gegen Korruption verabredet hat. "Wir werden den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestalten", haben SPD, Grüne und FDP in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Passiert ist das bisher nicht. Und es wird auch noch dauern. Denn bislang gibt es noch nicht einmal einen gemeinsamen, abgestimmten Entwurf für eine Verschärfung. Zwar beteuern alle, man sei im engen Austausch darüber, doch über die genau Ausgestaltung wird es wohl Streit geben.

    So drücken die Grünen aufs Tempo und wollen das Gesetz inhaltlich klar nachschärfen. Zukünftig soll es Abgeordneten untersagt sein, eine unzulässige Interessenvertretung neben ihrem Mandat wahrzunehmen. "Das ist die Lehre, die wir aus der Maskenaffäre ziehen müssen", sagt deren Innen- und Rechtsexperte Konstantin von Notz unserer Redaktion. Er will die Bestechlichkeit im strafrechtlichen Sinne nicht auf die Arbeit der Abgeordneten im Plenum, in Ausschüssen und Gremien begrenzen. "Strafwürdig ist es bereits, wenn Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ihre Position ausnutzen, um sich ungebührlich Vorteile zu verschaffen", betont der Jurist von Notz. Die Regelungslücke müsse konsequent geschlossen werden, "um einen weiteren Vertrauensverlust von demokratischen Institutionen und Prozessen abzuwenden". 

    FDP-Abgeordneter Thomae: Auf Verhältnismäßigkeit achten

    Bei der FDP klingt die Verschärfung nicht so scharf. Der Kemptener Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae sagt unserer Redaktion: "Da wird etwas kommen, aber wir müssen hier auf die Verhältnismäßigkeit achten." Eines ist dem Parlamentarischen Geschäftsführer besonders wichtig: "Die freie Ausübung des Mandats muss weiterhin gewährleistet sein." Nicht jedes kleine Geschenk für einen Gemeinderat dürfe gleich zur Straftat werden. Sonst würde eine Flut von Strafanzeigen drohen. 

    Für den Fall einer Erweiterung und Verschärfung des Gesetzes sieht auch der Augsburger Strafrechts-Professor Michael Kubiciel die Gefahr, dass die Arbeit der Abgeordneten stark eingeschränkt würde. "Eine solche heikle Materie eignet sich nicht für Schnellschüsse oder symbolische Änderungen", betont er. Kubiciel hat einen Vorschlag ausgearbeitet, der eine Art Kompromiss darstellen würde: Die Schaffung eines zusätzlichen Paragrafen, beispielsweise 108f, der Vorteilsannahme durch Abgeordnete unter Strafe stellt. Im Gegensatz zur Bestechlichkeit wäre dies dann aber nicht als Verbrechen, sondern als Vergehen klassifiziert und dementsprechend milder bestraft. 

    Ob so eine Lösung Deutschland im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International (TI) nach vorne brächte, sei dahingestellt. Fest steht, dass der Indikator für 2022 so schlecht ausfiel wie seit 2014 nicht mehr. Der Verein macht dafür ausdrücklich Skandale wie die Maskenaffäre und den Cum-Ex-Skandal verantwortlich. Die stellvertretende Vorsitzende von Transparency Deutschland, Margarete Bause, sagt: "Der Korruptionswahrnehmungsindex zeigt, dass Deutschland seit zehn Jahren bei der Korruptionsbekämpfung nicht entscheidend vorankommt.“

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