Sexuelle Belästigung ist niemals in Ordnung – egal, ob körperlicher, verbaler oder nonverbaler Art. Egal, ob eine Aussage oder eine Geste auf den ersten Blick noch so harmlos wirkt. In Krankenhäusern sind viele Pflegekräfte wöchentlich vom grenzüberschreitenden Verhalten ihrer Patienten betroffen. Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt, dass sich Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz mit 29 Prozent am häufigsten im Gesundheits- und Sozialwesen finden. Kaum einer scheint darüber zu sprechen. Stattdessen wirkt es so, als werde in der Branche von einer Art Berufsrisiko ausgegangen.
Das Sprechen über sexuelle Belästigung in der Pflege muss enttabuisiert werden
Wer sich für einen gesellschaftlich so wichtigen Beruf entscheidet, sollte beschützt werden. Wer kranke und bettlägrige Menschen pflegt, kommt ihnen nahe. Berührungen gehören dazu. Doch Patienten dürfen niemals Grenzen überschreiten. Auch dann nicht, wenn sie dement sind oder andere Krankheiten dazu führen, dass sie ihr Verhalten nicht mehr unter Kontrolle haben. Die Verantwortung, Grenzen zu ziehen und dafür zu sorgen, dass sie niemand übertritt, ist Aufgabe der Kliniken.
Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Mitarbeitenden vor Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. Wie genau die Maßnahmen dafür aussehen, ist jedoch jedem Krankenhaus selbst überlassen. Das lässt viel Spielraum. Eine unauffällige Mitteilung am Schwarzen Brett, die sich gegen sexuelle Belästigung ausspricht, reicht in keinem Fall aus. Die Botschaft muss viel sichtbarer sein: Vorgesetzte sollten das Thema immer wieder ansprechen, Seminare anbieten, Patienten informieren, gegen übergriffige Personen vorgehen. Und auch öffentlich sollte viel mehr über sexuelle Belästigung in der Pflege gesprochen werden. Sie zu verschweigen, macht das Berufsfeld nicht beliebter. Im Gegenteil: Klare Kommunikation und ehrliche Unterstützung sind angebracht. Dann fühlt sich das Personal gut aufgehoben und wertgeschätzt.