„Anstand“ und „Umsicht“ scheinen nicht nur Wörter zu sein, die aus der Mode gekommen sind: Es ist teils Fundamentales abhandengekommen. Die Proteste von Biberach, die in verbale und physische Gewalt mündeten, sind dafür ein Beispiel. Mehr Anstand und Umsicht, auf Demos wie in „sozialen“ Medien, würden Eskalationen verhindern – von denen es in den vergangenen Jahren viel zu viele gab, bei oder am Rande von Pegida-, Corona- oder Bauerndemos.
Damit ist weder etwas gegen Demos an sich noch gegen deren Auslöser gesagt. Sie sind, im Rahmen der Gesetze, ein zu schützendes Gut, ermöglichen sie „Bürgerinnen und Bürgern, sich aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu beteiligen“. Ein Recht auf eigene Fakten, Wut- und Gewaltausbrüche findet sich im Versammlungsrecht nicht.
Es ist nicht egal, ob neben einem ein Galgen oder eine Reichsflagge herumgetragen wird
Wie nichts zur Frage, in welcher Form sich „normale“ Demonstrierende abgrenzen sollten von Mitdemonstrierenden. Es genügt jedenfalls nicht zu sagen: Ich nehme mein Recht wahr, ganz gleich, wer neben mir läuft. Denn der Zweck heiligt nicht jedes Mittel, und es ist eben nicht egal, ob man als Impfskeptiker neben einem Rechtsextremen demonstriert. Oder als katholischer Bischof am Protest von „Lebensschützern“ teilnimmt, zu dem auch AfD-Politiker mobilisieren. Es ist eben nicht egal, ob neben einem ein Galgen oder eine Reichsflagge herumgetragen wird.
Zu Anstand und Umsicht gehört es daher, sich zu fragen: Mit wem gehe ich auf die Straße – und wie weit bin ich bereit zu gehen?