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Kommentar: Tödliche Gewalt am Königsplatz: Ein gerechtes Urteil?

Kommentar

Tödliche Gewalt am Königsplatz: Ein gerechtes Urteil?

Holger Sabinsky-Wolf
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    Dieses Bild aus der Videoüberwachung der Polizei zeigt die Gruppe mit den Angeklagten kurz vor der Tat am Königsplatz in Augsburg.
    Dieses Bild aus der Videoüberwachung der Polizei zeigt die Gruppe mit den Angeklagten kurz vor der Tat am Königsplatz in Augsburg. Foto: Archivbild

    Viereinhalb Jahre Gefängnis für einen Jugendlichen, der einen Mann totgeschlagen hat. Ist das ein gerechtes Urteil? Es kommt auf die Perspektive an. Der 17-jährige Täter Halid S. empfindet es vielleicht als ungerecht hart. Er wollte wohl niemanden töten und kann bis heute nicht recht verstehen, wie sein Faustschlag einen Menschen umbringen konnte.

    Für die Witwe und die Tochter des getöteten Feuerwehrmannes Roland S. ist es ein ungerecht mildes Urteil. Halid S. hat ihnen den Ehemann und Vater genommen. Für sie ist der Täter ein brutaler Schläger, der nicht lange genug ins Gefängnis gehen kann.

    Halid S. hat mit einem einzigen Schlag das Leben mehrerer Menschen zerstört. Das ist durch nichts zu entschuldigen. Der Täter war nicht gezwungen, mit voller Wucht zuzuschlagen. Eine Notwehrsituation gab es nicht. Halid S. war äußerst aggressiv, und er war gewaltbereit. Ein Schubser gegen seinen Kumpel reichte, um seine tödliche Attacke auszulösen. Das hat die Beweisaufnahme ergeben.

    Bei den Ermittlungen zur Tat am Königsplatz wurden schwere Fehler gemacht

    Der Prozess hat aber noch etwas deutlich gemacht: Bei den Ermittlungen wurden schwere Fehler gemacht. Viel zu früh und ohne Belege wurde versucht, ein Bild von einer aggressiven, kampfsporterprobten Jugendgang zu zeichnen, deren ausschließliche Beschäftigung es ist, grundlos Leute niederzuprügeln. Das gipfelte in der Aussage des damaligen Kripochefs in einer Pressekonferenz, die sieben Jugendlichen hätten ihr Opfer umzingelt und totgeschlagen. Nichts davon hat sich bewahrheitet. Was aber dadurch passiert ist: In der Öffentlichkeit wurden Ressentiments geschürt und die Erwartung einer knallharten Bestrafung für ein besonders brutales Verbrechen geweckt.

    Diese Erwartungen konnten im Urteil nicht erfüllt werden. Denn es war eben anders: Eine Jugendclique ist am Nikolausabend 2019 durch die Innenstadt gezogen. Die besoffenen Burschen waren laut und Ärger nicht abgeneigt. Sie trafen auf einen Mann, dem die Frage nach einer Zigarette schon genug Provokation war, um den Jugendlichen mit harschen Worten zurechtzuweisen und ihn wegzuschubsen. Was dann folgte, war eine Verkettung extrem unglücklicher Umstände. Der Faustschlag gegen Roland S. war sehr heftig, und das angetrunkene Opfer hatte nicht damit gerechnet. Roland S. starb im Alter von 49 Jahren.

    Halid S. hat mit dem Schlag am Kö auch sein eigenes Leben ruiniert

    Doch man darf eines nicht vergessen: Halid S. hat mit diesem einen Schlag auch sein Leben ruiniert. Die Umstände der tödlichen Auseinandersetzung am Augsburger Königsplatz waren sehr unglücklich. Das hat der Prozess gezeigt.

    So bitter das für die Hinterbliebenen ist, aber Gerechtigkeit wird nicht dadurch hergestellt, dass der Täter möglichst lange hinter Gitter geschickt wird. Angehörige neigen in ihrer starken emotionalen Betroffenheit oft zu einer falschen Sichtweise: Welchen Wert der Staat dem Leben des Getöteten beimisst, soll sich ihrer Meinung nach in der Höhe der Strafe zeigen.

    Der Tod eines geliebten Menschen kann so aber nicht wiedergutgemacht werden. Aufgabe der Gerichte ist es vielmehr, möglichst genau aufzuklären und eine der Tat angemessene Strafe auszusprechen. Das entspricht oft nicht dem, was man „gesundes Volksempfinden“ nennt. Doch würden die Gerichte diesem „Volksempfinden“ folgen, stünden am Ende Willkür und Unrechtsstaat. Und das kann niemand wollen.

    Lesen Sie den zugehörigen Artikel: Tod am Königsplatz: Richter räumen bei Urteil mit Gerüchten über die Tat auf

    Alle Artikel zum Prozess um den tödlichen Schlag am Königsplatz lesen Sie hier.

    Eindrücke aus dem Prozess gibt es in unserem Live-Ticker.

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