Das gefällt dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Die Umfragen für seine Partei sind gut wie lange nicht, und er hat seinen Anteil daran. Der Franke befindet sich seit über einem Jahr im Wahlkampf-Modus. Zuerst ging es um die Macht im Land, dann um Stimmen für Europa und vor allem seine eigenen Kanzler-Ambitionen, nun um die Mehrheit im Bundestag. Söder betreibt diese Dauerwerbetour mit einem enormen persönlichen Einsatz. Er spricht in Bierzelten, plaudert in Talkshows oder sendet auf den sozialen Netzwerken X (früher Twitter) und Instagram. Söder auf allen Kanälen und als bayerischer Ministerpräsident auf vielen Hochzeiten: Radlführerschein mit Grundschülern, Besuch beim Papst, Ortstermin auf der Zugspitze. Gute Bilder sind so garantiert.
Söder rühmt Bayern als Beispiel
Vor einem Jahr hat Markus Söder seine erste Regierungserklärung als wiedergewählter Ministerpräsident abgegeben. Gerne präsentiert er Bayern als Musterland, an dem sich der Rest der Republik ein Beispiel nehmen sollte. Richtig ist, dass der Freistaat bei relevanten Daten wie Arbeitslosigkeit und Einkommen gut dasteht, weil sich Unternehmen hier gut aufgehoben fühlen. Das ist ein Verdienst dieser und vorheriger bayerischer Regierungen. Richtig ist aber auch: Der starke Industriestandort Bayern hat in der jetzigen Krise besonders viel zu verlieren.
In der Landespolitik hat sich diese Gefahr vor allem in der Dauer-Kritik in Richtung Berlin niedergeschlagen. Großes Getöse gab es zudem um zweitrangige Fragen wie ein Gender-Verbot für Behörden oder die teilweise Freigabe von Cannabis. Aber was hat die Söder-Regierung eigentlich selbst auf den Weg gebracht?
Ein Jahr Regierung: Das hat Bayern erreicht
Der Elan hielt sich in Grenzen. In den Schulen wurde am Stundenplan geruckelt, Lehrerinnen und Lehrer sollen länger arbeiten und weiter Exen halten dürfen. Das Dauer-Thema Entbürokratisierung: Eine große Regierungserklärung und dann ab damit in die Mühlen des Regierungsapparats - die versprochenen Erleichterungen werden in kleinen Häppchen kommen. Schnell hat sich zudem gezeigt, dass mit Widerständen zu rechnen ist. Die Kommunen sind oft alles andere als begeistert von dem, was sich München ausdenkt. Ob Risiko-Kapital oder Entbürokratisierung: Immer wieder hat diese Söder-Regierung ihre Ankündigungen mit dem Wörtchen „Turbo“ versehen. Ob daraus am Ende mehr wird als ein laues Lüftchen, lässt sich fairerweise bisher nicht absehen. Die Insolvenz des als Hoffnungsträger auserkorenen Luftfahrtunternehmens Lilium war jedenfalls nicht mehr aufzuhalten.
Söder hat die Bayern zuletzt auf härtere Zeiten vorbereitet. Es gibt weniger Familien- und Landespflegegeld, und das muss noch nicht das Ende sein. Bayern wird mehr aufs Geld schauen müssen und das führt zu der Frage, wer dieses verdienen soll, wenn alte Erfolgsgaranten wie die Autoindustrie schwächeln. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, als Chef des Koalitionspartners Freie Wähler die Nummer zwei in der Regierung, hatte diesbezüglich zuletzt wenig Antworten. Er nutzte seine Regierungserklärung vergangene Woche zur Abrechnung mit einer bereits zerbrochenen Bundesregierung. Wahlkampf pur statt Regierungsarbeit - das war selbst eigenen Leuten zu wenig.
Bayern braucht neue Ideen für die Wirtschaft
Nach der Bundestagswahl wird sich die Koalition in München, die trotz gelegentlicher Hakeleien zuverlässig zusammenarbeitet, deshalb dringend mit der Frage beschäftigen müssen, welche Impulse der Freistaat der Wirtschaft geben kann. Dabei könnte es sogar um den Posten des Wirtschaftsministers gehen - falls Aiwanger den Sprung nach Berlin schafft. Dem Ministerpräsidenten Söder könnte das sogar gefallen - dem CSU-Chef Söder dagegen ganz sicher nicht.
Eine preiswerte, sichere und zukunftsfähige Energieversorgung ist Voraussetzung für ein Industrieland. Während Söder & Aiwanger über Wiederinbetriebnahme alter AKW Illusionen verbreiten und über SMR und Kernfusion fabulieren, handeln andere. Allein im Kreis Höxter in NRW wurden dieses Jahr schon mehr Windkraftanlagen genehmigt als in ganz Bayern. Was das bedeutet, verstehen viele satte Bürger und ihre Politiker nicht. Leider auch zu wenige Journalisten. Raimund Kamm
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