Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat erneut eine Chance verpasst, die Vorwürfe gegen sich im Zusammenhang mit einer üblen antisemitischen Hetzschrift aus seiner Schulzeit auszuräumen oder mit einem umfassenden Geständnis samt glaubwürdiger Distanzierung für Klarheit zu sorgen. Wenn das zentrale Ergebnis einer Krisensitzung ist, dass er 25 Fragen des Ministerpräsidenten schriftlich beantworten soll, dann heißt das im Umkehrschluss, dass er diese Fragen in der Sitzung nicht schlüssig beantwortet hat.
Angesichts der schwierigen Beweislage wäre ein schneller Rauswurf seines Ministers für Markus Söder so kurz vor der Wahl ein unkalkulierbares Risiko gewesen. Gleichzeitig kann er das, was bereits jetzt durch Aiwangers Teilgeständnis bekannt ist, ebensowenig ignorieren wie seine seltsamen Ausflüchte. Schließlich hat er als Ministerpräsident den Eid abgelegt, Schaden von Bayern abzuwenden.
Söder gibt Aiwanger eine letzte Chance und zieht sich damit erst einmal selbst aus der Affäre. Das ist politisch klug. Gleichzeitig droht er Aiwanger mit der Peitsche und lockt die Freien Wähler mit Zuckerbrot, indem er versichert, er wolle mit ihnen auch ohne Aiwanger weiterregieren. Diese Strategie ist zwar durchschaubar, aber möglicherweise effektiv.