Man muss sich nur einmal vorstellen, ein Verein, eine Firma oder eine Behörde würden ihre dunkle Vergangenheit selbst aufarbeiten und Täter nach eigenem Gutdünken bestrafen. Unvorstellbar? Eben. Doch genau das hat die katholische Kirche seit Jahren gemacht beziehungsweise nicht gemacht. Und der Staat hat sie gewähren lassen. Das war ein gewaltiger Fehler, geht es hier doch um teils systematischen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.
Zu lange waren die Kirchenoberen gewohnt, dass Nachsicht geübt wird
Doch nun scheint es endlich vorbei zu sein mit der Schonung. Zu lange waren die Kirchenverantwortlichen gewohnt, dass Nachsicht geübt wird. Mit der Razzia der Münchner Staatsanwaltschaft beim Erzbistum München und Freising beginnt die staatliche Justiz, die Kirche wie jede andere Institution zu behandeln, in deren Einflussbereich Straftaten geschehen. Eine Alternative dazu kann es nicht mehr geben.
Kardinal Marx gilt im Missbrauchsskandal als kooperativ
Ob die Durchsuchung die Ermittlungen im konkreten Fall voranbringt, darf bezweifelt werden. Zum einen dürften belastende Dokumente längst verschwunden sein. Zum anderen gelten Kardinal Reinhard Marx und sein Erzbistum seit langem als vergleichsweise kooperativ und fortschrittlich bei der Bewältigung der Missbrauchsskandale. Aber darum geht es nicht in erster Linie. Die Razzia hat vielmehr eine sehr hohe symbolische Bedeutung. Die Justiz sendet damit sehr spät, aber immerhin das Signal an die Kirche, dass sie von nun an keine Sonderbehandlung mehr zu erwarten hat. Und den Opfern sendet der Staat endlich das Signal, dass man sich kümmert.