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Kommentar: Parteien müssen mit Anstand gegen Verfall der Debattenkultur vorgehen

Kommentar

Parteien müssen mit Anstand gegen Verfall der Debattenkultur vorgehen

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    Und noch ein Eklat: In der letzten Plenarsitzung des Bayerischen Landtags vor der Sommerpause stört Ralf Stadler von der AfD mit einem Plakat die Abschlussrede von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze.
    Und noch ein Eklat: In der letzten Plenarsitzung des Bayerischen Landtags vor der Sommerpause stört Ralf Stadler von der AfD mit einem Plakat die Abschlussrede von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Gröber, digitaler, unerquicklicher – auf diese drei Begriffe lassen sich die Veränderungen bringen, die sich in den vergangenen fünf Jahren im Bayerischen Landtag zugetragen haben. Das Landesparlament ist damit zwar, wie man so schön sagt, Abbild der Gesellschaft. Doch gerade im Parlament sollte der Verfall der Debattenkultur nicht schulterzuckend hingenommen werden. 

    Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hat für den Fall ihrer Wiederwahl bereits einige Neuerungen angekündigt. Abgeordnete, die sich wegen beleidigender oder herabwürdigender Aussagen eine Rüge eingehandelt haben, sollen künftig ein Ordnungsgeld zahlen. Verdächtige Besuchergruppen sollen strenger kontrolliert werden, um irritierende Auftritte von politischen Extremisten – wie jüngst auf Einladung von AfD-Abgeordneten – künftig zu unterbinden. Die Frage ist, ob das reicht. 

    23 der insgesamt 26 Rügen gingen auf das Konto der AfD

    Hauptverantwortlich für die bedauerlichen Entwicklungen ist ohne Zweifel die AfD. 23 der insgesamt 26 Rügen gingen auf ihr Konto. Die Abgeordneten, die sich in ihrer ersten Legislaturperiode ernsthaft an der mühsamen Parlamentsarbeit beteiligen wollten, lassen sich an einer Hand abzählen. Einige von ihnen kehrten ihrer Fraktion frustriert den Rücken. 

    Die 17 verbliebenen Fraktionsmitglieder fielen mehrheitlich durch Provokationen und Stänkereien auf. Sie nutzten die Rügen als vermeintliche Belege dafür, dass die AfD von den „Altparteien“ ausgegrenzt werde. Und sie missbrauchten das Parlament regelmäßig als Kulisse für ihre Propaganda. AfD-Reden im Plenum dienten in dieser Legislaturperiode nicht dem parlamentarischen Diskurs, sondern vor allem einem Zweck: manipulative Videoschnipsel zu erzeugen und ins Netz zu stellen, um politische Aktivität vorzutäuschen. Die AfD wollte und will nicht mitmachen. Sie will das demokratische System und ihre Akteure verächtlich machen. 

    Ein wirksames Gegenmittel haben die anderen fünf Fraktionen noch nicht gefunden. Sie demonstrierten zwar immer wieder mal die oft beschworene Einigkeit der Demokraten – zuletzt auch in der Schlusssitzung am Donnerstag. Doch unverkennbar ist leider auch, dass sie sich von der gröberen Redeweise, die bei der AfD und in weiten Teilen der digitalen Welt herrscht, haben anstecken lassen. Das kurze, harte Statement ohne inhaltlichen Tiefgang hat Hochkonjunktur in der politischen Auseinandersetzung. 

    Harte Debatten dürfen sein – das Problem ist der Stil

    Wie unerquicklich das werden kann, zeigte sich zuletzt in der Debatte über den Klimaschutz – seit dem Streit über das neue Heizungsgesetz das Reizthema Nummer eins. Dass die Staatsregierung ihre Energiepolitik im hellsten Licht erstrahlen lässt, Grüne und SPD im Gegenzug nicht müde werden, Schwachstellen und Versäumnisse aufzuzeigen, gehört – zumal im beginnenden Wahlkampf – zum politischen Geschäft. 

    Harte Debatten dürfen sein. Das Problem ist der Stil. Wer einen Redner oder eine Rednerin so niederbrüllt, dass kein Wort mehr zu verstehen ist, der lässt genau den Respekt vermissen, den die Landtagspräsidentin in ihrer Schlussrede eingefordert hat. Dasselbe gilt für alle, die wider besseres Wissen den anderen einen „Klimaheuchler“ nennen oder ihn der Lüge bezichtigen, ohne zu erklären, was denn da geheuchelt oder gelogen gewesen sein soll. 

    Alle demokratischen Parteien haben die Chance, sich in ihrem Stil von der AfD zu unterscheiden. Darauf sollten sie achten. Mehr Respekt, mehr Anstand – damit wäre schon etwas geholfen. 

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