Kein Tag scheint zu vergehen, an dem nicht Missbrauchsfälle öffentlich werden – in Familien, Vereinen, in Reihen der Kirchen. Das Problem haben katholische wie evangelische Kirche weiß Gott nicht exklusiv. Und doch ist gerade die katholische Kirche besonders: weil sie sich als heilig versteht, weltweit Nächstenliebe predigt und mit dem Papst ein Oberhaupt hat, das eine Art absoluter Monarch ist.
Ihr Missbrauchsskandal ist besonders krass, und besonders ist die Verantwortung, die ihr daraus erwächst. Im Grunde und nach ihrem Selbstverständnis müsste sie an der Spitze der Aufarbeitung stehen. Mit Ausnahme ihrer Präventionsbemühungen war und ist die Realität eine andere. Das zeigt jedes weitere Gutachten, von denen eine Reihe noch ausstehen.
Unsere Gesellschaft hat ein gewaltiges Missbrauchsproblem
Neue Erkenntnisse bringen diese nicht über Strukturen und Ursachen, das stimmt. Das darf aber nicht zu dem Fehlschluss führen, es bräuchte keine weiteren Gutachten und Studien. Im Gegenteil: Es braucht deutlich mehr unabhängige, vor allem wissenschaftliche Befassung. Blickt man allein auf die länger zurückliegenden Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, hört man die Uhr ticken. Sie lassen sich wegen diverser Versäumnisse kaum aufklären. Täter sind tot, Betroffene alt, Dokumente nicht oder nicht mehr vorhanden.
Die Unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat kürzlich eine systematische Datenerhebung als Grundlage für ein fortzuschreibendes Lagebild gefordert. Das ist in unser aller Interesse, da solche Daten auch die Basis für – politisches – Handeln bilden. Daten werden für sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft benötigt, denn diese hat ein gewaltiges Missbrauchsproblem.