Sticheleien, kleine Nickligkeiten, versteckte Fouls – aus dem angeblich so harmonischen Miteinander in der selbst ernannten Bayernkoalition ist ein Kleinkrieg geworden. Der Plan der CSU, sich mit den Freien Wählern an ihrer Seite den Bürgerinnen und Bürgern als Gegenentwurf zur Ampel in Berlin zu präsentieren, droht zu scheitern.
CSU und Freie Wähler entzweien keine großen inhaltlichen Differenzen
Das ist umso erstaunlicher, als die Koalitionspartner in Bayern – anders als SPD, Grüne und FDP in Berlin – keine elementaren inhaltlichen Gegensätze zu überwinden haben. In München geht es ums Gefühl. Markus Söder und Hubert Aiwanger liefern sich einen komplett inhaltsleeren Machtkampf, der allerdings eine Besonderheit aufweist: Söder hält sich öffentlich zurück. Er lässt kämpfen. Aiwanger dagegen haut sich voll rein.
Maßgebliche Leute in der CSU sind überzeugt, dass der Chef der Freien Wähler nur eines im Sinn hat: die schrittweise Vernichtung der CSU als dominierende Partei im Freistaat. Aiwanger hat die einst nur kommunalpolitisch aktiven Freien Wähler quasi im Alleingang zu einer Partei geformt, sie 2008 in den Landtag und 2018 in die Regierung geführt und sich 2023 als Koalitionspartner für Söder endgültig unverzichtbar gemacht. Er hat mehrere Affären und zuletzt sogar den Skandal um das Nazi-Flugblatt in seiner Schultasche überstanden und benimmt sich seither, als hätte er in Drachenblut gebadet. Das nächste Ziel von „Hubert dem Unverwundbaren“ ist der Bundestag.
Parallel dazu haben sich seine Mitstreiter in Regierung und Landtag von Grund auf gewandelt. Aus dem sympathischen bunten Haufen, der vor 15 Jahren in den Landtag einzog, ist eine nibelungentreue Gefolgschaft geworden. Die Unterwerfung unter den Chef ist nahezu komplett. Das ist zwar bis zu einem bestimmten Maß nicht ungewöhnlich, sobald oben an der Spitze einer steht, der allein über die Vergabe von Regierungsämtern und weiteren Posten entscheidet. Aber die Geschwindigkeit, mit der aus einer Gruppe von Individualisten ein scheinbar monolithischer Block geformt wurde, ist bemerkenswert.
Bürgerlich-Konservative bei den Freien Wählern nehmen Rechtsruck der Partei hin
Noch erstaunlicher allerdings ist, dass Aiwangers offenkundiger Rechtsruck so klaglos hingenommen wird. Bei den Freien Wählern gibt es eine Reihe von Persönlichkeiten, die sich stets als aufrechte, bürgerlich-konservative Streiter gegen Rechtsaußen präsentiert haben – zum Beispiel Fraktionschef Florian Streibl, Landtagsvizepräsident Alexander Hold oder Digitalminister Fabian Mehring. Sie sehen bisher offenbar keinen Anlass, mäßigend auf ihren Chef einzuwirken, obwohl er immer hemmungsloser am rechten Rand fischt.
Aiwanger schürt Unmut und Ängste und betreibt die Spaltung der Gesellschaft, indem er sich – in erklärter Opposition zu einer liberalen und weltoffenen Stadtgesellschaft – zum einzig wahren Vertreter der Landbevölkerung aufschwingt. Er ist offenbar der Meinung, dass er mit einer Radikalisierung der Redeweise bei Wählerinnen und Wählern weiteren Boden gutmacht. Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass er sich da täuschen könnte. Sein erklärtes Ziel, dadurch die AfD einzudämmen, hat er jedenfalls nicht erreicht. Was dabei obendrein auf der Strecke bleibt, ist der ursprüngliche Anspruch der Freien Wähler, als bürgerliches Sammelbecken für alle da zu sein. Es ist bisher nicht einmal zu erkennen, dass dies innerhalb der Partei als Problem wahrgenommen wird. Die Freien Wähler sind zur Aiwanger-Partei degeneriert.