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Kommentar: Es steht Spitz auf Knopf für Hubert Aiwanger

Kommentar

Es steht Spitz auf Knopf für Hubert Aiwanger

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    Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Parteichef der Freien Wähler auf einer Pressekonferenz.
    Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Parteichef der Freien Wähler auf einer Pressekonferenz. Foto: Daniel Löb, dpa

    Worüber wird geredet, wenn über Hubert Aiwanger und über ein 35 Jahre altes antisemitisches Pamphlet aus seiner Schulzeit geredet wird? Über eine Jugendsünde? Oder vielleicht doch über eine möglicherweise tief verwurzelte antidemokratische Gesinnung? Über einen Medienskandal? Oder vielleicht doch über eine Enthüllung, die für ein reinigendes Gewitter in der bayerischen Landespolitik sorgt?

    Nach allem, was bisher bekannt wurde, steht schon mal eines fest: Es ist kein Medienskandal. Die umfangreichen Recherchen der Kolleginnen und Kollegen der Süddeutschen Zeitung sind von Aiwanger selbst in wesentlichen Punkten bestätigt worden. Der Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler hat eingeräumt, was nicht mehr zu leugnen war. Über den Rest schweigt er. Und genau das ist das Problem – sein Problem und das Problem von Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Vorsitzende steht vor der schwierigen Frage, ob er mit Aiwanger weiter regieren will oder nicht.

    Jetzt kommt es darauf an, wie Aiwanger mit der Flugblatt-Affäre umgeht

    Fest steht auch, dass es gar nicht darauf ankommt, ob es "nur" eine Jugendsünde war. Es kommt darauf an, wie Aiwanger jetzt damit umgeht. Wären da nicht seine irritierenden Auftritte bei der Demo in Erding ("Demokratie zurückholen") und bei Markus Lanz in der Talkshow ("formale Demokratie") gewesen, dann wäre die Sache mit dem Pamphlet aus der Schulzeit wahrscheinlich gar nicht auf den Tisch gekommen.

    Nun aber deutet sich ein Muster an: Aiwanger weicht aus, wenn es ernst wird. Mal duckt er sich weg, mal stilisiert er sich als Opfer, mal zeigt er mit dem Finger auf andere. Seine Erklärungen zur Sache sind lauwarm und unvollständig. Und vor allem eines hat er noch nicht verstanden: Dass es, wenn man an der Spitze einer Regierung steht, um Vertrauen geht. Ein Privatmann darf sich darüber beklagen, wenn in seiner Vergangenheit geforscht wird, ein Politiker nicht. Er muss sich immer und überall nach seiner wahren Gesinnung fragen lassen und Rede und Antwort stehen. Das gilt grundsätzlich. Und es gilt sogar noch mehr, wenn einer in seinen Urteilen über andere selbst gerne mit Holzhammer und Dreschflegel zu Werke geht.

    Hubert Aiwanger muss Antworten auf die wichtigsten Fragen liefern

    Die Fragen an Aiwanger in Sachen Flugblatt liegen auf der Hand. Sie betreffen zunächst einmal die Vorgänge in der Vergangenheit: Warum hatte er Exemplare des Flugblatts, das angeblich von seinem Bruder verfasst wurde, in seiner Schultasche? Warum wurde die Tasche durchsucht? Einen Anlass muss es dafür schließlich gegeben haben. Trifft es zu, dass er als Schüler gerne Adolf Hitler imitierte und zu welchem Zweck – nur aus Spaß oder warum sonst? Und woher kam diese Affinität zu Nazi-Parolen?

    Will Aiwanger in der Gegenwart seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, sollte er endlich aufrichtig erklären, wie das damals in der Schule und mit seinem Bruder tatsächlich war. Dass er sich an nichts weiter erinnert, als dass er die Flugblätter in der Tasche hatte und zur Strafe ein Referat halten sollte, ist nicht glaubhaft.

    Zu einer umfassenden Erklärung gehört allerdings auch eine Antwort auf die Frage, nach welchen Grundsätzen er heute Politik macht. Steht er zu den Prinzipien der parlamentarischen Demokratie? Will er als tragender Teil einer bürgerlich-konservativen Regierung ernst genommen werden? Oder driftet er in seinem Machthunger ab zu den antidemokratischen Krakeelern, die nur lästern, ohne Lösungen parat zu haben?

    Es steht Spitz auf Knopf für Hubert Aiwanger.

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