CSU-Chef Markus Söder hat Recht bekommen – allerdings erst mit einiger Verspätung. Als er vor einem Jahr bei der Klausurtagung der Landtagsfraktion die These vertrat, die CSU müsse in Bayern nur stabil regieren, um gegenüber den Ampelparteien in der öffentlichen Meinung Boden gut zu machen, lag er sehr richtig. Bei der Landtagswahl, die vom Streit um die Flugblatt-Affäre von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger überlagert war, hat der CSU das zwar nicht viel genutzt. Sie konnte mit 37 Prozent lediglich ihr historisch schlechtes Ergebnis halten. Mittlerweile aber liegt sie in Umfragen wieder stabil über 40 Prozent. Das bringt halbwegs Beruhigung in Söders Partei.
Von ihrem traditionellen Selbstbewusstsein aber ist die CSU auch zum Jahresauftakt 2024 noch weit entfernt. Gleich mehrere Faktoren sorgen für Verunsicherung.
Die Gesamtlage hat sich geändert. Der Fokus der CSU im Wettstreit der Parteien richtet sich nicht länger auf Grüne, SPD und FDP, die in Berlin offenbar ohne jede Fremdeinwirkung auf ein unrühmliches Ende ihrer Ampelkoalition hinarbeiten, sondern auf die Konkurrenz auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Mit Ausnahme Hessens ist die AfD in keinem westlichen Bundesland so stark wie in Bayern. Und nirgendwo sonst gibt es so starke Freie Wähler wie im Freistaat. Zusammengerechnet kommen die beiden kleinen Parteien rechts von der CSU auf rund 30 Prozent.
Die "Brandmauer" zur AfD steht. Aber was ist mit Aiwanger?
In ihrer Abgrenzung zu der immer weiter in den Rechtsextremismus abdriftenden AfD ist die CSU klar. Anders als in Teilen der Schwesterpartei CDU steht die viel beschworene „Brandmauer“. Im Umgang mit Aiwanger, der in Bayern gleichzeitig wichtigster Partner und schärfster Konkurrent ist, hat die CSU aber noch kein Rezept gefunden. Offiziell heißt es zwar, man arbeite in der Staatsregierung gut zusammen und habe nach schwierigen Gesprächen auch wieder Vertrauen aufgebaut. Doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Söder und seine Mitstreiter in Regierung und Landtag kommen mit den Freien Wählern gut zurecht, aber deren Chef ist für sie mehr denn je ein rotes Tuch.
Das zeigte sich erst dieser Tage wieder, als Aiwanger sich mit radikalen Formulierungen zum Wortführer der protestierenden Bauern aufschwang. Die Zurechtweisung aus der CSU, die Landwirtschaftspolitik falle nicht in seine Kompetenz als Wirtschaftsminister, kam reichlich hilflos daher.
Aiwanger ist Chef einer Partei. Er hat jedes Recht der Welt, in aktuellen Debatten Stellung zu beziehen. Das Kernproblem der CSU mit Aiwanger ist, dass er sie mit seinem Populismus in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder übertrifft. Ihr Plan, ihn mit besseren Argumenten in der Sache zu stellen, geht bisher nicht auf. Neue Konflikte im anstehenden Europawahlkampf sind programmiert.
Nur stabil zu regieren, wird für Markus Söder nicht reichen
Wenn sich die CSU-Abgeordneten aus Bundes- und Landtag jetzt zu ihren Winterklausuren treffen, wird über all das zu reden sein. Die Standardformel der CSU im Umgang mit populistischer oder radikaler Konkurrenz lautet: Probleme lösen. Im Bund hat sie dazu im Moment kaum Möglichkeiten. Sie wird also, will sie ihren Aufwärtstrend verstetigen, in Bayern damit anfangen müssen. Die Herausforderungen liegen auf dem Tisch – unter anderem in der Bildungs-, Energie- und Wohnungsbaupolitik sowie bei Digitalisierung und Bürokratieabbau. Nur stabil zu regieren, wird da nicht ausreichen. Es braucht neue Ideen, zumal auch in Bayern das Geld knapp wird.