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Kommentar: Zwischen Personalmangel und Überlastung: Politik lässt kranke Kinder im Stich

Kommentar

Zwischen Personalmangel und Überlastung: Politik lässt kranke Kinder im Stich

Daniela Hungbaur
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    Die durch Corona bedingten Einschränkungen belasten viele Kinder psychisch extrem.
    Die durch Corona bedingten Einschränkungen belasten viele Kinder psychisch extrem. Foto: Nicolas Armer, dpa

    Wie konnte es so weit kommen? Dass selbst schwer kranke Kinder fürchten müssen, nicht mehr immer schnell, nicht mehr immer gut medizinisch versorgt zu werden. Dass selbst kranke Kinder fürchten müssen, nicht mehr die passenden Medikamente zu bekommen. In Deutschland. In Bayern. In einem wohlhabenden Land. Einem Land, das sehr viel Geld für sein Gesundheitssystem ausgibt und das sich noch immer rühmen kann, im Vergleich zu anderen eine vorbildliche Gesundheitsversorgung zu haben. Doch wenn schon die Jüngsten nicht mehr versorgt werden können, was ist dann bald mit den anderen?

    Zumal hinlänglich bekannt ist, dass die mangelhafte medizinische Versorgung nicht nur kranke Kinder und ihre Eltern spüren. Auch pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren, auch behinderte Menschen erleben die Engpässe am eigenen Leib. Um Schwächere ist es bei uns oft nicht gut bestellt. Doch obwohl es immer mehr schmerzlich trifft, hält sich die breite Empörung in Grenzen. Daueraufreger sind andere Themen.

    Es herrscht ein dramatischer Mangel auf allen Versorgungsebenen

    Und das, obwohl in der Gesundheitsversorgung ganz offensichtlich Grundlegendes nicht erkannt wird: So sollte doch jedem klar sein, dass gerade die gesundheitliche Versorgung der Kinder und Jugendlichen an oberster Stelle stehen muss. Vor allem in sie müsste endlich stärker investiert werden. Denn es ist doch nachvollziehbar, dass Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter das ganze Leben prägen, dass aus jungen Patienten Dauerpatienten werden können, dass alles getan werden muss, damit Kinder und Jugendliche eine exzellente Versorgung genießen, wenn diese Gesellschaft eine gute Zukunft haben will. Die Realität sieht aber leider ganz anders aus. Es herrscht ein dramatischer Mangel auf allen Versorgungsebenen: Gerade auch Kinderkliniken arbeiten nicht erst jetzt vor dem Hintergrund der akuten RSV-Welle weit über der Belastungsgrenze. Therapien für krebskranke Kinder können oft nur über Spenden finanziert werden, es fehlen Kinderärzte, Kinderpsychiater, Kinderpsychotherapeuten und natürlich vor allem auch Kinderpflegekräfte.

    Doch gerade bei der Pflege fragt man sich: Wie lange will man noch zusehen, dass immer mehr Personal fehlt? Wie lebensbedrohlich gerade diese Lücken sind, wissen doch alle. Warum also wird dieser Beruf nicht endlich aufgewertet? Wer sich um Pflegebedürftige kümmern kann und will, hat einen der wichtigsten Berufe in einer Gesellschaft, die sich sozial nennen will. Gelingt es nicht, mehr kompetente und empathische Pflegekräfte zu gewinnen, ihnen gute Arbeitsbedingungen zu garantieren, lassen wir es bewusst zu, dass kranke Menschen – ob Säugling oder Senior – früher sterben.

    Es muss ein verpflichtendes Soziales Jahr für junge Leute geben

    Ja, die Politik muss handeln. Aber es ist auch an der Zeit, dass eine bessere Versorgung ein gesamtgesellschaftliches Thema wird. Daher muss es auch ein Soziales Jahr für alle jungen Leute geben. Nicht freiwillig, verpflichtend. Nicht um schnell billig Personallücken zu stopfen, sondern für die Chance, die berufliche Bandbreite im sozialen und medizinischen Sektor kennenzulernen. 

    Gesundheitsminister Lauterbach hat eine Reform in die richtige Richtung angekündigt. Das kann aber nur ein Anfang sein. Zu viele Jahre schon stand der kranke Mensch oft nicht im Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung, sondern finanzielle Gewinne. Zu viele Jahre schon wurde die Kinder- und Jugendmedizin sträflich vernachlässigt. Die aktuell beschämenden Zustände in vielen Kinderkliniken waren vorhersehbar, sie wurden einfach in Kauf genommen. Das ist der eigentliche Skandal.

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