Dass die Infektionszahlen derzeit steigen, löst bei vielen Menschen nurmehr ein Achselzucken aus. Die Argumente: Das Virus sei nicht mehr so gefährlich und überhaupt sei alles ja gar nicht so schlimm gewesen, wie zu Beginn der Pandemie schwarzmalerisch prophezeit. Der erste Punkt trifft in großen Teilen zu. Die Immunitätslage in der Bevölkerung ist gut, das Virus führt nur noch selten zu schweren Erkrankungen. Beim zweiten Punkt indes sieht die Sache anders aus.
Die Maßnahmen haben die Verbreitung von Corona eingebremst
Dass das deutsche Gesundheitssystem in der Pandemie nicht zusammengebrochen ist, liegt nicht daran, dass das Virus überschätzt wurde, sondern an den Maßnahmen, die ergriffen wurden. Ein aktueller Report der renommierten britischen Gelehrtenvereinigung Royal Society kommt zu dem Schluss: Die Maßnahmen, vor allem Lockdowns und die Maskenpflicht, haben die Verbreitung von SARS-CoV-2 stark eingebremst.
Die Erzählung, die derzeit zuweilen verbreitet wird, ist oft eine andere. Sie ist einem Phänomen geschuldet, das sich Präventionsparadox nennt. Also: Weil die Maßnahmen geholfen haben, ist der Irrtum entstanden, sie seien gar nicht nötig gewesen.
Das ist Unsinn. Und gefährlich. Vor allem in Hinblick auf neue Viren, neue Pandemien, die kommen könnten. Menschen, die jetzt rückblickend sagen, es sei alles übertrieben gewesen – für manche Regeln mag das zutreffen, keine Frage –, werden künftig keine Maßnahmen mehr mittragen.